Im Spiegelzelt ging es dann vergleichsweise konventionell los:
Bear's Den ist ein typisches Mistaken-Identity-Americana Trio. Denn die Jungs kommen aus London. Weitere Besonderheiten sind (neben der Band-Bärte) die Umstände, dass das Trio ohne eigenen, hauptamtlichen Bassisten auskommt (dass der Drummer gelegentlich zum Bass greift, ist hierbei ein eher ungelenkes Unikum) und dass sie vor poppigen Refrains nicht zurück schrecken. Selbst ohne offiziellen Longplayer haben sich die Herren so bereits (auch auf unseren Bühnen - etwa als Support von Daughter) eine ordentliche Fangemeinde erspielt. Die Stimmung im Zelt war demzufolge recht ordentlich - jedenfalls besser als vor der Hauptbühne.
Es folgte der Folk-Chaot Sam Amidon mit seinem einzigartigen, unberechenbaren Programm. Der weitgereiste Ire und Gatte von Beth Orton trat mit einem Drummer auf und zerpflückte mit Banjo, Gitarre und Geige seine sehr speziellen Folklore-Konstrukte mit der gewohnt anarchistischen Energie. Seine Vorliebe und Vergangenheit als begeisterter Free Jazzer kamen dabei ebenso zum Vorschein wie sein sehr skurriler, knochentrockener Humor. Sam Amidon ist schon sehr speziell.
Das sind im Prinzip auch Balthazar aus Belgien - nur auf eine ganz andere Art. Im Festival-Journal "Datt Blatt" hieß es, dass eine Band wie diese nur aus Belgien kommen könne und das stimmt. Das Quintett, das in BeNeLux auch gerne vor riesigen Menschenmassen auftritt, überzeugte im Spiegelzelt mit einer grandiosen, unberechenbaren Mixtur aus allen möglichen Pop-Elementen, die mit unglaublichen Details angereichert wurden, extrem "tight" dargeboten wurden, von geradezu hymnischen Melodiebögen gekrönt wurden (die es in dieser Qualität ansonsten höchstens noch von Get Well Soon geben mag) und als I-Tüpfelchen gab es noch fantastische Harmoniegesänge. Was will man eigentlich mehr? Das war dann mit Sicherheit für viele die Haldern-Entdeckung und musikalische Krönung des Tages.
Die hierauf folgenden Retro-Paisley-Popper Allah-Las aus Los Angeles hatten es im folgenden schwer, das Stimmungslevel aufrecht zu erhalten - obwohl sie mit ihren unterhaltsamen Westcoast-60s Pop-Songs und Trash-Instrumentals die seligen Whiskey A Gogo-Zeiten zumindest punktuell erfolgreich wieder auferstehen ließen. Ein Problem bei diesem Act war aber, dass sich die Herren zu ernst nehmen und zu wenig Interesse am Publikum haben zu scheinen (ergo also eher autistisch vor sich hindaddeln). Dieser Umstand wurde durch das diesjährige Beleuchtungskonzept im Spiegelzelt - das ab diesem Zeitpunkt immer extremer wurde - leider noch unterstützt: Die Acts wurden - wenn überhaupt - von hinten angeleuchtet (in der Mitte sogar gar nicht), während gleichzeitig das Publikum mit allen verfügbaren Mitten geblendet wurde und zusätzlich die Nebelmaschine den Durchblick erschwerte. Nochmal Jungs: Musik wird dadurch besser, dass man die Musiker auch sehen kann!
Auf der Hauptbühne ging es dann recht pflegeleicht weiter. Dass der britische Overnight-Superstar Tom Odell eine sichere Bank sein würde, war ja zu erwarten gewesen. Demzufolge wurde der Mann vom jugendlichen Publikum auch frenetisch gefeiert, Odell hat sich aber auch feine Versatzstücke für seine Mixtur ausgesucht: Piano-Pop à la Elton John (inklusive Bennie & The Jets-Hommagen), ein wenig Glam-Rock mit Bowie-Pathos, eine Prise Indie-Rock-Sensibiltät und die notwendige Leidensfähigkeit im Vortrag, die einen sensiblen, melancholischen Songwriter auszeichnen, sorgten für ein volles Haus und immense Begeisterungsstürme, die bei seinem Hit "Another Love" sozusagen keine Grenzen mehr kannten. Sicher: Das Rolling Stones-Cover "Honky Tonk Woman" machte in diesem Kontext wenig Sinn und dass der schüchterne Mann nur selten ein Mal ins Auditorium blickte, war ein wenig irritierend - insgesamt überzeugte Odell aber mit einer soliden Blockbuster-Show.