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Konzert-Bericht
 
Große Kunst im kleinen Kreis

Mark Olson And The Creekdippers Feat. Victoria Williams

Dortmund, Subrosa/ Bonn, Harmonie
03.03.2003/ 08.04.2003

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The Creekdippers
Längst nicht allen Besuchern, die sich an diesem Rosenmontag in Dortmunds Hafenschänke No. 1, dem winzigen Subrosa, eingefunden hatten, war klar, was sie an diesem Abend erwarten würde. Manche waren einfach nur auf der Flucht vor dem karnevalistischen Treiben, andere hatten gehört, dass Herr Olson und Co. für gewöhnlich nicht in Kneipen mit einer Kapazität um die 100 auftreten, und waren so neugierig geworden. Und selbst diejenigen, die Mark Olson als früheren Songschreiber und Sänger der großartigen Jayhawks kennen und lieben und wissen, dass seine Gattin Victoria Williams allerspätestens seit dem 1993er Tribute-Album "Sweet Relief" - auf dem nicht ganz unbekannte Künstler wie Lou Reed, Pearl Jam, Evan Dando, Giant Sand, Maria McKee oder eben The Jayhawks ihre Songs coverten - auch in Europa weit mehr ist als ein Kultstar, dürften von diesem Auftritt mehr als angenehm überrascht gewesen sein.
Nachdem Mark (er spielte an diesem Abend Keyboards ebenso wie Akustikgitarre, Bass und Dulcimer), Vic (E-Gitarre und Mundharmonika) und ihre zwei Begleiter, Schlagzeuger Ray Woods und Mike "Razz" Russell an Mandoline, Geige und Bass, die Bühne des Subrosa verlassen hatten, sah man allenthalben jedenfalls nur glückliche Gesichter, und so mancher erreichte sogar den Status der Glückseligkeit, weil Mark und Vic nicht nur ihre häufig in Deutschland schwer zu findenden Alben zum Verkauf feilboten, sondern auch bereitwillig alles signierten, was im Subrosa nicht fest im Boden verankert war. Dabei hatten die Creekdippers für ihre Show den steinigen Weg gewählt und darauf verzichtet, Stücke der Jayhawks oder aus Victorias Soloprogramm zu spielen. Ausnahmen wie "Water To Drink", das Vic allerdings erst auf ausdrückliche "Anordnung" ihres Ehemanns (Mark: "Du solltest das wirklich spielen, schließlich waren wir ja noch nie vorher in Dortmund!" - Victoria: "Och Mensch, immer sagst du, ich soll meine ALTEN Sachen spielen!") zu Gehör brachte, bestätigten die Regel. Ansonsten gab es viele, viele oft unterschätzte Creekdippers-Songs aus allen fünf Alben. Die Auswahl des Quartetts war sogar so groß, dass sie beim Soundcheck am Nachmittag Stücke spielten, die am Abend gar nicht im Set auftauchten, und das, obwohl die Creekdippers rund zweieinhalb Stunden auf der Bühne standen. Kollege Ullrich Maurer hat in seinem Interview mit Mark unlängst bereits lobend erwähnt, dass selbst das größtenteils im Studio entstandene letzte Album den gleichen willkommenen heimeligen Touch wie die Creekdippers-Frühwerke hat, und auch "live in concert" waren der Band aus der kalifornischen Wüste Humor und Spontaneität weitaus wichtiger als musikalische Perfektion und das Abhaken einer Setlist. Die gab es nämlich nicht, dafür viele amüsante Diskussionen zwischen den Songs, was denn nun als nächstes gespielt werden sollte.
Und obwohl der stimmliche Kontrast - Vic mit häufig geradezu kindlichem Charme als schwer zu erklärende Mischung aus Tweety Bird und Janis Joplin, Mark als abgeklärter Bandleader in großartiger Van-Morrison-Manier - nicht krasser hätte ausfallen können, war der gesamte Auftritt von einer friedlichen Harmonie beseelt, die trotzdem nie in Langeweile umzuschlagen drohte. Und das nicht nur, weil es einfach köstlich war mit anzuhören, wie sich Vic vom Publikum das Wort "Rrrrosenmonntack" beibringen ließ. Natürlich sind die Creekdippers nicht die einzige Band, deren Herangehensweise sich mit "take it as it comes" beschreiben lässt, wenn aber die Lässigkeit auf so großes musikalisches Talent trifft wie bei den vier Amerikanern, macht es natürlich gleich doppelt Spaß!

...und einen Monat später in Bonn...

"Als Teenager bin ich dauernd zu Rock Shows gegangen", erinnert sich Victoria Williams - nicht wirklich wehmütig - vor dem Konzert, "die Erleuchtung kam dann bei einem Ted Nugent Konzert. Das war so laut, dass ich Kopfschmerzen bekam. Ich bin dann rausgelaufen und habe mir gedacht: 'Was tust du eigentlich hier, Du magst diese Musik doch gar nicht'. Und das war dann der Zeitpunkt, an dem ich begonnen habe, mich mit Country Musik zu beschäftigen." "Gut für dich!" fügt Mark Olson schmunzelnd hinzu. Nein, sehr laut ist das, was der ehemalige Jayhawks-Mann und seine Gattin heutzutage so machen nun wirklich nicht. Das, was Vic und Mark mit ihren jeweiligen Musikanten live so bieten, könnte z.B. lautstärkemäßig auch in jedem Wohnzimmer stattfinden - ohne dass sich die Nachbarn gestört fühlten. "Manchmal nehmen wir auch einfach eine Stehlampe mit auf die Bühne - das gibt dann gleich eine heimelige Note", erklärt Victoria die Philosophie. Dabei hat das Ganze noch einen anderen Grund: Aufgrund ihrer Krankheit (sie leidet an Multipler Sklerose) kann Victoria die Hitze, die von normalen Bühnscheinwerfern ausgeht, nicht gut vertragen. Überhaupt ist es erstaunlich, dass Victoria die lange Tour überhaupt auf sich genommen hat. "Ich habe nur ein Konzert nicht gespielt", erzählt sie nicht ohne Stolz, "aber es ist so, dass mir die Musik so viel gibt, dass ich das einfach nicht missen möchte. Ich fühle mich dann auch gleich besser. Momentan geht es mir auch ziemlich gut. Auf jeden Fall möchte ich spielen, so lange ich dazu in der Lage bin." Letztlich wirkte Victoria an diesem Abend so gut gelaunt, frohgemut, mitteilungsbedürftig und hyperaktiv wie schon lange nicht mehr. Es zeigt sich also: Musik ist doch die beste Medizin.

In der Harmonie spielten Vic und Mark mit ihrem jungen Schlagzeuger Ray 'Wenn du irgendwo eine Pizza Hawaii siehst, denk immer dran, dass Ray vermutlich auch gerade eine isst' Woods, der auf der Tour seinen 22. Geburtstag feierte und das wahrlich formal nicht immer korrekte musikalische Freistil-Ringen seiner Chefs durch Vielseitigkeit (Triangel!) und Disziplin zusammenhielt. Ray schien auch der ernsthafteste Musiker auf der Bühne zu sein - jedenfalls verzog er kaum eine Miene. Dazu gesellte sich der italienische Geiger Michele, der mit einem mütterlichen Lächeln auf den Lippen und mit viel Witz, Herzenswärme und Pizzicato besonders Vics Eskapaden ("Ist das denn jetzt die richtige Tonart? Ach egal...") musikalisch kommentierte. Mark Olson erwies sich - wie stets - als kompetenter Orchesterleiter und spielte Gitarre, Dulcimer, Bass und Piano. Auch Vic setzte sich für zwei Tracks an dieses Instrument - daneben übernahm sie die Lead-Gitarre, Harmonika, Kalimba und ein knackiges Banjo. Für zwei weitere Stücke wurde dann noch die belgische Merchandise-Verwalterin Inneke 23 (kein Witz, sondern ein Künstlername) von der Band De Bossen an den Bass gebeten. Also: Orchestral ging's zu. Und insofern wunderte es dann auch nicht so recht, dass insbesondere die Stücke von Vics reichhaltig arrangierten Solo-Scheiben gut ankamen - wie z.B. "Love" und "You R Loved" von "Loose", "Water To Drink" von der gleichnamigen CD, "Rainmaker" von "Musings" oder auch "Tarbelly & Featherfoot" (auf "Sweet Relief" immerhin von Lou Reed dargeboten) von "Swing The Statue". Das war schon alleine deswegen schön, weil Vics Scheiben hierzulande kaum zu bekommen sind - und man ja nicht weiß, wie oft man sie noch zu sehen bekommen wird. Natürlich kann man Vics Vortrag nicht mit allgemein gültigen Maßstäben messen. "Die kann ja gar nicht singen" oder "Die spielt ja gar nicht richtig." hörte man z.B. seitens aus nicht nachvollziehbaren Gründen Anwesenden. Die hatten natürlich nicht verstanden, dass man Victorias Kieksen, Glucksen, und - sagen wir mal impulsives Phrasieren überhaupt nicht verstehen kann. Entweder man goutiert's oder eben nicht. Es hilft übrigens, wenn man sich Vic dabei als Jazz Sängerin vorstellt. Denn lässt man mal ihre eigenartig hohe Stimmlage beiseite, bleiben eigentlich erstaunlich oft Scat und Improvisation übrig - zugegeben auf einem relativ naiven Niveau - (das aber im Picasso'schen Sinne). Gerade um dieses Nicht-Konforme, nicht Vorgeplante, nicht Festgelegte geht es aber Victoria und Mark. Irgendwie, so scheint es, hat sich der organische, relaxte Lebensstil des Paares endgültig auf die Musik übertragen: Mark und Victoria leben zusammen mit drei Hunden, zwei Eseln (die Victoria extrem anschaulich nachmachen kann) und vielen Instrumenten auf ihrer kleinen Farm in der Wüste - die billigste Art, in den USA zu leben, wie Mark erzählte. Auch die Live-Versionen von dessen Songs haben demnach nicht viel mit den tontechnisch Dokumentierten zu tun. Bestes Beispiel: "Say You're Mine" vom letzten Album. Das wurde beim Soundcheck mit Banjo gespielt und beim Live Set als groovende Rock-Shuffle. Übrigens war diese Olson/Louris Kollaboration das Jayhawks-naheste Stück dieses Abends. Mark spielte konsequent nur Creekdipper Songs. Nicht, weil er mit den Jayhawks endültig gebrochen hat, sondern "weil die Jayhawks faktisch eine Rock Band waren", wie er vorher meinte. Und Rock gab's ja - wie erwähnt - keinen richtigen. Wer indes Musik mag, die sich eher organisch in die Eingeweide bohrt, der wird bei den Creekdippers bestens bedient.

Ein Großteil der Faszination ergibt sich dabei aus der Tatsache, dass die Musiker selbst nicht wissen, was sie als nächstes machen werden. Sei es, dass Zurufe aus dem Publikum begeistert aufgegriffen werden - "Hummingbird", z.B. oder "Ice On The Window" oder dass Stücke einfach so aus dem Bauch heraus "nachempfunden" werden. "Linda Lee" oder "My Own Joe Ellen" von der gleichnamigen Scheibe gerieten z.B. fast zu Boogie-Nummern. Eigentlich geht es aber bei den Creekdippers nie um Stile oder Genres, sondern immer nur um das Ausleben des Moments. Und darum, dass - so Mark - "die Musik uns so viel gibt, dass man auch anstrengende Touren wie diese verkraften kann und möchte." "Ich hasse es aber spielen zu müssen, wenn man erschöpft ist, weil man dann den Leuten nicht alles geben kann", schränkte Victoria noch ein. Bei diesem Konzert indes war wohl kaum jemand der Meinung, dass die Creekdippers etwa nicht alles gegeben hätten. Und was für Freunde der strikten Tanzmusik vielleicht unverständlich und angesichts der technisch/handwerklichen Nachlässigkeiten geradezu provokativ erscheinen mag: Für Creekdippers-Maßstäbe war dies eine perfekte Show. Für alle, die auf dieser Tour nicht dabei sein konnten, besteht Hoffnung: Mark deutete bereits an, dass er vorhabe, nach den nächsten Scheiben wieder zurückkommen zu wollen und Victoria will unbedingt mal auf den Kölner Dom...

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Surfempfehlung:
www.creekdippers.com
www.creekdipping.com
Text: -Carsten Wohlfeld (DO) / Ullrich Maurer (BN)-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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