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Konzert-Bericht
 
Vollkommen herzlos?

Cat Power
Appaloosa

Köln, Live Music Hall
04.06.2008

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Cat Power
Etwa ein Jahr nach der Veröffentlichung des Cover-Albums "Jukebox" fand Chan Marshall auch den Weg in unsere Breiten. (Die Stippvisite in Heidelberg im letzten Jahr wollen wir jetzt mal außen vorlassen.) Zwischenzeitlich erschien "My Blueberry Nights", der Wong Kar Wai Film, in dem sie (aufgrund des Regisseurs Faible für ihre Musik) ihr Schauspiel-Debüt absolvierte, landete ihre Scheibe in den Charts (auf Platz 3) und letztlich entdeckte sogar die Bild-Zeitung Chan Marshall als amerikanische Ikone. Insofern war es verwunderlich, dass die Live Music Hall dennoch bestenfalls zu 2/3 gefüllt war. Bis zum Feuilleton-Publikum schien sich die Sache also trotz allem noch nicht herumgesprochen zu haben - obwohl die Publikumsstruktur schon relativ gemischt erschien, deutlich außerhalb der eigentlichen Zielgruppe (junge Frauen) lag und auch viele neue Fans, die Chan erst über die Coverversionen entdeckten, bestand.
Als Einstieg gab es gewohnt Unerwartetes. Das Duo Appaloosa - Chans neuer Lieblings-Act - präsentierte Indie-Synthie-Pop. Das schien zunächst mal nix mit Cat Power zu tun zu haben, offenbarte jedoch deutliche Parallelen zur Indie-Attitütde der Hauptdarstellerin. Immerhin ist Chan Marshall - wie auch erkennbar Anne-Laure und Max Kreidler - eine Autodidaktin in Sachen Gesang, Performance und Instrumentenbeherrschung. Irgendwie hatte die Sache also - trotz offensichtlicher Mängel, die besonders bei dem tontechnisch doch sehr schrägen Gesang Anne Laures lagen (immerhin auf englisch und französisch) - ihren naiven Charme. Vor allen Dingen war die Sache nicht langweilig oder nervig, sondern vergleichsweise kurzweilig und stellenweise poppig.

Was nun Chan Marshall betrifft, so ist zu erkennen, dass sie sich - was ihre Live-Performances betrifft - immer mehr ihrem Idol Bob Dylan annähert. Und zwar in dem Sinne, dass sie gewisse Phasen durchläuft, sich musikalisch des Öfteren weiter aus dem Fenster lehnt, als es eigentlich notwendig wäre, tagesformabhängig unterhaltsam ist und sich bestimmten Grundkonzepten unterwirft. Nun, so lange diese nicht darin bestehen, dass sie mit dem Rücken zum Publikum Keyboards spielt, kann man als Fan gut damit leben. Momentan scheint sie - bildlich gesprochen und stilistisch gesehen - in etwa bei der Rolling Thunder Revue (minus der Gesichtsbemalung) angekommen zu sein. Versteckte sie sich beim Heidelberger Konzert noch am Rande der Bühne in den Schatten, so nahm sie diese bei dieser Tour raumfüllend in Besitz. Dazu - und da sind wir wieder bei Dylan - hat sie sich mittlerweile eine Art persönlicher Choreographie angewöhnt, zu der auch gehört, dass sie die Songs mit großen Gesten illustriert - scheinbar in dem Bedürfnis, dem Publikum die Songs zu erklären. Denn direkt sprechen tut sie nicht mehr mit diesem - was insofern eigenartig erscheint, als dass ihre Shows früher auch schon mal zur Hälfte aus Geplapper bestanden.

Manchmal klappt das auch sehr gut. Als sie die neue Version von "Metal Heart", eines der wenigen eigenen Stücke, die sich in die Setlist geschmuggelt hatten, anstimmte, tat sie das mit dem Hinweis, dass es sich hierbei um ein altes Stück, aus der Zeit, in der sie noch eine kleine Lady gewesen sei, handele. Diese will sie offensichtlich nicht mehr sein: Zum Grescendo am Schluss des Songs (einer der wenigen Möglichkeiten für Drummer Jim White und Gitarrist Judah Bower mal so richtig loszulassen), riss sich Chan das besagte Herz sprichwörtlich aus der Brust und pfefferte es - gleich mehrfach - auf den Boden; gerade so, als wolle sie mit der Vergangenheit so abschließen. Musikalisch war das Thema der Scheibe auch das Thema der Tour: Es gab eine Art Mixtape von Chans Lieblingssongs in den gewohnt eigenständigen Versionen, die sich die Dirty Delta Blues Band mittlerweile so draufgeschafft haben. Das heißt: Im Rahmen des Konzeptes, das sich die Jungs draufgeschafft haben - denn Platz für Abweichungen, Nuancen und Improvisationen ist da immer. Was einerseits dazu führt, dass von einem ausgewogenen, stimmigen Klangbild natürlich keine Rede sein kann, dass so einiges in die Hose geht - anderes aber - gewissermaßen spontan, oft angestoßen von Jim White und manchmal unmotiviert, aber immer unterhaltsam - zu klassischer Rock-Größe aufläuft. Interessant waren dabei nicht nur die Songs des "Jukebox"-Albums (inkl. der Bonus-Tracks), sondern auch die, die eben nicht darauf zu finden sind - "Dark Side Of The Street" etwa oder Chans wagemutige Version von "Fortunate Son". Wobei einige sichere Hits im Prinzip fehlten - so gab es weder "Satisfaction", noch "Naked" und auch nicht "Subtrerranean Homesick Blues", das Chan für den Dylan Soundtrack "I'll Be There" einspielte. Dafür gab es denn - außer "Metal Heart" und natürlich dem "Song For Bobby" noch einige Tracks von "The Greatest" - unter anderem "Lived In Bars" und "The Moon". Letzteres ein gutes Beispiel für Chans Werdegang (und wieder so eine mögliche Dylan-Parallele). Das Stück spielte sie erstmals 2002 bei ihrem Gastauftritt bei der Vernissage von Mark Borthwick in Eindhoven - damals erachtete sie es noch nicht als Wert, auf ihrer kommenden CD "You Are Free" aufgenommen zu werden. Es tauchte schließlich auf "The Greatest" in einer Southern-Swing-Version auf und ist mittlerweile zu einer psychedelischen Blues-Nummer mutiert.

Vor dem letzten Drittel der Show leistete man sich eine kleine Verschnaufpause, bei der Bassist Eric Papparozzi und Keyboarder Gregg Foreman die wohl längstmögliche, psychedelischste Einleitung zu Joni Mitchells "Blue" spielten. Einen der wenigen Cat Power-Momente alter couleur gab es, als Chan - anstelle einer Zugabe - gegen Ende des Konzertes einen gewaltigen Blumenstrauß hervorholte, um die Blümchen im Publikum zu verteilen (was man ja auch nicht so oft hat). Der war so stramm zusammengebunden, dass sich die Blumen nicht lösen ließen, woraufhin sie diesen dann zeternd und lamentierend zu Suppengemüse verarbeitete - so dass die Stengel und Blätter nur so zu Boden rieselten. Im Vergleich zu früher hielt sich das aber doch sehr in Grenzen. Beendet wurde das Konzert mit einer langen Version von "Angelitos Negros" - dieses Mal teilweise mit spanischem Text, den Chan von einem Spickzettel ablas. Wie gesagt, gab es keine Zugabe - dafür verabschiedete sich Chan Marshall aber minutenlang unter zahlreichen Verbeugungen und Dankesbekundungen beim Publikum und verteilte dabei alles, was nicht niet- und nagelfest war und sich noch auf der Bühne befand. Für Musikfreunde, die die Show nur nach musiktechnischen Aspekten beurteilten, mögen sich hier einige Unstimmigkeiten wie der zu laute Bass und die zu verhallte Stimme aufgetan haben, für Cat Power-Fans - insbesondere die, die die Historie kennen - war dies indes ein sehr zuversichtlich stimmendes, versöhnliches und emotionales Erlebnis.

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Surfempfehlung:
www.myspace.com/catpower
www.catpowerthegreatest.com
www.myspace.com/intimate
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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