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Auf Achse

Garish
Ken Stringfellow

Salzburg, ARGE Kultur
29.03.2007

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"Du sollst werden, der du bist" heißt es bei Friedrich Nietzsche. Ein Satz, der ziemlich gut zum österreichischen Quintett Garish passt. Nicht nur, weil Thomas Jarmer seit Jahren Texte mit philosophischer Note schreibt, die über das popmusikalisch Übliche ("Meine Freundin hat mich verlasen und ich habe den Blues wegen ihr" bzw. "Die Frau, die ich liebe, will nichts von mir wissen und ich habe den Blues wegen ihr") hinausgehen, sondern auch, weil Garish mit ihrem neuen Album "Parade", das dieser Tage erscheint, eine Platte veröffentlichen, die man gut als Summe der drei vergangenen Werke beschreiben kann. Ein Album, auf dem sie das machen, was die Vorgänger nur andeuten konnten.
Live auf der Bühne bedeutete das, dass Garish zwar auch weiterhin auf Akkordeon, Glockenspiel und freudetrunkene Chorgesänge zurückgriffen, ihre Schräg-Pop-Avancen, ob derer sie bislang immer wieder gerne mit Element Of Crime verglichen wurden, aber zugunsten eines straighteren Indierock-Sounds etwas in den Hintergrund gedrängt wurden. Damit sind die Österreicher durchaus soundtechnisch auf der Höhe der Zeit, und auch wenn es vor allem die alten Songs wie die neuarrangierte Ballade vom Eisfischer oder "Tänzer" waren, die die Salzburger vor der Bühne mit freudiger Erregung quittierten - als die Höhepunkte des Abends entpuppten sich im Livekontext die neuen Songs . "Nach dir benannt" zum Beispiel, das mit einer "störrischen" Pianofigur und trotz Banjo auch mit gepflegtem Rockflair aufwarten konnte. Das Rock-Treatment hauchte auch "Später ist egal" von "Absender auf Achse" neues Leben ein, doch natürlich kamen die typischen Garish-Momente ebenfalls nicht zu kurz. Mit Thomas Jarmer am Rhodes-Piano spielten die fünf nämlich "Der Stein, auf dem ich lag" aus dem letztjährigen "Tintenfischalarm"-Soundtrack, und dass die Band ihr Handwerk auch mit kleinem Besteck versteht, bewies das als "schmeichelhafteste Nummer des neuen Albums" angekündigte "Was kein Wort je erklärt". Zu dritt, nur mit Akustikgitarre, Banjo und Akkordeon, zauberten Garish einen der schönsten Momente des Abends auf die Bühne. Am Ende des Stücks wurde es sogar noch (unfreiwillig) komisch, da die unbeschäftigten Kurt Grath und Markus Perner in der ersten Reihe vor der Bühne stehend ihren Bandkollegen "Applaus zollten" - natürlich passend zum Rhythmus der Nummer.

Überhaupt waren Garish nicht nur gut anzuhören, sondern auch gut anzuschauen: Dass alle fünf Musiker mit akkurater Bügelfalte auf der Bühne standen, war dabei den zwei Tagen Pause in Vorarlberg geschuldet, die dem Salzburger Auftritt vorausgingen: Jetzt sei alles frisch gewaschen und es röche auch viel besser auf der Bühne, ließ Thomas Jarmer sein Publikum wissen. Das forderte am Ende dann energisch eine Zugabe, die natürlich auch gewährt wurde.

Zuvor hatte Ken Stringfellow eine seiner leichtesten Übungen absolviert: Ein Publikum voller Ahnungsloser, denen höchstens einer der drei Namen auf dem Poster geläufig war ("Ken Stringfellow [The Posies und R.E.M.]" stand dort), machte er innerhalb weniger Minuten zunächst auf sich aufmerksam, dann zog er die Menschen nach und nach auf seine Seite, und entließ sie 45 Minuten später als seine Fans in die Pause, die nicht wenige dazu nutzten, Tonträger zu erstehen - "at reasonable prices!" und handsigniert. Trotzdem war es nicht "nur" ein Stringfellow-Konzert wie jedes andere. Schon beim Soundcheck hatte der Künstler dem Mann am Mischpult zugerufen, man möge doch bitte die Lautstärke im Monitor zurückfahren, da sie noch auf Rockband eingestellt sei, "dabei bin ich doch eine Folkband". Nun gut, seine Solowerke sind deutlich zurückgenommener als seine Veröffentlichung mit The Posies, aber Folk ist das noch lange nicht. In Salzburg allerdings eröffnete Stringfellow den Abend mit einer brandneuen Nummern, die, - musikalisch leicht angelehnt an "Long May You Run" - durchaus als countryesker Folk durchging. Zumal er sich zum ersten Mal in seiner zwanzigjährigen Karriere einer Mundharmonika (!) bediente, die Nummer keinen Refrain hatte und auch noch ziemlich politisch gefärbt war - handelte sie doch von seinem Lieblingsthema, seiner Übersiedlung von Seattle nach Paris. Das Beste daran war und ist allerdings der Titel: "110 Or 220 V"!

Nachdem Stringfellow am Abend vorher noch einen Großteil seines Programms mit Coverversionen bestritten hatte, konzentrierte er sich in Salzburg ganz auf seinen Solo-Output: So streute er altbekannte Highlights wie "Any Love", "You Drew" oder "Find Yourself Alone" zwischen seinen langen, humorvollen und erstaunlich oft auf Deutsch vorgetragenen Geschichten ein, erzählte ausführlichst von den vorangegangenen Konzerten seiner Balkangastspielreise, vom fast die Tournee beendenden Autounfall tags zuvor ("Wir wussten nicht, dass es in Ungarn nicht erlaubt ist, durch ein Taxi hindurch links abzubiegen - das muss eine neue Regelung sein! Der andere Wagen war nicht schlimm beschädigt, aber unser Auto hat ins Gras gebissen. Wir mussten es heute Morgen verkaufen. Das war ein wenig so, als wenn du einen Hund einschläfern lässt.") und hatte auch während der Songs ungemein viel Spaß: Bei "When U Find Someone" verpasste er gleich mehrfach fast seinen Einsatz, weil er amüsiert den Publikumsreaktionen auf den aberwitzigen Text des Liedes lauschte. Leider gönnte er seinem Auditorium an diesem Abend nur zwei Songs an den Tasten, dabei hätte das von Garish bereitgestellte Rhodes-Piano doch nun wirklich die Möglichkeit geboten, einige seiner souligsten Nummern in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Stattdessen bestritt er lieber drei Viertel des Konzerts ohne Mikro mitten im Publikum, nachdem er das größte Hindernis überwunden hatte: Die lange Kette Glühbirnen nämlich, die den Bühnenrand säumte: "Wenn du mit den Eiern zuerst auf einer Reihe festgeschraubter Glühbirnen landest - das ist kein schöner Tag!"

Dieses Missgeschick blieb ihm allerdings erspart, und so war es dann ein ganz zauberhafter Abend. Auf den zweiten Blick hatten die Protagonisten übrigens mehr gemein als nur die österreichische Bookingagentur. Schließlich ziert das Garish-Album "Wo die Nacht erzählt vom Tag" ein schönes Foto einer Deckenlampe, das - bewusst oder unbewusst - als Hommage an das "Radio City"-Albumcover von Big Star durchgeht. Und deren heutiger Bassist heißt... ganz genau!

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Surfempfehlung:
www.garish.at
www.kenstringfellow.com
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
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