Es ist an dieser Stelle ja schon mehrfach erwähnt worden: Chuck Prophet-Konzerte hängen stark von der jeweiligen Tagesform des galanten Protagonisten und 30-jährigen Karriereveteranen (darauf wies er selber hin) selbst ab. Ist er gut drauf, gibt es grandiose Momente mit Kult-Charakter, ist er es nicht, kann es zu ebenso grandiosen Desastern führen. Drücken wir es mal so aus: So gut, wie an diesem Abend war der Meister schon lange nicht mehr drauf.
"Es ist gut, zusammen mit dem Eckermeister wieder in Köln zu sein", begrüßte er das Publikum (der besagte Eckermeister ist Chucks langjähriger Soundtechniker und Full-Service-Tourpartner, der zufällig auch aus Köln stammt). Zusammen mit der aktuellen Besetzung seiner Band Mission Express, zu der neben seiner Partnerin Stephanie Finch dieses Mal ein slowenischer Gitarrist gehörte, dem Chuck fast noch lieber zuhört als sich selbst, wie er zwischendrin erwähnte, brannte an diesem Abend ein beeindruckend allumfassendes Feuerwerk seines Oeuvres ab, das weit über die übliche Präsentation des aktuellen Albums "Night Surfer" hinausging. Auf diesem präsentierte sich Prophet ja zum Beispiel eher als Old-School-Pop-King - mit ausgeliehenen Stones-Riffs, entführten Soul-Grooves, emulierten Beatles-Harmonien und weggelaufenen Beach Boys-Arrangements. Von diesem Ansatz blieb auf der Bühne nicht mehr viel übrig, denn hier war Rock'n'Roll angesagt.
Chuck begann das Konzert demzufolge mit "Rock'n'Roll Heart" und hatte mit den messerscharfen Rock-Versionen der neuen Tracks "Countrified Inner City Technological Man" oder "Ford Econoline" das willfährige Publikum schnell im Griff. Die Aufforderung, beim "Temple"-Song bitte mitzusingen, hätte sich Prophet im Folgenden dann auch sparen können, denn das tat sowieso jeder. Wie gesagt waren die Arrangements auch der neuen Tracks dann für den Live-Vortrag entschlackt worden und Chuck nahm sich viel Zeit, sein Material gitarrentechnisch auszuformulieren. Das noch auf der CD zu beobachtende Drei-Minuten-Popsong-Format spielte da keine Rolle mehr. Zur akustischen Gitarre griff Chuck nur für eine fast nicht enden wollende Version seines alten "Skywriting"-Songs "Summertime". Der Blues - immer ein gern gesehener Gast auf der Mission-Express-Route (der Mission-Express ist ja eine Buslinie aus Chucks Nachbarschaft), wurde auch gelegentlich bemüht, freilich mit der Chuck-eigenen, typischen ironischen Distanz. Letztere findet sich dann auch in Songs wie "Guilty As A Saint" oder "Wish Me Luck" - einem Stück über einen verrückten Bekannten Prophets wieder oder in Tracks, die auch musikalisch mit einem Augenzwinkern zu sehen sind wie "Little Boy / Little Girl", bei dem Stephanie Finch zum ersten Mal ans Mikro gebeten wurde - oder auch bei der ausufernden Version des musikalischen Portraits des Baseball-Stars "Willie Mays", bei dem Chuck sein Unverständnis dem zuweilen ergebnislosen europäischen Fußballsport gegenüber zum Ausdruck brachte. Wie ebenfalls gesagt, waren Chuck und seine Musikanten betont gut drauf und brannten geradezu darauf, ihr Torprogramm möglichst vollständig vorzustellen.
Eine Setlist gab es zwar - doch ignorierte diese Prophet konsequent und mäanderte hemmungslos durch seinen Fundus. Das führte dazu, dass das zweistündige Konzert bis in die geplanten Zugaben ausgedehnt wurde - dann aber natürlich dennoch ein ordentlicher Zugabenblock fällig war. "Das ist ein besonderer Abend heute", erklärte Chuck am Ende - nur um dann, als sich alle schon auf eine sentimentale Lobhudelei gefreut hatten, hinzuzufügen, "denn wir werden nach der Show CDs verkaufen." So ist er nun mal, der gute Chuck - immer für einen Witz auf Kosten seiner Fans zu haben. Gut, dass er in seiner 30-jährigen Karriere niemals so richtig politisch korrekt geworden ist, denn dann wären Konzerte wie solche schließlich kaum möglich.