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19.01.2018
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First Aid Kit - Ruins

First Aid Kit - Ruins
Columbia/Sony Music
Format: LP

Nein, natürlich erfinden sich First Aid Kit auch auf ihrem vierten Album nicht grundsätzlich neu. Das wäre ja auch unnötig, denn was nicht kaputt ist, kann man bekanntermaßen nicht reparieren. Trotzdem ist das Album nicht einfach nur eine Fortsetzung des Majorlabel-Debüts "Stay Gold" aus dem Jahre 2014, als das es in vielen Rezensionen dargestellt wird. Vielmehr hat sich das seit jeher klanglich in den USA heimische Schwestern-Duo aus Schweden bei den Sessions alte Stärken ins Gedächtnis gerufen, ohne zu vergessen, dass ihnen inzwischen längst nicht mehr nur Country- und Folk-Connaisseure zu Füßen liegen, sondern Support Slots für die richtigen Schwergewichte und in Kinostreifen und Werbespots platzierte Songs dafür gesorgt haben, dass der Mainstream für First Aid Kit nur noch einen kleinen Schritt entfernt liegt.

Für "Ruins" bedeutet dies, dass hier anders als auf dem Vorgänger dem oft geradezu unfassbar guten Harmoniegesang von Karla und Johanna Söderberg wieder mehr Gewicht zukommt. Hatte man bei einer Reihe von "Stay Gold"-Songs noch das Gefühl, dass die Musik zuerst entstanden war und die beiden - nicht immer ganz erfolgreich - gegen die üppig aufgetürmte Orchestrierung der Streicher ansingen mussten, klingen die neuen Lieder nun so, als sei die Instrumentierung um die größte Stärke des Duos, den Gesang, herum angeordnet worden. Die prägnante Pedal Steel und die Streicher sind zwar nicht aus dem Klangbild verschwunden, sie kommen aber bei weniger Songs zum Einsatz und wurden auch rein personell ausgedünnt: Spielten zuvor gleich bis zu einem Dutzend Musiker die Streichinstrumente, sind es nun nie mehr als drei. Auch wenn schwelgerische Melancholie und eine gewisse Anschmiegsamkeit immer zu den Markenzeichen von First Aid Kit gehören werden, klingen auf "Ruins" viele Nummern - allen voran der lupenreine Country-Song "Postcard" und "Distant Star" mit betonter Vintage-Heimeligkeit - wieder deutlich erdiger als die Lieder auf dem Vorgänger, wozu sicherlich auch die hochkarätigen Mitstreiter beitragen: Der frühere R.E.M.-Gitarrist und Songwriter Peter Buck begleitet die Söderbergs praktisch bei allen Stücken der LP und Jazz-Größe Eyvind Kang spielt bei der Hälfte der Lieder die Viola, während sich Wilcos Glenn Kotche und McKenzie Smith von Midlake das Schlagzeug bei den zehn Songs teilen.

First Aid Kit wagen sich zwar nie zu weit vor - es ist keine große Überraschung, dass ihr fast schon punkig lautes Polit-Statement "You Are The Problem Here", das letztes Jahr als Single erschien, auf "Ruins" fehlt -, aber wenn auf Nummer sicher gehen so herzergreifend schön klingt wie auf diesem Album, dann hört man sehr, sehr gerne zu.



-Carsten Wohlfeld-


 

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