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Emoh is where you're happy

Lou Barlow

Utrecht, Ekko
26.05.2005

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Loobie
Es ist geradezu paradox: Da hat sich Lou Barlow nach rund zwanzig Jahren im Musikbusiness und unzähligen Platten mit Bands und Projekten wie Sentridoh, Dinosaur Jr., Sebadoh, (New) Folk Implosion oder Loobiecore endlich dazu überreden lassen, mit dem Verwirrspiel aufzuhören und sein wunderschönes aktuelles Solowerk "Emoh" unter seinem eigenen Namen zu veröffentlichen, und was passiert? Wenige Wochen später wird das Comeback der legendären Originalbesetzung von Dinosaur Jr. (mit Barlow, J. Mascis und Murph) bekannt gegeben, und Pläne für die Rückkehr der klassischen Früh-90er-Besetzung von Sebadoh gibt es auch bereits.
Bei so viel - zudem recht lukrativem - Trubel um seine glorreiche Vergangenheit hätte es wohl niemanden gewundert, wenn sich Barlow eine Tour zu "Emoh" einfach gespart hätte. Das tat er allerdings zum Glück nicht, und wenn der fast zweistündige Auftritt im gut gefüllten Utrechter Ekko als Maßstab dienen darf, war der zwischen Dinosaur Jr.-Auftritte in den USA und Europa eingeschobene Soloausflug auch keinesfalls nur eine Pflichtübung. Wie schon auf der Platte tat Barlow auch beim Konzert viel dafür, die Ernsthaftigkeit seiner Singer / Songwriter-Ambitionen zu unterstreichen. Bewaffnet mit zwei Gitarren sowie einem handlichen Tasteninstrument und zwei Mikros vor der Nase, sah der Mann mit den wuscheligen Haaren auf der Bühne wirklich wie ein waschechter Folkie aus.

Und als gälte es, die Folk-Tradition zu unterstreichen, dass der Song wichtiger ist als irgendwelche Veröffentlichungen, gab's zu Beginn gleich zwei brandneue, unveröffentlichte Songs zu hören: "My Revival" (wie treffend) und "The One". Doch auch sonst hatte Loobie jede Menge Freude daran, sich nicht an das vorher ausgedachte Set zu halten, und bat das Publikum schon früh um Mithilfe bei der Songauswahl. Richtig gefreut hat ihn natürlich, dass sich einige sogar Songs wie "Monkey Begun" (von seinem neuen Album) wünschten, die er schelmischerweise nie mit ihrem Titel, sondern nur mit ihrer Nummer auf der CD ansagte. Laut lachen musste er dann allerdings, als sich jemand Stück fünfzehn wünschte - das Werk hat nämlich nur 14 Stücke... Außerdem gab ihm das Zahlenspiel Gelegenheit, sein Holländisch aufzupolieren. Immerhin wissen wir jetzt, das "Zeven" seine Lieblingszahl ist - zumindest auf Niederländisch.

Die meisten Songvorschläge aus dem Publikum reichten natürlich weiter zurück, und Barlow erfüllte sie (fast) alle: So gab's sogar das kurze Frühwerk "Healthy Sick" zu hören (in Holland eh gut gelitten, seit Bettie Serveert es gecovert haben), nebst der amüsanten Geschichte, dass ihm damals die Medien erklären wollten, dies sei kein Song, weil es keinen sich wiederholenden Refrain gäbe! Überhaupt fiel nach einiger Zeit gar nicht mehr auf, dass Barlow ziemlich müde war, denn er kam richtig ins Plaudern. Zur Rarität "In Your Face" erzählte er zum Beispiel die Geschichte von seinem in Eigenregie veröffentlichten Album "Loobiecore Vol. I", von dem ihm 3000 Exemplare der 5000er Auflage als unverkäuflich zurückgeschickt wurden - noch mit den Preisschildern der Läden, die das Werk bereits mehrfach reduzierten hatten, bevor sie es letztlich retournierten. Heute gibt es das Album übrigens noch auf Barlows großartiger Website käuflich zu erwerben - auf Wunsch auch mit den alten Preisetiketten...

Dass Barlow seine populärste Phase Mitte der 90er hatte, merkte man dann dem zweiten Teil der Show an, in dem es nicht nur eine Reihe willkommener Classics aus "Bubble & Scrape" zu hören gab, sondern mit "Rebound", "Mystery Man" und "Together Or Alone" gleich drei (Wunsch-) Songs von der LP "Bakesale" am Stück. Zu Letzterem gab es übrigens folgenden herrlichen Dialog mit dem Publikum:

Lou: "I think I wrote a lot of these songs in the same week... I was dumped, I was TOTALLY dumped, I was really young, too, I was 24, 25..."
Zuschauer: "That's not young, Lou!"
Lou: "Oh, well, it's young for me now! 13 years ago, and I'm still playing these songs."
Zuschauer: "Get over it!" (Gelächter)
Lou: "No, I... That's just WRONG, man, that's just wrong ! I AM over it !"
Zuschauer: "You're in denial!"
Lou (will aufgeben): "No, I'm playing.... (stöhnt) - do I have to explain the theory of performance and what this is about?"
Zuschauer: "Play!"
Lou: "OK, anyway... heh heh heh, so anyway I wrote this song when I was really young... I like these songs, that's why I play them."

Ganz zum Schluss holte er sogar noch die auch vom "Kids"-Soundtrack einschlägig bekannte "Sebadoh III"-Kultnummer "Spoiled" aus der Versenkung, um sich dann mit "Love Is Stronger" von "The Sebadoh" zu verabschieden. Dabei hatte er davor ausdrücklich gesagt, dass er den letzten Abend seiner Tournee in Kontinentaleuropa mit einer positiven Nummer würde abschließen wollen. Und spielt dann SO etwas! Er wäre allerdings wohl nicht Lou Barlow, wenn er's nicht getan hätte! Bis in zwei Wochen bei Dinosaur Jr., Lou!


BACKSTAGE WITH: LOU BARLOW

Wenn wir unsere diversen Begegnungen mit Lou Barlow Revue passieren lassen, schienen eigentlich nur zwei Dinge sicher zu sein: Dass es keine Dinosaur-Jr-Reunion geben würde und dass Loobie nie ein Message Board auf seiner wunderbaren Website installieren würde. Beides ist nun doch passiert. Das Dino-Comeback mag emotional wie finanziell durchaus begründet sein, doch warum das Forum? Eine gute erste Frage für unser Treffen mit Barlow vor dem Konzert in Utrecht.

Lou: "Das Message Board schien mir irgendwann einfach eine gute Idee zu sein. Die Leute mögen sie halt! Es war also einerseits aufgrund der Nachfrage, die dafür bestand, andererseits, weil die Emails, die mir die Menschen schicken, so nett sind und mir ein solch gutes Gefühl geben, dass ich dachte, wenn ich ein Message Board hätte, würden die Dinge vermutlich anders laufen als früher bei Sebadoh, wo es einige sehr besitzergreifende Fans gegeben hat. Ich hatte das Gefühl, dass es sich dieses Mal anders entwickeln würde, und das hat sich auch größtenteils bewahrheitet."

GL.de: Ebenfalls neu ist, dass "Emoh" erstmals unter dem Namen "Lou Barlow" erschienen ist…

Lou: "Ich wollte eigentlich nie meinen eigenen Namen benutzen, weil ich finde, dass er sich nicht gut macht, aber weil all meine Bands… Die Mitglieder von Sebadoh leben zu weit auseinander, um eine wirkliche Band zu sein, und Folk Implosion sind mir einfach entglitten. Also stand ich ziemlich alleine da und ich hätte noch nicht einmal eine Band mit neuen Leuten gründen können, auf die ich mich wirklich hätte verlassen und mit denen zusammen ich hätte auf Tour gehen können. Mir wurde dann vorgeschlagen, doch meinen eigenen Namen zu benutzen, und ich habe schlicht und ergreifend auf das gehört, was diese Leute zu sagen hatten. Wie ich die Platte ["Emoh"] sehe, macht das auch Sinn, denn es gibt darauf einen Song, "Caterpillar Girl", der von Folk Implosion stammen könnte bzw. sogar in der Tat ein Folk-Implosion-Song war. Dann gibt es Stücke, die ziemlich nah an dem sind, was ich vermutlich mit Sebadoh gemacht hätte, zumal Jason [Loewenstein] ja sogar bei einigen davon mitspielt. Es war einfach Zeit für mich, diesen Schritt zu wagen. Es war zudem so etwas wie der letzte Rettungsanker, denn nachdem ich unter so vielen verschiedenen Namen und mit so vielen verschiedenen Leuten zusammengearbeitet hatte, fehlte meiner Arbeit einfach der rote Faden, nach dem das Publikum verlangt. Früher hatte ich nicht viel übrig für Menschen, die so denken, aber inzwischen habe ich mich mit dem Gedanken arrangiert. Ich wollte es den Leuten einfach machen, also habe ich meinen eigenen Namen benutzt. Ein weiteres Zugeständnis habe ich dagegen nicht gemacht: Mein hässliches Gesicht ist NICHT auf dem Cover!"

GL.de: Auf dieser Tournee gehst du sehr oft auf Wünsche aus dem Publikum ein…

Lou: "Es geht um die Songs! Für mich ist das eine Art von Kreuzzug, um meine Songs lediglich als Songs und nicht als 'meine Lebensgeschichte' zu präsentieren. Ich hoffe, dass es irgendwann zwischen jetzt und meinem Tod klar wird, dass es um die Songs geht und nicht um mein Privatleben."

GL.de: Heißt das, dass sich auch dein Songwriting in den letzten Jahren gewandelt hat?

Lou: "Nicht wirklich. Ich erzähle immer noch sehr persönliche Geschichten, aber ich erzähle sie auf eine Art und Weise, die mir ein gutes Gefühl gibt, während ich früher am Ende zumeist wütend war. Jetzt versuche ich, die Geschichte zu Ende zu führen. Wenn ich den Song dann singe, weiß ich, dass ich auf jemanden wirklich wütend war, aber ich weiß auch, warum, und dass ich eigentlich nicht sauer sein sollte und dass letzten Endes vielleicht doch wieder alles ins Lot kommt."

GL.de: Heißt das, dass es für dich nach all den Jahren schwieriger wird, Songs zu schreiben, oder gilt auch hier: Übung macht den Meister?

Lou: "Das kann ich nicht sagen. Ich glaube nicht, dass es komplizierter ist, es dauert nur länger, bis sich die Geschichte, die ich erzähle, entwickelt."

GL.de: Du bist vor kurzem Vater geworden und hast deine Frau und Tochter gleich mit auf Tournee genommen…

Lou: "Dass meine Frau schwanger wurde, kam für uns beide völlig überraschend. Sie glaubte: 'Jetzt können wir nicht mehr reisen und überhaupt kaum mehr etwas machen.' Ich antwortete: 'Nein, wir können weiterhin all das machen, was wir wollen.' Wir haben einfach entschieden, dass wir unmittelbar nach der Geburt unserer Tochter unser Leben so weiterleben würden, wie wir das geplant hatten. Wir lieben es, unterwegs zu sein, also sind wir sofort mit dem Baby auf Reisen gegangen, und das funktioniert wirklich gut."

Lou: Die Vaterschaft ist also keine Belastung für dich?

Lou: "Nein! Ich kriege viel mehr geschafft, weil mir bewusst geworden ist, wie wertvoll meine Zeit ist. Zuvor war ich immer sehr unentschlossen, jetzt sage ich mir: 'Ich muss dies und das erledigen, und zwar sofort!' Wenn ich es jetzt nicht mache, habe ich vielleicht nie mehr die Chance dazu. Es ist nicht immer einfach, aber ich habe einen guten Grund, mich anzustrengen. Das ist sehr inspirierend."

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Surfempfehlung:
www.loobiecore.com
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
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