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Konzert-Bericht
 
Le Mepris

Alexandra Savior
Ben Barritt

Berlin, Quasimodo
28.04.2017

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Alexandra Savior
Ein wenig seltsam war das dann doch schon: Nachdem "Belladonna Of Sadness", das Debüt-Album von Alexandra Savior, nach einer langen Wartezeit nun endlich erschienen war, folgte nicht etwa eine echte Tour auf dem Fuß, sondern eine lockere Serie von europäischen Showcases, auf der Alexandra das Live-Programm der Scheibe (mit dem sie in den USA schon länger aktiv ist und das sie letztes Jahr auf dem Reeperbahn Festival bereits vorstellte) offiziell präsentierte. Nur ein Konzert in Berlin fand dabei in Deutschland statt. Der Folge davon war dann, dass das kleine Quasimodo aufgrund des Interesses der großteils von weit her angereisten Fans aus allen Nähten platzte.
Die Show begann erst um 22:30 (weil im darüber liegenden Theater zuvor passenderweise tatsächlich der "Glöckner von Notre Dame" gegeben wurde) mit einem Auftritt des jungen Briten Ben Barritt und seiner Band. Der in Berlin lebende Londoner präsentierte mit seiner multinationalen Band ein Set mit komplex konstruierten, technisch anspruchsvollen, souligen Jazz-Pop-Songs, die mit funky Grooves, Improvisationspassagen und sorgsam gestaffelten, dreisätzigen Harmoniegesängen im Stil etwa der Dooby Brothers oder CSN angereichert waren. Angesichts dessen, dass Ben sein Auskommen als Profi- und Session-Musiker bestreitet, war das dann nicht ganz überraschend. In der Tat waren es vornehmlich die handwerklichen Fertigkeiten der Musiker, die diesen Fusion-Mix dann auch durchaus ansprechend und unterhaltsam gerieten ließen. Dennoch war der Zuspruch seitens des Publikums eher überschaubar - denn musikalisch passte das so gar nicht zu dem, was dann folgen sollte.
Alexandra spielte in Berlin mit ihrer Band und einer neuen Keyboard-Playerin (die im letzten Jahr noch nicht an Bord war), die sie zuweilen gesanglich unterstützte. Das Programm bestand logischerweise aus den Tracks des Albums, die im Vergleich zu den Studio-Aufnahmen etwas reduzierter, jedoch weitestgehend im selben Format gespielt wurden - mit einer besonderen Betonung auf den Basslinien, weil das ein Fetisch Alexandras ist. Regelrechte Live-Versionen gab es nur ausnahmsweise - wie z.B. im Falle der angedeuteten Jam-Session beim abschließenden "Mystery Girl". Das lag freilich nicht an den Musikern, sondern am Konzept. Denn bei Alexandra Savior geht es bei den Live-Shows um etwas anderes als der Demonstration virtuoser Fähigkeiten. Dazu muss man vielleicht wissen, dass Alexandra eigentlich zunächst Theaterschauspielerin hatte werden wollen, bevor sie sich dann dazu entschloss, ihren musikalischen Neigungen nachzugehen. Außerdem arbeitet sie als Malerin, Designerin und Regisseurin. Das heißt also, dass Alexandra Savior als Gesamtkunstwerk am besten funktioniert und demzufolge auch die Aspekte ihres sonstigen Tuns in die Live-Performances einfließen. Besonders gilt dieses für die schauspielerischen Aspekte. Es sei zum Beispiel auch mal ganz schön, sich vorstellen zu können, dass etwa ein Engel über der Bühne schwebe, um die dramatischen Qualitäten ihrer eigentümlichen Charaktere und Geschichten darbieten zu können, hatte Alexandra mal gesagt. Dabei blieb es dann freilich nicht.

Agierte Alexandra auf der Bühne zunächst eher zurückhaltend und introvertiert, so schien sie im Laufe der letzten Monate Gefallen daran gefunden zu haben, den verschiedenen Facetten ihrer Schöpfungen Ausdruck zu verleihen. Wesentlich gelöster als zum Beispiel bei ihrer Show im letzten Jahr auf dem Reeperbahn Festival hauchte sie den verschiedenen Persönlichkeiten, die ihre Songs bevölkern, eine performerische Seele ein. Anna Marie Mirage, Audeline oder Girlie wurden da auf der Bühne auf nahezu beängstigend vielseitige Weise lebendig. Verführerin, Hexe, Luder, Räuberbraut, Lolita und immer wieder auch gerne Alice im Wunderland und Jeanne D'Arc wurden da auf dramatisch-verspielte Art von Alexandra verkörpert - stets versehen mit einer guten Portion Spott, Wut, Rache, und Verachtung (= Mépris im Godardschen Sinne, denn die Show wurde mit einem eingespielten Chanson eröffnet) und jeder Menge Augenrollen. Unterstützt wurde das Ganze von ausholenden Gesten und süffisanten Grimassen und einem maliziösen Grinsen - und im entscheidenden Augenblick gerne auch mal von emotionalen Ausbrüchen. Bei "MTME" verfiel die Gute zum Beispiel mit weit aufgerissenen Augen stellenweise in heiseres Brüllen und bei "Vanishing Point" in hysterisches Kieksen. Wen genau man da vor sich hatte, war dabei gar nicht so wichtig - nur dass es Alexandra Savior selbst war, war eher unwahrscheinlich. Dass sie dabei jede Gelegenheit wahrnahm, sich scheinbar verloren mit dem Rücken zum Publikum vor sich hin zu wiegen, hatte auch seinen Grund: Denn im Grunde leidet Alexandra Savior an einer speziellen Art des Lampenfiebers, der aus ihrer komplizierten psychologischen Gemengelage herrührt, die letztlich dazu führte, dass das ganze Album (und natürlich auch die Live-Shows) zu einer einzigen Abrechnung mit den Dämonen und Geistern, die sie quälen wurde.

Inzwischen hat sich das ganze allerdings etwas gelegt (denn Musik ist ja immer noch die beste Therapie), so dass Alexandra Savior die Sache heute sogar ziemlich zu genießen scheint. So freute sie sich darüber, erstmalig in Berlin zu spielen, lobte das Clubmanagement und feuerte das Publikum an, ihr auch ordentlich zu applaudieren. "Macht weiter", meinte sie z.B., "Gebt's mir, gebt's mir!" Inwieweit man das alles nun ernst nehmen möchte, sollte besser jeder selbst für sich entscheiden. Immens unterhaltsam, hinreichend verrückt und musikalisch kurzweilig ist das allemal. Und dass Alexandra irgendwo auch den Nerv der Zeit getroffen zu haben scheint, war durch das gut gemischte Publikum zu erkennen, in dem sich Musikfans aus allen Schichten vermengt hatten.

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Surfempfehlung:
alexandrasavior.com
www.facebook.com/AlexandraSavior
www.facebook.com/benbarrittmusic
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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