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Jägermeisterzeit

Orange Blossom Special 7 - 2. Teil

Beverungen, Glitterhouse-Villa
08.06.2003

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Orange Blossom Special 7
Der finale Tag des wichtigsten Musikfestivals von Beverungen begann mit einem herrlich idyllischen Sommermorgen, der einen weiteren wettertechnisch gelungen Festivaltag anzukündigen schien. Selbstredend rekrutierten sich die bereits frühzeitig aufgestandenen Besucher wieder aus dem elitären, hartgesottenen Kern der Musikfreunde, für die 13 Uhr tatsächlich bereits Mittag und nicht mitten in der Nacht ist. Terry Lee Hale gehört - wie Reinhard es treffend formulierte - zum Urgestein des Glitterhouse Rosters. Und so durfte der wackere Mann mit schnieker Kurzhaarfrisur und windschnittiger Sonnenbrille - aber ohne wesentlich überraschendes Programm - die letzte Runde einläuten.
Obwohl sich "Old Hand Hale" redlich Mühe gab, seinen akustisch vorgetragenen Songs das notwendige Seelenleben einzuhauchen, darf doch angemerkt werden, dass es Sonntag morgens am gleichen Ort schon mitreißendere (oder auch nähergehende) Acts gegeben hat. Nun ja: Richtig schlecht war's nicht. Für viele eine Überraschung war sicherlich Norwegens Elfenkönigin Maria Solheim. Zumindest für Rembert: "Och, die könnte aber auch als Praktikantin durchgehen", meinte er anerkennend, als die vergleichsweise winzige Maria ihr Equipment aufbaute. Doch körperliche Größe muss ja nicht unbedingt etwas mit Musik zu tun haben. Und so unterhielt sich Maria denn auf naiv-sympathisch-linke Art mit dem Publikum, und präsentierte - erstmals mit kompletter Band inklusive neuem Keyboarder - ein bemerkenswert vielseitiges und abwechslungsreiches Set, das vom süßen Pop-Song über poppigen Alternative-Sound bis hin zum alternativen Folk-Pop ein bemerkenswert rundes und schlüssiges Bild der kleinen Chanteuse zeichnete. Ein neues Stück gab's obendrein: "Es heißt 'Mr. Iceman', was ja gut zum Wetter passt", scherzelte sie. Ihre sympathisch-linkische Art, zu der kurzweilige Einleitungsstories ebenso gehören wie artige Knickse und Verbeugungen zum Dank ans Publikum gefielen offensichtlich. Jedenfalls musste Maria mehr Autogramme schreiben als alle anderen Acts zusammen. Noch eine Anmerkung sei gestattet: Wenn Chris Eckman anwesend ist, sieht Marias Bassist, "the handsome Tor" übrigens gar nicht mehr so sehr wie dessen unehelicher Sohn aus. "Das ist aber ein schönes Festival", freute sich Maria nachher. Und als sie dann hörte, dass auch noch Midnight Choir und The White Birch hier aufspielten, kam sie aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Maria hatte übrigens ein neues Tattoo auf der Innenseite ihres linken Handgelenkes: Ein Spruch, der besagt "He is my song and my joy". Wer das ist, das werden aufmerksame Gaesteliste.de-Leser ja wissen...

Apropos Gaesteliste.de: Wir präsentierten ja u.a. die Tour der wackeren Greyhound Soul - und dieses Festival war für uns die einzige Gelegenheit, wo man auf die Herren treffen konnte. Was beinahe schade war, denn Joe Pena hatte Probleme mit seiner Stimme und konnte nur ein sehr verkürztes Set durchhalten. "Beinahe schade" deswegen, weil dieses mit zu den Höhepunkten des Sonntags gehörte. In einem Umfeld gleichartiger Bands wären Greyhound Soul vielleicht ein wenig untergegangen, aber so - zwischen Poppigem und Psychedelischem eingegliedert, war ihre Version des Wüstenrocks ein absoluter Volltreffer. Wenn man nur flüchtig hinschaute, glaubte man zunächst Giant Sand vor sich zu haben: Wie Howe Gelb saß Joe mit einer Baseball-Kappe und einer dicken Sonnenbrille mürrisch vor sich hinmurmelnd auf einem Stuhl und Gitarrist Jason sah aus den Augenwinkeln aus wie John Convertino. Nach einigen Akkorden war dann aber klar, dass Greyhound Soul sehr viel bodenständiger und griffiger agieren, als der metaphysische Meister des Seltsamen. Im Prinzip war das, was Greyhound Soul da machten, gar nichts Besonderes, aber in diesem Zusammenhang, an diesem Ort genau das Richtige. Das Zusammenspiel aus akustischer und elektrischer Slidegitarre, Joes (an diesem Tag besonders) rauher Gesang und die gnadenlos polternde Rhythmussektion klappte hervorragend und schnell hatte die Band das Publikum im Griff. Und als dann das lokomotivenartig dahershuffelnde "G-Gone" angestimmt wurde, kam der Rock'n'Roll-Freund endlich voll und ganz auf seine Kosten. Live kam die Melange aus verzerrten Gitarren und wohldosiertem Songwriting noch einen Kick lebhafter rüber als auf den eh schon recht gut marschierenden Tonträgern. Greyhound Soul waren dann auch die einzige Band, der es gelang, eine Zugabe herauszuspielen. Fazit: Ein sehr gelungener Auftritt.

Im Prinzip galt das auch für den der lange schon bei uns überfälligen Knife In The Water - der vielleicht atypischsten Austin-Band seit langem - aber: Warum nur musste Reinhard ausgerechnet an dieser Stelle den Witz machen, dass er "45 Minuten Regen zur Abkühlung" bestellt habe? Denn noch während die nach einem Polanski Film benannte Band um Songwriter Aaron Blount und Sängerin Laura Krause (deren beeindruckendes blaues Auge ja nicht von einer Schlägerei, sondern einem grotesken "Arbeitsunfall" des zuweilen doch übertrieben tollpatschigen John Parker zu verdanken war) ihr feinsinniges und von streckenweise beeindruckendem Harmoniegesang untermaltes - und stark von den Plattenversionen abweichendes - Liedgut intonieren, schleuderte Zeus seine zuweilen vertikal verlaufenden Blitze ins Weserbergland, fegte die Vorräte der nebenan gelegenen Baufirma weg und entlud den Jahres-Regenwasserbedarf des indischen Subkontinents ausgerechnet über der Hausnummer 25. Zum Glück waren KITW mit ihrem Set fast fertig, als es so richtig losschepperte. Und zum Glück gelang es dem Wassermannteam der Glitterhouse Crew dann auch größere Flurschäden zu verhindern und vor allen Dingen die Elektrik auf der Bühne wasserdicht zu vertäuen. Zwar dauerte die Regenunterbrechung dann doch recht lange - dafür war man dann aber auch wieder im Zeitplan. Es folgte dann mit dem Bambi Molesters der lebende Beweis dafür, dass die Kroaten surfen können wie der Teufel - jedenfalls musikalisch. Die von Chris Eckman produzierte Band (auf dessen Heiratsfeier diese auch von den Glitterhäuslern "entdeckt" wurden) gilt in Musikerkreisen als beste Surf Band weit und breit. Und in der Tat, was die Jungs (und die diese auf atemberaubende Weise irrelevant erscheinen lassende Bassistin Lada) da hinlegten, und ab und an mit einem knappen "Ssenk ju Piepel" abschlossen, das hätte so manche Tsunami ins Wanken gebracht! Ein Problem der Band - dass es nämlich einfach eine Instrumental Combo ist - wurde bei dieser Show geschickt umgangen. Chris Eckman hatte mit der Band ein paar Vokal-Nummern eingeübt und trug diese - angetan mit der coolsten Sonnenbrille seit "Men In Black II" vor. Das war dann lustige Musik, wie man sie durchaus goutieren konnte! Und beim surfen wird man ja für gewöhnlich eh nass...

Chris Eckman durfte dann gleich noch einmal solo ran. Momentan arbeitet er gerade an einem neuen Solo-Album, während andererseits die Walkabouts-Best-Of CD so gut wie fertig ist. (Es wird eine Tour zu dieser CD geben, während ein neues Walkabouts-Album für das kommende Frühjahr angedacht ist). Bei seinem kurzen Set spielte Chris dann eine gediegene Mischung aus eigenem Solo-Material, Chris & Carla-, Walkabouts- und Kylie Minogue Songs (wie er darauf gekommen war, wird wohl ein Geheimnis bleiben müssen). Hinter der Bühne ging Terry Lee Hale, der bei den Bambi Molesters ein kurzes Pfeif-Gastspiel eingelegt hatte, seiner liebsten Beschäftigung nach: Er stellte sich Kollegen vor. In dem Fall Chuck Prophet.

Terry: "He Chuck, ich höre deine neue Scheibe dauernd an, sie ist ganz toll"

Chuck: "Oh, cool, ich finde dein Material auch ganz toll, hast du nicht das und das gemacht?"

Terry: "Ich? Nein. Da verwechselst du mich, glaube ich."

Chuck: "Ich denke nicht."

Terry: "Doch!"

Chuck: "Dann entschuldige bitte, ich bin wohl verwirrt."

Vielleicht ist es ja diesem Umstand zuzuschreiben, dass Chuck Prophets Auftritt zu einem waschechten Eklat auf der OBS-Bühne führte. Wie alle Bands hatte auch Chuck - dessen durchgeposter Gitarren-Rock mit Blues, Soul und Pop-Schnörkeln übrigens zu recht mit großer Begeisterung aufgenommen wurde - ein zeitliches Limit gesetzt bekommen. Nun versuchte er sich mit allerlei fadenscheinigen Gags ("Mein Englisch ist nicht so gut") zusätzliche Spielzeit zu erschleichen und widmete den letzten Song dann gar "Allen Bands die jemals überzogen haben, so dass ich nicht mein volles Set spielen konnte." Dies entrüstete nun John Parker und Rembert dermaßen, dass sie gar nicht mehr mitbekamen, wie Chuck hinzufügte "Was aber auf diesem Festival nicht passiert ist." Nun ja: Das war dann aber auch schon die einzige unschöne Anekdote des ganzen Wochenendes. Bleibt noch zu sagen, dass Chucks Band ziemlich tight spielte - der hektische Drummer sogar obertight (er schmiss den Monitor runter) und Stephanie Finchs Gesangseinlagen zu den Höhepunkten der Show zählten.

Die dann folgende Band - Norwegens White Birch - waren dann der Prüfstein, an dem sich alles schied: Für die Flanellhemd Fraktion waren die sensiblen Musikanten um Ola "Super-Locke" Flottum eine weitere langweilige (weil eben nicht laut rockende) Trauerkapelle, für alle anderen aber die Offenbarung des Festivals schlechthin. The White Birch werden ja häufiger auch Norwegens Sigur Ros genannt - obwohl (wie Rembert es formulierte) diese weniger "überkandidelt" sind als die mundfaulen und längst nicht so sympathischen Isländer. "Das ist aber ein schönes Festival", meinte White Birch Bassist und Geiger Ulf wie vorher auch seine Landsfrau Maria Solheim, "in Norwegen könnte man so etwas gar nicht machen, weil man die verschiedenen Zielgruppen alle auf verschiedenen Festivals zusammensuchen müsste." Das sollte doch mal als gediegenes Lob für die Vielseitigkeit des OBS herhalten dürfen! The White Birch warteten mit einem Set auf, das mit seiner faszinierenden inneren Ruhe und dem bemerkenswert stringenten Flow eher an einen Soundtrack erinnerte denn an eine Aneinanderreihung einzelner Tracks. The White Birch schafften dabei etwas ganz Einzigartiges: Mittels Stücken, die nicht mehr als zwei Akkorde aufwiesen, ganze Sound-Universen zu erschaffen. Besonderes Tüpfelchen auf dem "i" waren hierbei die Beiträge der niedlichen neuen Keyboarderin und Sängerin Linda, die man - so Ulf - "für die Tour noch schnell angelernt hatte" und deren Gesangseinlagen und perlenden Keyboard-Partien das Soundspektrum formvollendet nach allen Seiten abrundete. Ach ja: Im Gegensatz zu Sigur Ros können The White Birch auch ordentlich Gas geben und tierische Grooves hinlegen. Und wer es genau wissen möchte: Ulf schaute sich das Bespielen des Basses mit Geigenbogen und E-Bow nicht von Sigur Ros, sondern von Led Zeppelin ab, mit deren Musik er aufgewachsen war. Er war es übrigens auch, der das Motto dieser Story kreierte: "Jetzt ist ja wieder Jägermeisterzeit, nicht?" fragte er auf Deutsch vor dem letzten Track ins Auditorium, "dann ist es ja jetzt Zeit, ein Gute-Nacht Lied zu spielen..."

Letztlich, so darf man ohne Übertreibung sagen, war dieses OBS das bislang reichhaltigste und abwechslungsreichste. Es gab hier für wirklich jeden etwas und niemand kann ernsthaft behaupten, dass etwas vollkommen Unausstehliches dabeigewesen sei. Wollen wir mal hoffen, dass sich dieses beeindruckende Qualitäts-Level auch langfristig halten lassen wird.

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Surfempfehlung:
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
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