Obacht: Der erste Kontakt mit "Audio Vertigo", dem neuen Album der britischen Artrock-Sympathen Elbow, kann durchaus einen Schock auslösen. Das Vorgängerwerk "Flying Dream 1" (2021) war von der Pandemie geprägt, es klang ätherisch, fast verzagt - und dabei wunderschön melancholisch nach den späten Talk Talk oder The Blue Nile. Jetzt also die Kehrtwende: Elbow liefern wieder potenzielle Musik für die Massen. Zu bewährten Stadionhymnen früherer Platten wie "Grounds For Divorce", "One Day Like This" oder "Lippy Kids" dürften dank "Audio Vertigo" frische Crowdpleaser wie "Lovers' Leap" oder "Balu" hinzukommen. Auch sie haben das Zeug zu der für Elbow so typischen Überwältigung mittels Gefühl und Groove.

Man habe nach den Covid-Beschränkungen endlich wieder im Studio "zusammen gegessen und getrunken, zusammen gespielt und viel gelacht", erinnert sich der charismatische Sänger Guy Garvey. Sein Plan: "etwas Schmutziges schreiben, etwas Energiegeladenes machen - ich wollte mit diesem Release ein bisschen Spaß haben." Wenn man sich an diesen Kurswechsel erstmal gewöhnt hat, ist auch "Audio Vertigo" ein tolles Album voller Groove und Wucht. Mit rhythmusorientierten Tracks wie "Very Heaven", "Her To The Earth", "The Picture" und "Knife Fight" gehen Elbow so locker und lässig aus sich heraus wie lange nicht mehr. Ans Ende haben sie mit dem prächtigen Sophisticated-Pop von "From The River" den Song gesetzt, der noch am ehesten auf den dezenten Vorgänger gepasst hätte. Garvey & Co. wenden sich also nicht brüsk von ihrer Vergangenheit ab, bleiben aber stilistisch offen und experimentierfreudig. Keine geringe Leistung für eine so massentaugliche Band.