Los ging es am Donnerstagabend in der heimeligen Hasenschaukel - sonst auch immer ein Ort, an dem viele Singer-Songwriter auftreten, passte es natürlich, dass hier mit Mirel Wagner aus Finnland entsprechend ins Festival gestartet wird. Dieser Start war natürlich eher "schwer", denn Mirel (es war übrigens ihr erster Auftritt in Deutschland) hat "schwere" Themen im Programm. Alleine, nur mit ihrer Akustik-Gitarre, singt sie vom Verlassenwerden, vom Verlust sowieso, vom Alleinesein, von der Enttäuschung. Das Leben in Finnland muss hart sein.
Wir bleiben in Norden (Dänemark diesmal), aber in einem anderen Club: Fallulah unterhält das Publikum in der Prinzenbar. Das ist natürlich das komplette Kontrastprogramm zu Mirel Wagner - hier wird der Pop zelebriert, Fallulahs Schultern zucken im Beat, sie tanzt und trägt manchmal auch etwas zu dick auf - die Mitmach-Aufforderungen im Stadion-Format sind für die Prinzenbar eindeutig zu viel. Das Publikum geht zwar mit, aber Euphorie geht anders. Egal, Fallulahs Definition von Pop mit teilweiser Balkan-Pop-Einlage geht in Ordnung, auch ihr Yeah Yeah Yeahs-Cover "Gold Lion".
Die Filiale der Haspa Bank auf der Reeperbahn darf auch dieses Jahr wieder bespielt werden - wo sonst die Geldscheine den Besitzer wechseln, wird diesmal in Getränke investiert und vorne im Foyer auf der Bühne treiben Misteur Valaire aus Kanada ihr Unwesen. Das geht einiges Durcheinander, was die Musik angeht - von Rock bis Pop über HipHop bis Electro-Clash. Alles dabei, was für beste Stimmung in der Bank sorgt. Inklusive Tanz-Einlagen, inklusive Blasinstrumente. Party in der Bank!
Am Freitag begrüßen uns Findus im Docks mit ihrem Pop-Punk und mit Sänger Lüam, der die seltsamsten Bühnenbewegungen seit The Drums an den Tag legt. Das kommt alles nicht so recht an beim noch recht luftig gefüllten Club, da wird sich eher dem Bier als der Musik gewidmet. Ganz im Gegensatz zum folgenden Auftritt der Get Up Kids - das Docks füllt sich, alles freut sich auf die Schnoddrigkeit, die Melodien, den Rock. Und das alles bekommen die Leute auch. Schnell steigt die Stimmung, vielerorts wird mitgesungen. Passt!
Rüber ins Café Keese - die Polin und jetzige Berlinerin Julia Marcell lädt ein zur Artpop-Reise mit elektronischen Beats, mit Gitarre, mit Keyboard und Effektgeräten, aber auch mit Geige. Das alles passt wunderbar zusammen, denn hinter all diesen Effekten steckt auch immer noch eine tolle Melodie. Julia selbst bedient diesmal selbst das Keyboard und die Effektgeräte, trägt einen fluoreszierenden Nagellack, besitzt die beste Zahnlücke seit Vanessa Paradis und es macht einfach Spaß, mit ihr und mit der Musik mitzugehen.
Im pickepackevollem Grünen Jäger spielen derweil The War On Drugs bei ungefähr 50 Grad Celsius. Willkommen, Erkältung! Egal, die Herren aus Philadelphia präsentieren auf engstem Raum ihre Indie-Psychedelic-Show, gepaart mit staubtrockenen Americana. Sänger und Gitarrist Adam Granduciel fand zudem auch noch die Zeit, mit dem Publikum über Dirk Nowitzki zu reden. Sympathische Truppe!
Im Uebel & Gefährlich ist naturgemäß mehr Platz, aber auch der war beim Auftritt der Jezabels schon recht knapp geworden, denn viele Menschen wollten sich den Indie-Pop mit der großen Geste der Australier live ansehen - und überzeugen lassen. Sängerin Hayley Mary nimmt mit ihrer ausdrucksstarken Stimme viel Platz ein, man merkt, dass die Band ein wenig Drama in ihrer Musik bevorzugt. Kann man auf jeden Fall machen!
Im Knust wurde es mit EMA hingegen wieder etwas schrammeliger - und man war sich nicht unbedingt sicher, ob es einfach die späte Stunde war oder ob da etwas im Spiel war bei Sängerin Erika M. Anderson. Manche Leute sind von Natur aus etwas weggetreten, manchen helfen nach. Wie auch immer - EMA präsentierte ihren Noise-Psychedelic-Rock mit perfekter Pose, einem Cover-Song (Violent Femmes "Add It Up") und ließ das Publikum berauscht in das Nachtleben hinaus.
Am Samstag hatte man die Gelegenheit, die wundervollen Dear Reader gleich zwei Mal live zu erleben - am Nachmittag spielten sie in der Innenstadt bei Michelle Records und abends dann im Grünspan. Cherilyn MacNeil muss man einfach gern haben - die Stimme, die Songs, und auch die teilweise deutschen Ansagen (sie lebt inzwischen in Berlin) hinterlassen einen äußerst sympathischen Eindruck. Auch wenn es in den Songs teilweise recht düster zugeht, sie ziehen nicht runter.