So spielte Will dann stattdessen - hochkonzentriert und stets mit geschlossenen Augen (sicherlich auch wegen des noch nicht verklungenen Jetlags) - lieber "Partysongs von der Frau, die die Universität niederfackelte und dann in die Flammen rannte" oder von "Radioactive Overflows". Wie gesagt: Das passte in seiner überlegten Sachlichkeit und spröden Würde alles ganz hervorragend zu dem, was dann noch kommen sollte. Und gegen Ende ließ sich Will sogar zu einem angedeuteten Lächeln unter der tief ins Gesicht gezogenen Baseball-Kappe hinreißen und bedankte sich ganz artig bei dem Publikum, weil dieses doch so süß geworden sei.
Bevor es dann mit der "Wartemusik" losging, krabbelten Graham Langley und Kieran O'Riordan erst mal unauffällig auf die Bühne, um die Instrumente zu stimmen. Dann ging's - nach einer weiteren Pause - richtig los. Oder auch nicht. Denn Savoy Grand eröffneten die Show mit "Took", dem Opener der neuen Scheibe "People And What They Want". Laut Graham geht es bei diesem Track um "um den Raum zwischen den Gitarrenfiguren und den Parts mit Gesang" und somit ist dieser so etwas wie eine Fingerübung in Sachen Zeit und Raum, die eher durch den Text zusammengehalten wird, als etwa durch die erwähnten Gitarrenornamente, auf denen der Song im Prinzip basiert. Zu kompliziert? Ist es aber eigentlich gar nicht, denn es entfaltet sich mit der Zeit eine hypnotische Wirkung, die allerdings ein wenig Geduld voraussetzt. Nicht nur beim Zuhörer, sondern auch bei den Musikanten: Drei der fünf standen nämlich zunächst mal herum und drehten Däumchen, während Langley sich in das Stück hineinbohrte. Graham war dann vom aufbrandenden Applaus sichtlich beeindruckt. "Wow" meinte er anerkennend, "und ich meine das so - Hamburg habe ich nicht 'gewowt'." Ansonsten gaben sich Savoy Grand größtmögliche Mühe, ein wenig Abwechslung ins zeitlupenartig dahinschleichende Geschehen zu bringen. Mit Keyboards, Melodica, Glockenspiel, E-Bow (neu!) und Trompete wurden zaghafte Klangfarbtupfer gesetzt bzw. atmosphärische Grundflächen gefliest, auf denen Langley dann dahinmanövrierte. Auch wenn zuweilen heutzutage tatsächlich mal ein dritter Akkord den Weg in's Tun findet und auch wenn Langleys Rat, doch wieder Ohrstöpsel für die gelegentlich dahinbrechenden Soundexplosionen mitzubringen, sicherlich kein Witz gewesen war: Spröde ist es immer noch, was Savoy Grand fabrizieren. Das liegt natürlich an der Struktur der Stücke, wie auch an Langleys Weigerung des persönlichen musikalischen Geschmacks wegen Verzerrer oder Effektgeräte einzusetzen.
Dass das Heil unter anderem auch bei reichhaltiger arrangierten oder anders positionierten Stücken liegen kann, war zum Beispiel daran zu erkennen, dass gleich alle Titel von der eher experimentellen und abwechslungsreichen EP "Lost Horizon" gegeben wurden oder im konventionellen Sinne "richtige Stücke" wie "Millions Of People" in den Vordergrund gestellt wurden. Die folkige Note einiger Tracks von "People" wurde indes komplett ausgeklammert. Es war dies also ein typischen Savoy Grand-Konzert - ohne erkennbare Vorwärtsbewegung, aber dank Dynamik und komplexe Arrangements eben auch nicht ohne Spannungen. Und zum Ende hin steigerten sich Langley und seine Wortkargen Mannen gar in eine Art Jam-Session hinein, die dann vor dem Zugabenblock mit einem regelrechten Crescendo endete. Noch eine interessante Randnote: Langley selbst sagte, dass ihm die letzte CD, "Burn The Furniture", im Rückblick selber zu heavy sei. Ergo wurde diese im offiziellen Teil tatsächlich komplett ausgespart. Mit diesem Konzert zeigte die Band aus Nottingham wieder mal, dass sie sich zwar auf einer ganz eigenen Parallelweltschiene bewegen, sich aber dennoch kontinuierlich weiter entwickeln und nicht ohne Grund mit als momentan konsequenteste und typischste Vertreter des Slowcore gehandelt werden.