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Heldenzeit, Düsseldorf style.

Wir sind Helden
Franz Ferdinand

Düsseldorf, Philipshalle
11.03.2004

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Wir sind Helden
Hat sich eigentlich mal jemand überlegt, welche historischen Implikationen das nahelegt, wenn man ausgerechnet eine Band namens Franz Ferdinand mit einer namens Wir Sind Helden kombiniert? Offensichtlich nicht. Schon gar nicht die Beteiligten selber – denn die hatten wahrlich andere Sorgen. Das Großereignis in der ausverkauften (!) Düsseldorfer Philipshalle war ja auch weniger eine Geschichtsstunde, als eine in der Geschichte gemacht wurde: Hier wurde eindrucksvoll demonstriert, dass Musik auch abseits der ganz großen Maschinerie noch funktionieren kann. Obwohl einer der Echos den die Helden eine Woche zuvor abgeräumt hatten, der für's "beste Marketingkonzept" war, der dann an Labels Germany ging, kann doch nicht genug betont werden, dass die Helden eben OHNE den Major im Rücken (EMI) dort hingekommen sind, wo sie am 11.03.04 waren. Die Helden – und das gilt auch für Franz Ferdinand aus Schottland – kommen von unten und gehören nach wie vor zum Volk. Und das war an diesem Tag fast vollzählig in der Philipshalle versammelt.
Franz Ferdinand hatten dann mit ihren deutschen Ansagen und der ungestümen Art, mit der sie dem Publikum die Hits ihres ausgezeichneten, selbstbetitlten Debüt-Albums um die Ohren hauten, leichtes Spiel. Bereits beim zweiten Stück tanzte die Philipshalle. Endlich mal ein Anheizer, der diesen Namen auch verdiente. Obwohl die älteren im Publikum sich angesichts der merkwürdigen Popper-Frisuren der Jungs in Erinnerung an die seligen 80er wissend angrinsend, war das, was die Schotten da so trieben, für die vorwiegend jungen Helden-Fans doch irgendwie neu: Eine britische Band nämlich, die Rock-Musik zum tanzen vorführte. Was Sinn macht, denn inhaltlich geht es in den Songs nur um eines: "On The Achse" zu sein, wie Sänger Alexander Kapranos erklärte. Mit strammer Gangart und militärischen Aufmunterungsgesten schossen FF ihre handgemachten, hektischen und auf sympathische Art unsteten und schrammeligen Beats unters Volk. Den Jungs machte das dabei mindestens genauso viel Spaß wie dem Publikum, bei dem sie sich immer wieder artig bedankten (unter anderem, indem eine Zeile des Disco-Punk-Knallers "Love & Destroy" ins Düsseldorfische verlegt wurde). Da sich FF und die Helden offensichtlich auch gut verstehen (FF hatten Judith & Co. eine Flasche Sekt mitgebracht), dürften FF bei dieser Show sicher viele neue Fans gewonnen haben. Franz Ferdinand sind also mal ein Hype, der auch hält, was die Medien versprechen.
Als dann das Licht ausging und die Helden im Dunklen und zu "Caravan Of Love" die Bühne betraten, konnten sie es selber wohl kaum glauben, dass die Philipshalle bis auf den letzten Platz gefüllt war. Jedenfalls war das Grinsen der Helden so breit, dass ein Pfannkuchen quer reingepasst hätte. Und so geriet das Konzert – wie fast nicht anders zu erwarten – zu einer reinen Helden-Feierstunde. Es kommt ja hin und wieder vor, dass bei Konzerten das Publikum mal mitsingt und tanzt. Aber selten beim dritten Stück ("Denkmal") und selten die ganze Halle, wie hier. Da stellte sich dann schon der berühmte Gänsehautfaktor ein. Soundmäßig gab's zwar den gewohnten Philipshallen-Brei: Schrille Spitzen, greifbare Bässe aber keinerlei Mitten, dazu Probleme mit den Vocals – besonders im vorderen Bereich. Aber es war ja nicht so, dass hier fremde Menschen aufeinandertrafen. "Vielleicht können die Älteren den Jüngeren ja mal helfen", meinte Judith, als sie den Twist zu "Aurelie" erklärte, dass dann zunächst mal als Doo-Wop Nummer angesungen wurde. Überhaupt musste lobend festgehalten werden, dass die Helden keineswegs das Programm einfach herunterspulten, sondern sich immer wieder kleine Überraschungen ausgedacht hatten. Sei es die "Ghost Rider"-Einleitung zu "Guten Tag", sei es Judiths total überdrehtes 2-Ton-Solo bei "Monster" oder die Mundharmonika bei "Aurelie". Hier waren offensichtlich keine ausgebufften Profis am Werk, sondern Musikanten, die Spaß an ihrem Tun haben. Hinzu kam, dass die Band seit ihrer letzten Tour erstaunlich an Druck zugelegt hatte: Hin und wieder wurde richtig gerockt – so z.B. bei "Du erkennst mich nicht wieder" oder "Heldenzeit". Aber auch andere Stücke wurden variiert: So geriet "Wunder" – im Tempo deutlich zurückgenommen - schlicht zur verträumten Ballade und bei "Rüssel" kam der Herrenchor erst zum Schluss – dann aber mit Schmackes (was nicht unbedingt gut war, aber eben neu). Heldenmusik lebt, kann man da nur sagen. Und das war es dann, was die Sache auszeichnete. Denn so funktionierte die Show als Gesamtkunstwerk, obwohl man sie, was z.B. den Sound und die technische Umsetzung des Dargebotenen betraf, mühelos hätte auseinandernehmen können. Natürlich durften auch die Cover-Versionen nicht fehlen: "Halt dich an deiner Liebe fest" sei deswegen so wichtig, sagte Judith, weil sie neulich in einer Wissenschaftssendung im Fernsehen gelernt habe, dass es für den Menschen wichtiger sei zu lieben, als geliebt zu werden. Und zu "51st State" lieh man sich Baseball-Camps aus dem Publikum, um den amerikanischen Imperialismus zu visualisieren (obwohl das eher nach Berlin-Mitte Imperialismus aussah, wie Judith richtig bemerkte). Abschließend waren sogar noch zwei Fehler in der Show versteckt, wie es in der Ansage hieß, denn die Helden hatten zwei neue Stücke mitgebracht. Es stellt sich zwar die Frage, wann sie diese geschrieben haben mochten, aber egal: Das eine, "Wenn es passiert", war direkt für das Publikum geschrieben worden, wie Judith erklärte. Und auch wenn später niemand wisse, worum es in dem Stück ginge: Die 7.500 Leute vor Ort wüssten dann schon Bescheid. "Jetzt machen wir die Augen ganz weit auf, damit wir auch wirklich hier gewesen sind", sagte Judith gegen Ende des Konzertes, während die anderen sich gegenseitig vor dem Publikum fotografierten. Und irgendwie hatte dieser Abend dann auch etwas Unwirkliches.

Kleiner Einschub von Carsten Wohlfeld:

Franz Ferdinand, Frankfurt, Cafe Royal, 10.03.2004

Als sie im letzten November im Rahmen des Labelabends von Domino im Kölner Stadtgarten gastierten, herrschte dort gähnende Leere, weil niemand wusste, wer denn diese vier Schotten mit dem verrückten deutschen Namen eigentlich waren. Fünf Monate, zwei UK-Chartsspitzenplatzierungen und einen waschechten britischen Hype weiter sind Franz Ferdinand auf dem Retro-Sound-Olymp angekommen und haben nun einen prall gefüllten Terminkalender, der kaum mehr Zeit für eine ordentliche Tournee durch deutsche Lande bietet. Am Vorabend ihres Auftritts im Vorprogramm von Wir sind Helden gab es in Frankfurt den vorerst einzigen Headline-Auftritt des Quartetts, der nahe legte, dass es vielleicht nicht nur an unseren Berliner Lieblingen gelegen hat, dass sogar der Helden-Auftritt in der riesigen Phillipshalle ausverkauft war.

Denn anstatt, wie ursprünglich angedacht, im Kellerclub Nachtleben spielten Franz Ferdinand nun nämlich vor vermutlich dreimal so vielen Menschen im auch schon wieder drangvollen Cafe Royal, einem alten Kinosaal mit meterhohen Wänden und einer stilechten Leinwand, die die vier mit diversen Videoprojektionen und altmodischen Postkartendias auch optimal für sich zu nutzen wussten. Trotzdem wurde man im Laufe ihres kurzen Auftritts den Eindruck nicht los, dass das Cafe Royal paradoxerweise gleichzeitig zu klein und zu groß für die Schotten war. Die intime Atmosphäre des Nachtlebens hätte sicherlich dafür gesorgt, dass der Funke ganz anders übergesprungen wäre, so aber war es für die Band nur eine weitere Großveranstaltung - allerdings vor weniger Publikum, als die erfolgsverwöhnten vier das inzwischen aus der Heimat kennen. Lustig wurde es nämlich vor allem dann, wenn ein Hauch von Kommunikation aufkam. Als zum Beispiel ein - männlicher - Zuschauer die Band in einer ruhigen Sekunde mit einem unüberhörbaren Zwischenruf wissen ließ: "I wanna have your children..." Ansonsten spulten Franz Ferdinand ihr Programm streckenweise etwas monoton und seelenlos ab, wenngleich an Songs wie "Tell Me Tonight", "Auf Achse" und den allseits bekannten Single-Hits natürlich dennoch nichts auszusetzen war. Für die letzte Zugabe hatten sie sich erwartungsgemäß "Darts Of Pleasure" aufgehoben und dabei - ebenso natürlich - die Pause vor dem finalen Mitgröhl-Outro genüsslich mit der Bandvorstellung und einer Mitklatsch-Orgie in die Länge gezogen, bevor dann nach dem obligatorischen "Ich heiße superfantastisch, ich trinke Schampus mit Lachsfisch"-Singalong doch irgendwie alle glücklich nach Hause entlassen wurden. Kein schlechtes Konzert, aber von der Rock N Roll-Offenbarung, die man von einer Band erwarten sollte, die zeitgleich die Titelblätter aller wichtigen deutschen Musikmagazine von Intro über Spex bis zum Rolling Stone ziert, waren Franz Ferdinand an diesem Abend doch ein gutes Stück entfernt.



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Surfempfehlung:
www.wirsindhelden.com
www.heldenverehrung.com
helden.hyperboy.de
www.franzferdinand.co.uk
www.dominorecordco.com/artist.php?artist=171
www.helden-zeit.de
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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