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Konzert-Bericht
 
Ein glänzendes Panoptikum

The Tubes
Jackpot

Köln, Prime Club
25.11.2002

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The Tubes
Rusty Miller, der flachsige Frontmann von Jackpot, bezeichnet sich selbst halb scherzhaft als "nicht übermäßig gebildet". Insofern verwundert es denn auch nicht, dass die Musik von Jackpot denn auch nicht übermäßig clever sein will. Gerade dieses Understatement aber macht den Reiz von Rusty's Songs aus. Wo andere mit Samples, Verstärkerbatterien und Effektpedalen herumhantieren, gibt es bei Jackpot nur den wahren McCoy. Gitarre, Bass, Gesang - das ist es schon, was es braucht, um glücklich zu sein. Sicher, Jackpot's aktuelles Album, "Shiny Things", wies einigen produktionstechnischen Firlefanz auf - das aber nur deshalb, weil das Budget zur Verfügung stand und das langwierige Hick-Hack mit der Plattenfirma noch eine zusätzliche Session mit Chuck Prophet ermöglichte. Live wird das alles wieder über Bord geworfen und statt dessen kommen verstärkt die Americana-Anleihen zum Tragen, die z.B. den Vorgänger, "Weightless" zu einem charmanten Hybriden aus Landluft und Gitarrenmuskeln gemacht hat. Das gerät nicht unbedingt zum Nachteil, denn so bekommen die neuen Songs einen Push in eine andere Richtung und passen sich nahtlos ins sonstige Oeuvre ein.
"When You Leave" z.B. wird nicht akustisch solo dargeboten, sondern mit der ganzen Band, die das Stück angenehm verschleppt und eine schöne Alt-Country Ballade daraus macht. Bei diesem Track lässt sich Rusty, dessen lakonisch-lamentöser Gesang ansonsten für sich steht, vom Drummer gesanglich unterstützen. "Psycho-Ballerina" kommt ganz ohne Disco-Feeling aus sondern gerät zu einer schmirgelnden Rock-Nummer. Und dann gibt es ja noch die - gewiß nicht schlechten - alten Tracks wie z.B. "Cartwheels" von "Weightless", die dann ganz unprätentiös eingestreut werden. Das ist alles nicht spektakulär, aber da zumindest Rusty Miller - mit tiefsitzender Baseball-Kappe und ironischen Stadiengesten stets das Zentrum des Geschehens - Spaß am Vortrag hat, überträgt sich dieser angenehme Wellness-Faktor auch leicht auf den Zuhörer. Wenn die Band dann mal ins Extrem verfällt und Rusty ein wildes, schräges Solo spielt, dann aber nur zum Spaß. Wie meinte der Mann: "Wenn ich eines von meiner Zeit als Gitarrist bei Cake gelernt habe, dann ist es, dass du das Publikum unterhalten musst." Und das tat Rusty dann auch.
Wer nun allerdings auf die Idee gekommen war, den eher bodenständigen Rusty und seine Band mit den Weirdmastern des amerikanischen Spaßrock, den Tubes zu kombinieren, der tat damit eigentlich beiden keinen Gefallen, denn die Schnittmenge zwischen dem, was beide jeweiligen Publikumsteile gemeinsam akzeptierten, war dann doch eher klein. Auf der (nicht gerade aktuellen) Website der Tubes erklärt Fee Waybill, dass es nunmehr doch schon 30 Jahre her ist, seit er dem normalen Leben den Rücken kehrte und sich dem Rock-Biz verschrieb. Insofern überraschte es auch nicht wirklich, dass die hartnäckigen Tubes-Fans (bei denen die Ableitung übrigens "Fanatic" noch was zählt) alle so um die 40 zu sein scheinen. Das Credo der Tubes, "I Was A Punk Before You Were A Punk" wurde bei dieser Show umgedeutet, indem "Punk" durch "Clown" ersetzt wurde. Die alten Recken - allen voran Sänger Fee und sein alter Sidekick Roger Steen - kamen, gemäß dem Motto "Freakshow", in mehr oder minder fantasievollen Kostümen auf die Bühne, und dann ging's los. Die Show bestand jeweils aus holterdipolternden Kirmes- und Zirkus-Instrumentals (während derer sich Fay für die jeweils nächste Nummer umzog) und den dann folgenden Themen-Songs. Es war an keiner Stelle die Frage, ob die Tubes, etwa ein neues Album herausgebracht hatten. (Nachdem sich sowieso auf jeder Veröffentlichung "White Punks On Dope" oder anderes bekanntes Liedgut in verschiedenen Zusammenstellungen befindet, spielte das nun wirklich keine Rolle), sondern welche Gags sich der Meister dieses mal hatte einfallen lassen. Waybill begann mit einer musikalischen Ansage im Kostüm eines Conferenciers, mit Weißclown-Bemalung und Strohhut - und stellte damit eine faszinierende Parallele des Treibens mit alten Vaudeville und Music-Hall Zeiten her. So ähnlich (wenn auch leiser und mit anderen Mitteln) muss es damals auch zugegangen sein auf dem Unterhaltungs-Sektor. Im Prinzip aber - und das darf man bei aller Heldenverehrung nicht außer Acht lassen - kopieren sich die Tubes stets immer wieder am erfolgreichsten selbst. Insofern wird zwar perfekte, aber auch ziemlich offensichtliche und vorhersehbare Unterhaltung geboten. Z.B. konstruierte Waybill in "Proud To Be An American" - immerhin von der zweiten Tubes-Scheibe, "Young & Rich" von '76 - mittels populären Bush-Bashings einen aktuellen Bezug zum Irak-Getümmel (bevor er sich mit einem Revolver, den er dem Publikum vorher noch zur Selbstverteidigung angedient hatte, selber erschoß). Dazu spielten Steen und seine Kollegen hochkomplexe Schluckaufmusik, wie man sie von den Jungs eigentlich auch gewohnt ist. "Klingt ja wie Zappa", meinte ein anwesender Musikwissenschaftler. Oder wie Oingo Boingo. Oder aber eben wie die Tubes. Man darf nicht vergessen, dass selbige ja diese Art von Musik miterfunden haben. Nicht dass das irgendjemand störte. Nicht dass irgendjemanden irgendetwas störte: Die Fans wollten militant unterhalten werden und das um jeden Preis. Und so hüpfte Waybill dann von einem Kostüm ins nächste und gab den Leuten, was sie wollten - von "Mondo Bondage" bis zum Punk eben. Das ganze wurde dann also dem Motto des Abends, "5 Star Freak Show", mehr als gerecht und zeigte, dass die Tubes noch nicht tot sind und auch nach all den Jahren immer noch mehr Energie besitzen, als manche aktuelle Cross-Over-CD. Lediglich den Part, den vor Urzeiten einmal Re Styles inne hatte, vermisste man irgendwie. So verrucht wie sie konnte halt niemand "Don't Touch Me There" schmachten.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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