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Week-End Fest #3 - 1. Teil

Köln, Stadthalle Mülheim
13.12.2013

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Weekend Fest
Ein Festival für Menschen, die eigentlich keine Festivals mögen - kann es so etwas geben? "Ja!", sagen die beiden Veranstalter des Week-End Fests in Köln und präsentierten nun bereits im dritten Jahr in der Vorweihnachtszeit ein etwas anderes Konzertwochenende, bei dem es tatsächlich um die Musik auf der Bühne und nicht die Party auf dem Campingplatz geht, bei dem Wetter und Sound dem Vergnügen keinen Strich durch die Rechnung machen können und bei dem kein unausgewogenes Nachmittagsprogramm das Warten auf die abendlichen Headliner zur Qual werden lässt. Einmal drei, einmal vier handverlesene, exklusiv an diesem Wochenende auftretende Acts - das war alles, was es brauchte, um aus dem Week-End Fest #3 ein wirklich denkwürdiges Ereignis zu machen, bei dem man immer wieder das Gefühl hatte, nicht nur Musik, sondern wirklich lebendig gewordene/gebliebene Indierock-Historie hautnah erleben zu dürfen. Mit der Stadthalle Mülheim hatten die Macher für ihr DIY-Fest (sogar die Bands haben sie bisweilen selbst vom Flughafen abgeholt...) zudem dieses Jahr eine ideale Location gefunden. Der holzvertäfelte, herrlich altmodische Saal, in dem einst Größen wie die Pixies, Sonic Youth, The Jesus And Mary Chain oder sogar The Cure gastierten, bevor das ungleich hässlichere E-Werk ein paar Straßen weiter der Stadthalle den Rang ablief, sorgte für den perfekten Rahmen für die (größtenteils) alten Helden, die an den beiden Tagen auf der Bühne standen (und sich an beiden Tagen auch zwanglos unters Volk mischten). Passend dazu wurde auch im Foyer auf neumodischen Firlefanz verzichtet: Ein dezenter Stand für die Devotionalien der Musiker und einer für prima selbst gemachtes Essen reichten vollkommen.
Als Conférencier bzw. Pausenclown hatten die Veranstalter den Lionel Richie des Indierock, Dave Doughman von Swearing At Motorists, eingeladen, der besonders am ersten Abend in wildem, deutsch-englischem Kauderwelsch einfach so lange quasselte, bis ihm die Luft ausging. Doch so inhaltsleer seine Ansagen auch waren, so unterhaltsam waren sie oft auch.

Eröffnet wurde das Festival von Grant Hart, der einen wirklich guten Tag erwischt hatte. Zugegeben, zunächst einmal das Saallicht löschen zu lassen und mit einer um den Kopf gebundenen Lampe in einer Mischung aus Roadie 3000 und Grubenarbeiter bei den ersten Songs selbst für die einzige Beleuchtung zu sorgen, verwirrte zunächst einige Zuschauer, aber die Songs aus Harts neuestem Konzeptwerk "The Argument" verlangten eben nach einer besonderen Präsentation. Sobald jedoch das neue Material aus dem Weg geräumt war und das Bühnenlicht anging, wurde es ein schon fast triumphaler Abend für den Wegbereiter des amerikanischen Alternative Rock. Sichtlich genoss er die Begeisterung des Publikums, als er ein Feuerwerk aus Hüsker Dü- und Nova Mob-Nummern abschoss, mit "Admiral Of The Sea" begeisterte, bei "Back From Somewhere" und "She Floated Away" mitriss und mit "Pink Turns To Blue" sogar auf einen Zuruf aus dem Publikum einging. "Wie willst du den Song hören?", fragte er den Zwischenrufer. "Laut!", war die prompte Antwort, also ging Hart zum Verstärker und sorgte für noch mehr Wumms. Der absolute Höhepunkt des Sets (und der erste Gänsehautmoment des Festivals) war allerdings die Nummer, die dem eindringlichen "Remains To Be Seen" folgte: Plötzlich stand mit Robert Forster der Headliner des zweiten Abends samt Akustikgitarre auf der Bühne und sang zusammen mit Hart das von ihm vor fast 20 Jahren so meisterhaft gecoverte "2541"! Auch wenn das Ganze etwas improvisiert klang, hatte vor allem Hart dabei so viel Freude, dass er beinahe kein Ende finden wollte. Erst einmal richtig auf Betriebstemperatur, spielte er anschließend mit "Where You Gonna Land?" und "You're A Soldier" sogar noch zwei echte Raritäten, bevor er sich nach knapp einer Stunde mit dem unkaputtbaren (und auch von den Foo Fighters schon gecoverten) "Never Talking To You Again" verabschiedete. Keine Frage, sein Dank ans Publikum ("Thank you for giving me a lifetime of whatever the fuck I want to do - that's the Americam Dream") kam von Herzen.

Um die Umbaupause zu überbrücken, spielt Dave Doughmann im Foyer ein paar Solosongs auf der Stromgitarre, allerdings erst, als er mit einem ungeduldigen "Anfangen!" aus dem Publikum dazu aufgefordert wurde. Offenbar war der Mann noch so im Moderationsmodus, dass er auch aus seinem musikalischen Set fast einen Monolog gemacht hätte.

Die Youngster Yuck hatten danach - vorsichtig formuliert - einige Probleme, die Zuhörerschaft auf ihre Seite zu bringen. Schließlich bestand das Publikum zu einem Gutteil aus Herren zwischen 40 und 50, die seit Jahrzehnten Spex lesen, außer Musik wenig andere ernstzunehmende Hobbys haben und pro Jahr mehr Konzerte besuchen, als sämtliche Acts des Festivals zusammengenommen bestreiten. Sprich, es bestand aus einer Klientel, die Dinosaur Jr., Pavement, Sonic Youth oder My Bloody Valentine zu besten Zeiten live erlebt hat und dem verwaschenen 90er-Jahre-Indierock-Retro-Sound des britischen Quartetts trotz durchaus vorhandener eingängiger Momente nicht viel abgewinnen konnte. Außerdem fehlte es Yuck ohne ihren im Frühjahr ausgestiegenen Sänger Daniel Blumberg schlicht und ergreifend an Charisma - da half der fernöstliche Charme von Bassistin Mariko Doi ebenso wenig wie der imposante Afro von Drummer Jonny Rogoff. Dass die Band sogar Probleme hatte, ihre eigene, ungeschickterweise mit Kuli geschriebene Setlist zu lesen, war bezeichnend für den ganzen Auftritt: der einzige wirkliche Ausfall des ansonsten so hochkarätig besetzten Wochenendes.

Danach war es an Mouse On Mars' Andi Toma und seinem Laptop, mit einem kurzen DJ-Set auf den Auftritt des Headliners einzustimmen. Mit vielen elektronisch-tanzbaren Sachen holte er das Week-End Fest sogar kurzfristig in die Gegenwart zurück, für die meisten strahlenden Gesichter im Publikum sorgte allerdings ausgerechnet der 60s-Girl-Group-Knaller "He's So Fine" von den Chiffons...

The Fall waren dann genau so wie erhofft: unverwüstlich, eigensinnig, großartig. Der Vorhang wurde für den Auftritt der (Post-)Punk-Legende aus Manchester ebenso beiseitegeräumt wie das Schlagzeugpodest, dass Yuck benutzt hatten. Vor dem nur mit zwei The Fall-Bannern geschmückten nackten Beton der Stadthallenwand agierten die fünf Musiker auf einer Ebene, wenngleich kein Zweifel bestand, dass dennoch nur einer die Befehle gab: der Chef persönlich. Mark E. Smith sieht immer noch aus wie ein Erdkundelehrer aus den 70ern, und wie er mit seinem Jackett so dastand, die eine Hand in der Hosentasche, den Kopf leicht in die Nacken gelegt und geradezu vorwurfsvoll ins Publikum blickend, glaubte man bisweilen, dass er gleich fragt, ob auch alle die Hausaufgaben gemacht haben. Doch das tat er natürlich nicht, stattdessen schlurfte er, das Mikro ständig vor der Nase, beständig über die Bühne und brabbelt seine Texte ins Mikro, und nur seine Gattin Elena Poulou an den Keyboards und eingefleischte Fans konnten erahnen, was zur Hölle er dort sprechsang. Miss Poulou war es übrigens ganz offenbar zu kalt in Deutschland: Nicht nur, dass sie mit Wintermantel und Schal auf die Bühne kam, auf ihrem Korg-Keybord prangte auch noch ein deutschsprachiger Aufkleber: "Elektrisch beheizt"!

Doch das war natürlich noch gar nichts im Vergleich zu den spleenigen Ideen ihres Ehemanns. Einmal drehte sich Smith zum Schlagzeuger um und bedeutete ihm, dass der Song augenblicklich aufzuhören habe, doch während ihm sein Drummer aufs Wort gehorchte, schrammelten Gitarre, Bass und Keyboard noch munter weiter, bis die Nummer endgültig ihrem unwiederbringlichen Ende entgegentrudelte. Ein anderes Mal legte er kurzerhand sein Mikro auf die Hi-Hat seines Drummers, was ohrenbetäubenden Lärm heraufbeschwor, und dann traute er sich sogar, mitten im Solo des Gitarristen zu dessen Verstärker zu tigern, um sämtliche Einstellungen durcheinanderzubringen. Außerdem stand - hinter den Verstärkern! - ein Stuhl, auf dem es sich Smith immer mal wieder während der Songs gemütlich machte, um halb verdeckt weiterzusingen, als sei nichts geschehen... Hört sich fürchterlich an? War es aber überhaupt nicht, denn The Fall gelang es an diesem Abend immer wieder, gleichzeitig wie ein Sack Schrauben und wie die beste Band der Welt zu klingen. Neben vielen Songs aus dem Spätwerk der seit über 35 Jahren aktiven Band, unter denen sich das ausgewalzte "I'm Not From Bury" als besonderes Highlight empfahl, gab es "Psykick Dance Hall" als besonderes Schmankerl und sogar noch zwei Coverversionen: Kurz nach Beginn schon ein wüstes "Strychnine" von den Sonics und als letzte Zugabe das im Moshpit euphorisch gefeierte "White Lighting" von The Big Bopper. Als nach 75 Minuten das Licht anging, war das Konzert früher zu Ende, als es den meisten lieb war. Aber man soll bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist.

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Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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