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Konzert-Bericht
 
Kleiner Aufwand, große Wirkung

Pelle Carlberg

Düsseldorf, Pretty Vacant/ Köln, Stereo Wonderland
16.05.2007/ 17.05.2007

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Pelle Carlberg
Kleiner Aufwand, große Wirkung: Auch bei seiner aktuellen - stolz von Gaesteliste.de präsentierten - Tournee ließ sich der kleine, große schwedische Songwriter Pelle Carlberg nur von seinem ehemaligen Edson-Mitstreiter Henrik Nilsson begleiten. Doch nicht nur, weil der eine perfekte Ein-Mann-Band ist und bis zu drei Instrumente (Bassgitarre, Mundharmonika und Pedal-Schlagzeug) gleichzeitig spielte, war es für die zwei ein Leichtes, den dichteren, bandorientierteren Sound des brandneuen Albums "In A Nutshell" adäquat auf die Bühne zu bringen. Letztes Jahr hatten sie sich noch als sanftes Folk-Duo präsentiert, das auf der Bühne zwar tonnenweise Charme versprühte, aber mit seiner schüchternen Art ausgezeichnet die oft subtilen Nuancen der nicht selten leisen Songs unterstrichen hatte. Trotz unverändertem Instrumentarium klangen sie dieses Mal dagegen fast wie eine (ganz hervorragende) Rockband und passten sich auch sonst dem veränderten Sound an.
Pelle hatte offenbar einen Clown gefrühstückt, anders waren die vielen witzigen, oft geradezu albernen Ansagen zwischen den Songs nicht zu erklären. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass er fast wie aufgedreht wirkte: Tanzte und hüpfte er doch permanent über die winzige Bühne, machte mit seiner Akustikgitarre Rockstargesten und hatte auch sonst - überhaupt nicht mehr schüchtern - sichtlich Spaß daran, im Rampenlicht zu stehen und sich als Entertainer zu präsentieren. Das reflektierte auch die Songauswahl. Die balladesken Songs seiner beiden Soloalben blieben fast gänzlich außen vor, lediglich "Go To Hell, Miss Rydell" gab es zu hören, bezeichnenderweise allerdings schon als dritten Song. Wie gesagt, an diesem Abend ging es den beiden offensichtlich mehr darum, ihre Qualitäten als Rockband auszutesten, deshalb war "Riverbank" richtig laut, und auch viele andere Nummern wurden mit viel mehr Drive gespielt als bei den Studioversionen. "Bastards Don't Blush" fiel dabei besonders auf - so laut und angenehm krachig haben wir den Song noch nie gehört! Mit hohem Tempo rasten Pelle und Henrik durch ihr (spontan zusammengestelltes) Set und ließen dem Publikum nur Zeit zum Atmen, wenn der "One Note Samba" anstand, wie Pelle seine Gitarren-Stimm-Pausen augenzwinkernd bezeichnete: "Der Typ, der diese Nummer geschrieben hat, muss ein Multi-Milliardär sein!"

Hatte man im Vorjahr noch das Gefühl, dass sich Pelle durch Zwischenrufe aus dem Publikum oder technische Schwierigkeiten leicht aus dem Konzept bringen ließ, wirkte er an diesem Abend in Düsseldorf unheimlich souverän. Selbst als Feedbackgeheul den beiden Musikern auf der Bühne fast das Trommelfell zerfetzte, meinte er nur locker: "Wusstet ihr eigentlich, dass U2 zuvor Feedback geheißen haben? Ich habe Freunde in Dublin, die es der Band immer noch übel nehmen, den Namen abgelegt und sich dafür so etwas Lahmes wie U2 ausgesucht zu haben!" Natürlich griff Pelle auch wieder in die Coverkiste: "Rocket Man" hatte er sich dieses Mal ausgesucht - und tauschte dabei den countryesken Pomp des Original gegen ein sparsames Folk-Arrangement aus. "Der letzte Song wurde von Sir Elton John geschrieben, der nächste dagegen stammt von mir", erklärte Pelle danach, nur um dann eine geschlagene Minute mit seinem Partner konferieren zu müssen, welchen Song er denn nun spielen könnte. Henrik suchte "Musikbyran Makes Me Want To Smoke Crack" aus - in Düsseldorf wie auch schon bei den vorangegangenen Konzerten eines der (vielen) Highlights.

Apropos Highlights: Für die vorletzte Nummer bat Pelle Stefan Honig zurück auf die Bühne, der zusammen mit Martin Hannaford im Vorprogramm unter dem Namen Honig feinen zerbrechlichen Akustik-Folk im Stile von Crosby, Stills & Nash oder Cat Stevens zelebriert hatte und offensichtlich ein so begeisterter Pelle-Fan ist, dass er den Duett-Part des wunderbaren "I Love You, You Imbecile" - im Original von der Norwegerin Ida Maria - auch ohne Probe perfekt singen konnte.

Auch der letzte Song des regulären Sets war eine neue Uptempo-Nummer, die praktisch all das zusammenfasste, was Pelle an diesem Abend ausgemacht hatte, ein Song, dessen Titel eigentlich schon alles sagt: "Clever Girls Like Clever Boys Much More Than Clever Boys Like Clever Girls". Natürlich musste danach eine Zugabe her, und nachdem Pelle letztes Jahr jeden Abend mit dem The Darkness-Song "I Believe In A Thing Called Love" abgeräumt hatte, die Nummer aber inzwischen leid ist, hatte er eine weitere Coverversion ausgesucht, die einige Parallelen zu eben jener Rock-Hymne von The Darkness aufweist: "Grace Kelly" von Mika nämlich! Pelles Version kam so gut an, dass er danach vom Publikum stürmisch aufgefordert wurde, doch noch "I Believe In A Thing Called Love" zu spielen, was Henrik mit einem Kopfschütteln quittierte. Aber da musste er durch!

Doch weil Pelle offenbar keine Lust hatte, den Abend mit dem gleichen Song wie sein letztes Gastspiel in Düsseldorf zu beenden (und das Publikum lautstark nach mehr verlangte), gab's sogar noch einen zweiten Zugabenblock mit den sinnfreien "Hit Song", den Pelle einst auf Verlangen seines Labels geschrieben hatte, und als krönenden Abschluss einen der selten gewordenen Rückgriffe auf die Edson-Zeit. Und es war nicht einer der vielen bekannten "Hits", die Pelle bereits letztes Jahr im Programm hatte, nein, er ließ das von A bis Z großartige Konzert im Pretty Vacant mit "The Luck I Never Had" ausklingen, dem wohl treffendsten Schlusssong, den er hätte auswählen können. Zuvor hatte er sich beim Publikum noch erkundigt, wie er denn "Vielen Dank" steigern könne, ob man einfach "Vielen, vielen, vielen Dank" sagen müsse oder etwas anderes. "Vielen herzlichen Dank" könne er sagen, wurde er von den Zuschauern aufgeklärt. "I'll remember that", meinte Pelle grinsend, bevor ihm Henrik todernst dreinschauend in die Parade fuhr: "Yeah, but for another evening!" Aber ganz ehrlich: Wenn das nicht der beste Abend der Tournee war, der jeden Superlativ - nicht nur beim Dank ans Publikum - rechtfertigt, dann wissen wir's auch nicht!

Tags darauf in Köln präsentierte sich dann ein ganz anderer Pelle. Zunächst allerdings eröffnete das neueste Tapete Records-Signing Men Among Animals aus Dänemark den Abend mit seiner Pop-Psychedelia, die laut Waschzettel des Labels an Beach Boys, Beatles, Os Mutantes oder The Flaming Lips erinnern soll, in Köln aber hier und da von Arcade Fire und Bloc Party inspiriert schien. Danach verwechselten dann die ungehobelten schwedischen Hardpopper The Callahan mit ihrem Westentaschen-Iggy-Pop am Mikro Stereo Wonderland und Müngersdorfer Stadion und zogen routiniert, aber - trotz diverser Animationsversuche - ohne auf große Gegenliebe beim Publikum zu stoßen, ihr Punk-meets-Retrorock-Ding durch. Pelle dagegen gab im Anschluss, ganz anders als 24 Stunden zuvor, den zurückhaltenden Charmeur. Mit "Oh No, It's Happening Again" stand dann auch gleich eine seiner zerbrechlichsten Nummern am Anfang, die in Düsseldorf überhaupt nicht im Programm gewesen war. Die meisten der Songs waren zwar mit denen des Vorabends identisch, wurden aber hörbar anders dargeboten: Der Vortrag kontrollierter, der Sound folkiger, die Ansagen weniger abgedreht. Passend dazu war dann auch - neben dem mit dem gleichen ungläubigen Staunen wie in Düsseldorf vom Publikum aufgenommenen "Rocket Man"-Cover - die Pfandleiher-Ballade "Crying All The Way To The Pawnshop" eines der Highlights. Sehr sympathisch auch Pelles Bemühungen, zuvor die betonungstechnischen Unterschiede zwischen "Pawnshop" und "Pornshop" herauszuarbeiten. Richtig verstanden haben das die meisten Zuschauer wohl erst, als Pelle fragte: "Warum sollte man auf dem Weg zum Pornoladen weinen? Das wäre doch albern!"

Die Tendenz, an diesem Abend vor allem auf ruhigere Klänge zu setzen, machte sich sogar noch bei den Zugaben bemerkbar: Pelle überließ nach dem neuerlichen "Grace Kelly" nämlich dem Publikum die Auswahl zwischen dem Tränenschocker "How I Broke My Foot And Met Jesus" und dem albernen "Hit Song", und auch wenn letztere Nummer das Rennen machte - in Düsseldorf hatte Pelle sein Auditorium erst gar nicht gefragt, ob eine Ballade ebenso genehm sei.

Auch in Köln wollte allerdings danach noch jemand "I Believe In A Thing Called Love" hören, und weil im Stereo Wonderland der "Backstage-Bereich" mit dem winzigen Flur vor den Toiletten identisch ist, war es auch nicht allzu schwer, den Künstler abzufangen und ihn mit diesem Songwunsch zu konfrontieren. Also kamen die zwei Protagonisten noch ein weiteres Mal auf die kleine Bühne zurück, Pelle sagte: "Es fällt mir einfach schwer, Wünsche abzulehnen", Henrik schaute ebenso unglücklich wie im Pretty Vacant drein, und dann gab es wirklich noch einmal den The Darkness-Song zu hören, bevor der Abend mit dem einzigen Edson-Song, "The Luck I Never Had", beschaulich-melancholisch ausklang.

In Köln stand also wieder der "Folk-Pelle" auf der Bühne, den wir von früheren Konzerten kennen und lieben, und auch wenn es ein wirklich feiner Auftritt war - mehr Spaß schien er als "Rock-Pelle" in Düsseldorf gehabt zu haben. Der Beweis? Den "herzlichen Dank" verkniff er sich in Köln...

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Surfempfehlung:
www.pellecarlberg.se
www.myspace.com/pellecarlberg
www.myspace.com/shonig
www.myspace.com/menamonganimals
www.thecallahan.com
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
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