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Konzert-Bericht
 
Tanz den Stalin

Sophie Solomon
Luba Dvorak

Bonn, Harmonie
19.05.2006

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Sophie Solomon
Im Vorfeld gab es viele interessante Dinge über die von Jehudi Menuhin entdeckte, klassisch ausgebildete Geigen-Virtuosin Sophie Solomon zu lesen: Als "Keith Richards der Geige" wurde die schlaksige Engländerin tituliert, von singenden Kollegen wie Heather Nova, Rufus Wainwright oder Richard Hawley (der auch auf ihrer Debüt-CD mitmachte) wurde sie in den höchsten Tönen gelobt, mit ihrer Weltmusik-Crossover-Band Oi Va Voi sorgte sie in England für Furore, mit "HipHopKhasene" versuchte sie sich an diesem Genre und neben Hawley konnte sie KT Tunstall und den Schauspieler Ralph Fiennes als Gäste auf ihrem Album verpflichten. Da war die Neugier natürlich groß, ob hier so etwas wie ein weiblicher Nigel Kennedy im Entstehen begriffen ist, oder ob sich Sophie für eine andere Richtung entscheiden würde. Die Antwort muss entschieden "Jein" heißen. Denn mit Klassik z.B. hat Sophie gar nicht einmal so viel am Hut (ihre Version von Brahms ungarischen Tänzen geriet - wie vieles andere in ihrem Vortrag - zu einer ausgelassenen Swing-Nummer) während sie auf der anderen Seite (wie Kennedy) ihr Instrument perfekt beherrscht.
Aber der Reihe nach: Eröffnen durfte das erstaunlich gut besuchte Konzert der Songwriter Luba Dvorak. Dieser sah - zumindest Frisurenhalber - nicht nur ein bisschen aus, wie Ron Sexsmith, sondern kommt, wie dieser, ebenfalls aus Kanada. Seinen Wohnsitz indes hat er in New York und als Songwriter verfolgt er weniger die lyrische Note seiner Landsleute, sondern eher die straighte, amerikanische Storytelling-Variante. Dabei versteht sich der Mann offensichtlich als musikalischer Reiseberichterstatter: Vancouver, Amsterdam, Chicago, New Orleans und New York - das waren Stationen seiner Wanderungen und anhand dieser Eckpunkte zog er sein Songuniversum auf. Das reichte von den üblichen persönlichen Erfahrungsberichten über Hymnen an die jeweiligen Orte bis zu politisch motivierten Protestsongs (z.B. zum Thema Hurricane Katrina). Dvorak hat dabei genau die richtige Reibeisenstimme für diesen Job und er ist ein ausgezeichneter Gitarrist. Als Songwriter lehnt er sich vielleicht etwas zu sehr an die großen Vorbilder an - was ihn aber andererseits allgemein verständlich macht.
Anders als auf ihrer Scheibe verzichtete Sophie Solomon bei ihrer ersten Solo-Tour in unseren Gefilden ganz auf elektronische Spielereien, sondern leistete sich eine komplette Band - mit Drums, Akustik-Bass, Gitarre, Ziehharmonika und Keyboard. Rockmusik allerdings - wie etwa durch den Keith Richards-Vergleich assoziiert - blieb ganz außen vor. Weder spielte Sophie ihr Instrument elektrisch verstärkt, noch interessiert sie sich für die Ästhetik eines Backbeats. Stattdessen lebte sie ihre Vorliebe für skurrile Themen aus der russischen Historie und slawische Folklore in vollem Umfang aus. "Ich weiß nicht, ob ihr das wusstet, aber Stalin war ein ausgezeichneter Tango Tänzer. Der nächste Tango basiert auf seinem Lieblings-Stück" - oder: "Ich habe einen Walzer geschrieben, der von frierenden, toten Leuten im Schnee handelt" - oder: "Auf meiner Website gibt es ein Spiel, bei dem man Rasputin-Mönche dazu bringen muss, hochzuspringen, um an Vodka zu kommen." So oder ähnlich lauteten die kleinen Intermezzi, mit denen sie ihr meist Instrumental gehaltenes Programm unterhaltsam untermalte. Natürlich hatte Sophie die Gäste von ihrer Scheibe nicht mit auf Tour nehmen können, und so wurden dann die Gesangsstücke von ihrem Gitarristen dargeboten, während sie das für ihren Freund Ralph Fiennes (ebenfalls ein Liebhaber des russischen) geschriebene Gedicht "A Light That Never Dies" selber vortrug - zunächst auf Russisch und dann auf Englisch. Geboten wurde fast das komplette Programm der CD - abgerundet durch die bereits erwähnte Brahms-Eskapade, einen Swing-Titel, den neuen Walzer und eine Klezmer-Nummer, die sich nahtlos in das Folk-orinetierte Programm einordnete. Die eher atmosphärisch / esotrisch geprägten Töne, die sich zuweilen auf der Scheibe finden, blieben hier außen vor - was nicht unbedingt ein Nachteil war. Denn Sophies Band agierte lebhaft und mit Witz als perfekte Schnittstelle zwischen den Genres, mittels derer sich Sophie als Instrumentalistin nach belieben verwirklichen konnte. Besonders die agile Rhytmusgruppe erwies sich hierbei als energischer Motor und Plus-Faktor. Dabei outete Sophie sich als Showgröße mit der Tendenz zu übertriebener Grandezza. Die mit Verve und Effet dargebotenen Gesten und Posen wirkten zuweilen doch ein wenig überzogen und aufgesetzt - insbesondere da es darum ging, nicht etwa rentenpflichtige Fernsehzuschauer, sondern ein interessiertes, recht gemischtes Publikum zu beglücken und zu beeindrucken. Unter dem Strich war dies einmal ein Konzerterlebnis der etwas anderen Art. Sophie Solomon entpuppte sich hier als virtuose Instrumentalistin und solide Entertainerin ohne stilistische Berührungsängste oder gar elitäres Gehabe (Sophie signierte im Anschluss bereitwillig ihre CDs). Und das mit den Rock-Einflüssen könnte in Zukunft ja vielleicht noch kommen - es wäre jedenfalls eine interessante zusätzliche Facette, die Sophies Musik noch bereichern könnte.

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Surfempfehlung:
www.sophiesolomon.com
www.luba-dvorak.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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Mehr über Sophie Solomon:
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