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Konzert-Bericht
 
Cool Hand Wayne and the bleeding robots from outer space

The Flaming Lips
Brendan Benson

Köln, Kantine
11.03.2003

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The Flaming Lips
Der kleine Teletubby schaute sich gehetzt um. Mehrere 2 Meter große Hasen, ein Affe, ein Huhn, ein Elefant, diverse gestreifte Raubkatzen, ein bass-spielendes Zebra und vier aufblasbare Roboter namens Rupert waren ihm auf den Fersen. Nur mit Mühe konnte das zitternde kleine Kerlchen einem überdimensionalen Luftballon ausweichen. Schließlich geriet es in eine Gruppe blutspuckender japanischer Schulmädchen, die auf dem Boden zusammensackten. Paul Newman grinste wissend im Hintergrund. Doch da nahte Rettung in der Not. Gekleidet in demselben Anzug, den er bereits beim Gaesteliste.de-Interview mit Herrn Wohlfeld getragen haben musste und mit einer Nebelkanone bewaffnet trat Wayne Coyne aus einem Regen von Konfetti hervor, warf achtlos eine Nonne zur Seite, mit der er eben noch Oral-Sex auf der Großbildleinwand simuliert hatte, richtete sein Stroboskop-Halsband ins Publikum und sang durch ein Megaphon "Lightning Strikes The Postman". Man ahnt es schon: Flaming Lips-Konzerte sind ein wenig anders als alles, was man diesbezüglich ansonsten so geboten bekommt. Es ist sicher ganz richtig, dass die Lips - mal abgesehen von ihrem Zufalls-Hit "She Don't Use Jelly" - nie so richtigen Megaseller-Status erreicht haben. Wer indes mal das begeisterte Publikum bei einer Flaming Lips-Show gesehen hat, der stellt sich nicht mehr die Frage, wieso die Band nicht von ihrem Major Label gefeuert werden (wie wohl jeder andere Acts, wenn er es etwa wagte, Musik wie die von Wayne Coyne und seinen Kumpels abzuliefern). Ein besseres Aushängeschild für musikalische Integrität, künstlerische Kompetenz und entertainmentmäßige Visionen kann man sich einfach nicht wünschen.
Und dabei fing alles doch so harmlos an: Blassblaues Licht von zwei Videoprojektoren tauchte die überladene Bühne in ein kränkelndes Licht. "Hallo, wir sind Brendan Benson und die Wellfed Boys" hallte es dann plötzlich aus dem Zwielicht und eine optisch extrem unscheinbare Combo stürzte sich mit unbändiger Energie in eine wahre Tour De Force aus Power-Pop und Rock. Wer die beiden CDs von Brendan Benson kennt, wird sich vielleicht ein wenig gewundert haben über den unbedingten Willen zum Durchmarsch. Denn ruhige oder getragene Momente, wie sie auf beiden Werken des sensiblen Songwriters auch zu finden sind, gab es nicht. Das hat einen ganz einfachen Grund: "Bei dieser Band geht es um Rock", hatte uns Brendan vor dem Konzert verraten, "ich glaube, die haben in ihrem Leben noch keine Ballade gespielt." In der Tat: "Pleasure Seeker", "Folk Singer" oder "Tiny Spark" - praktisch jede Up-Tempo Nummer des neuen Albums "Lapalco" wurde gespielt. Und wie! Wenn man bösartig wäre, dann könnte man noch darauf hinweisen, dass die Jungs aus Detroit kommen und so eine virtuellen Bezug zu den Stooges oder aber den White Stripes herstellen (mit denen Brendan gut befreundet ist). Da wir aber seriös sind, wollen wir das unterlassen, denn außer einem gleichgearteten Energielevel gibt es eigentlich keine Gemeinsamkeiten zu o.a. Acts. Der interessanteste Moment der Show kam übrigens zustande, als Brendan das Stück "Metarie" anstimmte. Kurz zur Erinnerung: Diesen Track gibt es bereits in vier Versionen, weil Brendan immer wieder aufgefordert wurde daran herumzulaborieren (wohl weil der Song einen ungewöhnlichen Aufbau hat). Bei dieser Show stellte Brendan dann gar eine fünfte Version vor, die nun plötzlich einen vollkommen neuen Refrain vorzuweisen hatte. Musik lebt eben, wenn sie gut gemacht ist! Fazit: Brendan empfahl sich bei dieser Show nachdrücklich für seine anstehende Headliner Tour, ließ aber auch - durch Körpersprache und Gehabe - durchblicken, wie wenig angenehm ihm die Sache als Support Act war. Immerhin: Das Publikum sah das wohl anders und nahm Brendans Songs nach dem ersten Warmspielen begeistert an.
Auch Wayne Coyne ließ es sich dann nicht nehmen, Brendan und seine Jungs mehrmals lobend zu erwähnen. Die Bühne musste zum Lips-Konzert dann radikal umgebaut werden. Zum einen, um Platz für die ganzen Utensilien zu schaffen, die Wayne und seine Jungs einzusetzen gedachten und zum anderen, weil die ganze Band (inkl. Schlagzeug) sich am vordersten Bühnenrand postierte. Das hatte dann zur Folge, dass es einen bei Konzerten dieser Größenordung ungewöhnlichen freiwilligen Sicherheitsabstand des Publikums zur Bühne gab. Der war indes auch notwendig, denn was dann folgte, ist kaum in Worte zu fassen. Es begann damit, dass überdimensionale Luftballons ins Publikum geworfen wurden, und kumulierte darin, dass Wayne mit blutüberströmtem Gesicht den "Tangerine"-Song ("She Don't Use Jelly") darbot - dazwischen gab es nichts, was nicht physikalisch unmöglich gewesen wäre. Während die Band damit beschäftigt war, mit ihren begrenzten technischen Fähigkeiten - aber jeder Menge Enthusiasmus, soundtechnischen Tüfteleien und extrem flüssig integrierten Samples und Videos (!) - den musikalischen Nährboden zu bereiten, ließ Wayne alle Hemmungen fahren und traktierte mit großen Gesten das Publikum mit Konfetti, Trockeneisnebel und allen möglichen grell blendenden Leuchtquellen. Dazu spielte er dann auf einer mit allerlei Gadgets ergänzten 10-saitigen (!) Gitarre und sang mit bemerkenswert heiserer Stimme alle Lips-Hits - oft nach entsprechender Vorbereitung willig unterstützt vom Publikum. Am besten kamen natürlich die alten und neuen Hymnen an: Neben "She Don't Use Jelly" vor allen Dingen "Yoshimi", von der neuen Scheibe "Yoshimi Battles The Pink Robots" und "Do You Realize", das "She Don't Use Jelly" durchaus demnächst den Rang als Mitgröl-Favorit ablaufen könnte. "Das ging mir echt nahe", meinte Wayne zwischen zwei Stücken, "und da sagt man immer, Rock-Fans seien zu zynisch, um mitzusingen... Wirklich Leute, die Energie kommt nicht von der Bühne, sondern von euch!" Ein schöneres Kompliment kann man seinem Publikum ja wohl nicht machen. Natürlich wurden vorwiegend die neuen Tracks gespielt - sowie einige ältere, wie "Sleeping On The Roof" oder "Spoonful Weighs A Ton" (zu dem Drummer Steven absolut synchron zu seinem eigenen Video Playback aus dem Studio spielte, das HINTER SEINEM RÜCKEN auf die Leinwand projiziert wurde). Aber egal wie gut oder schlecht diese oder jene Version der Tracks auch gewesen sein mochten: Musik war an diesem Abend nur ein Teil des Ganzen. Was Wayne und seine Jungs - sowie etliche Roadies und Freiwillige aus dem Publikum, die in Tierkostümen die Bühne bevölkerten - da an Entertainment auf die Menschen niederprasseln ließen, war schon atemberaubend. Neben den absolut perfekten, weil genial ausgewählten und synchronisierten Video-Clips, die durch Live-Feeds einer am Gesangsmikro befestigten Kamera ergänzt wurden, waren das vor allen Dingen Waynes Einlagen mit den Eingangs erwähnten Gadgets und natürlich die liebevolle Choreographie, mit der alles inszeniert wurde. Mit dieser neuen Show entthronen die Lips nun endgültig die Eels als originellste Live-Band - zumindest, was das Showmanship betrifft. (Übrigens lief vor dem Konzert bezeichnenderweise auf Wunsch der Band die Eels CD "Beautiful Freak"!) Das Schönste an der ganzen Sache war eigentlich, dass die Show - wie auch die Musik der Lips - so richtig keinen rechten Sinn machte. Außer dem Unterhaltungsfaktor brauchte man also nach keiner Bedeutung zu suchen. Gerade das aber machte die Sache so kurzweilig und überraschend. Ach ja: Der kleine Teletubby hat überlebt, und das Blut war auch lediglich rote Farbe, die sich Wayne ins Gesicht kippte. Und: Wer nach dieser Show nicht zum fanatischen Lips-Fan wurde, ist vermutlich bereits verstorben.

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Surfempfehlung:
www.flaminglips.com
www.brendan-benson.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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