Dass Barlow seine populärste Phase Mitte der 90er hatte, merkte man dann dem zweiten Teil der Show an, in dem es nicht nur eine Reihe willkommener Classics aus "Bubble & Scrape" zu hören gab, sondern mit "Rebound", "Mystery Man" und "Together Or Alone" gleich drei (Wunsch-) Songs von der LP "Bakesale" am Stück. Zu Letzterem gab es übrigens folgenden herrlichen Dialog mit dem Publikum:
Lou: "I think I wrote a lot of these songs in the same week... I was dumped, I was TOTALLY dumped, I was really young, too, I was 24, 25..."
Zuschauer: "That's not young, Lou!"
Lou: "Oh, well, it's young for me now! 13 years ago, and I'm still playing these songs."
Zuschauer: "Get over it!" (Gelächter)
Lou: "No, I... That's just WRONG, man, that's just wrong ! I AM over it !"
Zuschauer: "You're in denial!"
Lou (will aufgeben): "No, I'm playing.... (stöhnt) - do I have to explain the theory of performance and what this is about?"
Zuschauer: "Play!"
Lou: "OK, anyway... heh heh heh, so anyway I wrote this song when I was really young... I like these songs, that's why I play them."
Ganz zum Schluss holte er sogar noch die auch vom "Kids"-Soundtrack einschlägig bekannte "Sebadoh III"-Kultnummer "Spoiled" aus der Versenkung, um sich dann mit "Love Is Stronger" von "The Sebadoh" zu verabschieden. Dabei hatte er davor ausdrücklich gesagt, dass er den letzten Abend seiner Tournee in Kontinentaleuropa mit einer positiven Nummer würde abschließen wollen. Und spielt dann SO etwas! Er wäre allerdings wohl nicht Lou Barlow, wenn er's nicht getan hätte! Bis in zwei Wochen bei Dinosaur Jr., Lou!
BACKSTAGE WITH: LOU BARLOW
Wenn wir unsere diversen Begegnungen mit Lou Barlow Revue passieren lassen, schienen eigentlich nur zwei Dinge sicher zu sein: Dass es keine Dinosaur-Jr-Reunion geben würde und dass Loobie nie ein Message Board auf seiner wunderbaren Website installieren würde. Beides ist nun doch passiert. Das Dino-Comeback mag emotional wie finanziell durchaus begründet sein, doch warum das Forum? Eine gute erste Frage für unser Treffen mit Barlow vor dem Konzert in Utrecht.
Lou: "Das Message Board schien mir irgendwann einfach eine gute Idee zu sein. Die Leute mögen sie halt! Es war also einerseits aufgrund der Nachfrage, die dafür bestand, andererseits, weil die Emails, die mir die Menschen schicken, so nett sind und mir ein solch gutes Gefühl geben, dass ich dachte, wenn ich ein Message Board hätte, würden die Dinge vermutlich anders laufen als früher bei Sebadoh, wo es einige sehr besitzergreifende Fans gegeben hat. Ich hatte das Gefühl, dass es sich dieses Mal anders entwickeln würde, und das hat sich auch größtenteils bewahrheitet."
GL.de: Ebenfalls neu ist, dass "Emoh" erstmals unter dem Namen "Lou Barlow" erschienen ist…
Lou: "Ich wollte eigentlich nie meinen eigenen Namen benutzen, weil ich finde, dass er sich nicht gut macht, aber weil all meine Bands… Die Mitglieder von Sebadoh leben zu weit auseinander, um eine wirkliche Band zu sein, und Folk Implosion sind mir einfach entglitten. Also stand ich ziemlich alleine da und ich hätte noch nicht einmal eine Band mit neuen Leuten gründen können, auf die ich mich wirklich hätte verlassen und mit denen zusammen ich hätte auf Tour gehen können. Mir wurde dann vorgeschlagen, doch meinen eigenen Namen zu benutzen, und ich habe schlicht und ergreifend auf das gehört, was diese Leute zu sagen hatten. Wie ich die Platte ["Emoh"] sehe, macht das auch Sinn, denn es gibt darauf einen Song, "Caterpillar Girl", der von Folk Implosion stammen könnte bzw. sogar in der Tat ein Folk-Implosion-Song war. Dann gibt es Stücke, die ziemlich nah an dem sind, was ich vermutlich mit Sebadoh gemacht hätte, zumal Jason [Loewenstein] ja sogar bei einigen davon mitspielt. Es war einfach Zeit für mich, diesen Schritt zu wagen. Es war zudem so etwas wie der letzte Rettungsanker, denn nachdem ich unter so vielen verschiedenen Namen und mit so vielen verschiedenen Leuten zusammengearbeitet hatte, fehlte meiner Arbeit einfach der rote Faden, nach dem das Publikum verlangt. Früher hatte ich nicht viel übrig für Menschen, die so denken, aber inzwischen habe ich mich mit dem Gedanken arrangiert. Ich wollte es den Leuten einfach machen, also habe ich meinen eigenen Namen benutzt. Ein weiteres Zugeständnis habe ich dagegen nicht gemacht: Mein hässliches Gesicht ist NICHT auf dem Cover!"
GL.de: Auf dieser Tournee gehst du sehr oft auf Wünsche aus dem Publikum ein…
Lou: "Es geht um die Songs! Für mich ist das eine Art von Kreuzzug, um meine Songs lediglich als Songs und nicht als 'meine Lebensgeschichte' zu präsentieren. Ich hoffe, dass es irgendwann zwischen jetzt und meinem Tod klar wird, dass es um die Songs geht und nicht um mein Privatleben."
GL.de: Heißt das, dass sich auch dein Songwriting in den letzten Jahren gewandelt hat?
Lou: "Nicht wirklich. Ich erzähle immer noch sehr persönliche Geschichten, aber ich erzähle sie auf eine Art und Weise, die mir ein gutes Gefühl gibt, während ich früher am Ende zumeist wütend war. Jetzt versuche ich, die Geschichte zu Ende zu führen. Wenn ich den Song dann singe, weiß ich, dass ich auf jemanden wirklich wütend war, aber ich weiß auch, warum, und dass ich eigentlich nicht sauer sein sollte und dass letzten Endes vielleicht doch wieder alles ins Lot kommt."
GL.de: Heißt das, dass es für dich nach all den Jahren schwieriger wird, Songs zu schreiben, oder gilt auch hier: Übung macht den Meister?
Lou: "Das kann ich nicht sagen. Ich glaube nicht, dass es komplizierter ist, es dauert nur länger, bis sich die Geschichte, die ich erzähle, entwickelt."
GL.de: Du bist vor kurzem Vater geworden und hast deine Frau und Tochter gleich mit auf Tournee genommen…
Lou: "Dass meine Frau schwanger wurde, kam für uns beide völlig überraschend. Sie glaubte: 'Jetzt können wir nicht mehr reisen und überhaupt kaum mehr etwas machen.' Ich antwortete: 'Nein, wir können weiterhin all das machen, was wir wollen.' Wir haben einfach entschieden, dass wir unmittelbar nach der Geburt unserer Tochter unser Leben so weiterleben würden, wie wir das geplant hatten. Wir lieben es, unterwegs zu sein, also sind wir sofort mit dem Baby auf Reisen gegangen, und das funktioniert wirklich gut."
Lou: Die Vaterschaft ist also keine Belastung für dich?
Lou: "Nein! Ich kriege viel mehr geschafft, weil mir bewusst geworden ist, wie wertvoll meine Zeit ist. Zuvor war ich immer sehr unentschlossen, jetzt sage ich mir: 'Ich muss dies und das erledigen, und zwar sofort!' Wenn ich es jetzt nicht mache, habe ich vielleicht nie mehr die Chance dazu. Es ist nicht immer einfach, aber ich habe einen guten Grund, mich anzustrengen. Das ist sehr inspirierend."