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06.12.2016
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SARAH JAFFE

Geteilte Isolation

Sarah Jaffe
Das, was die Texanerin Sarah Jaffe musikalisch ausmacht, ist beschreibungstechnisch gar nicht so einfach einzufangen - denn die Dame aus Dallas legte ab 2010 eine Serie von Veröffentlichungen hin, wie sie eklektischer kaum sein könnte. Ihr Debüt-Album "Suburban Nature" kam noch als klassisches Americana-Album daher - mit einem Mix aus Country-, Folk- und Roots-Rock, der Sarah im Prinzip durchaus auf den Leib geschneidert schien, da ihre Stimme (die in bestimmten Phrasierungen durchaus an jene von Lucinda Williams erinnert) wie gemacht schien für diesen typisch amerikanischen Soundmix. Doch dabei blieb es nicht. Auf ihrer folgenden EP "Even Born Again" gab es eine Sammlung akustischer Folksongs in erheblich reduzierten Settings. Hier fand sich dann allerdings auch ein Remix, bei dem Sarah erstmalig mit elektronischen Elementen konfrontiert wurde. Auf der nachfolgenden EP "The Way Sound Leaves A Room" experimentierte Sarah mit Effekten und elektronischen Elementen in einem Indie-Rock-Modus, bevor sie sich dann mit der nächsten LP "The Body Wins" einer Art New Wave-Pop zuwendete, bei dem organische und elektronische Bestandteile sich die Waage hielten - jedoch eine vollständige Abkehr von der Americana-Ästhetik zu beobachten war. Diese Entwicklung setzte sich auf ihrem bislang erfolgreichsten und immer noch aktuellen Album "Don't Disconnect" fort, auf dem sie sich mit Unterstützung des Produzenten Mackenzie Smith (der auch der Drummer der Band Midlake ist, mit der zusammen Sarah 2010 erstmalig in Europa unterwegs war) in eine eklektische Glam-Rock-Richtung bewegte, die die Einflüsse ihres Idols David Bowie deutlich zu Tage treten ließen. Eine von Sarahs letzten Produktionen ist denn auch der neue Song "Did David Feel Like This", den sie kurz nach Bowies Ableben als Hommage an diesen verfasste.

Wie passt das denn alles zusammen? "Nun, ich habe mit 16 in der Gegend um Dallas angefangen, Musik zu machen", erzählt Sarah, "damals wusste ich schon, dass ich Musik machen wollte und bin dann auch dabei geblieben. Ich denke dabei, dass man zwar aufmerksam sein sollte, wenn man eine neue Scheibe angeht, aber nicht zu viel nachdenken sollte. Alleine wegen meiner Stimme wäre es für mich zum Beispiel total einfach, weiter Americana-Scheiben aufzunehmen. Ich meine - ich bin schließlich dieses Texas-Girl mit dieser 'maisgetränkten' Stimme. Es wäre also super-einfach, so weiterzumachen - allerdings höre ich mir wirklich jede Art von Musik an. Ich denke, dass ich immer selbstbewusster werde, je älter ich werde, wenn es darum geht, neue Sachen auszuprobieren. Ich will ja auch neue Sachen ausprobieren. So, wie ich Musik konsumiere, so käue ich sie dann auch wieder. Ich höre mir also viel elektronische Musik an und einen Haufen Pop-Musik und jede Menge HipHop. Nun ist es so, dass ich zum Beispiel keine reinrassige HipHop-Scheibe machen könnte - aber ich lüpfe zweifelsohne meinen Hut in diese Richtung. Es wäre ja auch langweilig, wenn ich eine Folk-Scheibe nach der anderen machen würde. Nur wenn ich alleine unterwegs bin - wie auf meiner aktuellen Tour -, wende ich mich noch diesem Genre zu, weil es sehr schwer ist, ohne Band einen Eindruck der produzierten Studioversionen zu vermitteln." Durch diesen Ansatz hat Sarah die Möglichkeit, mit dem Erscheinungsbild ihrer Songs zu spielen. Ein gutes Beispiel dafür ist z.B. ihr Track "Clementine", der als Americana-Song begann, dann eine Metamorphose zur Piano-Ballade durchlief und im Live-Solo-Kontext als Folk-Song daher kommt. In ihrem aktuellen Song "Visions" - einer E-Pop-Nummer mit HipHop-Einlagen - erklärt Sarah ihren Ansatz dann auch genau: Egal ob es um Hardcore, New Wave, Singer-Songwriter, Frisuren oder andere Moden geht: "Fortunately for me these days I don't give a fuck" singt sie da, "my vision is clear - I make music the way that I want to." Das gibt es ja auch nicht so oft, dass sich Musiker in ihren Songs dermaßen offenherzig erklären. "Nun ja, da gibt es aber auch diese Momente, in denen die Art, in der ich musiziere verteidigen möchte", führt Sarah aus, "vielleicht komme ich deswegen auch manchmal ein wenig aggressiv rüber - einfach weil ich mit beweisen will, dass ich Musik machen kann, wie ich es will. Ich glaube aber auch, dass die Mehrheit der Zuhörer es auch genießt, verschiedene Sachen auf verschiedene Weisen zu hören. 'Visions' ist ein kleines Projekt zwischen den Alben, das ich vor allen Dingen nutzte, um mit Sam Lao und Zhora - zwei coolen Künstlern aus meiner Gegend - zusammenzuarbeiten und mich so ein wenig von mir selbst zu lösen. Ich habe auch noch dieses Projekt The Dividends mit diesem coolen HipHop-Künstler, mit dem ich zusammen arbeite."

Wie sieht das denn mit weiteren Visionen für die Zukunft aus? "Ich habe soeben die Aufnahmen für meine neue Scheibe beendet", verrät Sarah, "ich bin super glücklich damit. Denn auf jeder Scheibe will ich auch etwas lernen - und dieses Mal war das die Zusammenarbeit mit meiner Band. Auf 'Don't Disconnect' war die Band nicht sehr beteiligt. Aber dieses Mal bin ich die Sache mit meinen Musikern mehr als Familien-Projekt angegangen. Das fühlte sich tatsächlich an, wie eine Band, die ein Album macht. Das Album wird im Frühjahr nächsten Jahres veröffentlicht werden." Was ist Sarah als Songwriterin am wichtigsten? "Das können verschiedene Sachen sein", überlegt sie, "für einen Songwriter ist das auch etwas anderes als für den Zuhörer. Ich fühle mich zum Beispiel immer zu starken Melodien hingezogen - aber ich mag es auch, zwei Dinge miteinander zu kombinieren, die normalerweise nicht zusammenpassen würden. Zum Beispiel echt intensive Texte und etwas Poppiges zum Tanzen - so was finde ich immer cool." Das ist auch eine dieser Eigenschaften, die Sarahs Songs auszeichnen. Obwohl sie sich musikalisch ja eigentlich vom klassischen Folksong verabschiedet hat, legt sie auch bei ihren Rock- und Pop-orientierten Songs Wert auf inhaltlich relevante Texte. Auf ihrer letzten CD 'Don't Disconnect' geht es zum Beispiel um Kommunikation und die Art von geteilter Isolation, der wir heute ausgesetzt sind. Was meint: Man ist zwar einsam - aber nicht alleine. "Ehrlich gesagt, hatte ich gar nicht bemerkt, dass es da ein Thema gab, bis ich alle Songs fertig hatte", gesteht Sarah, "aber es macht Sinn, dass eine Songsammlung, die man in einem bestimmten Zeitraum schreibt - in dem man auf eine gewisse Weise empfindet -, am Ende einen roten Faden besitzen. Bei 'Don't Disconnect' ging es mir um die Entfremdung in einer technisierten Welt und die Suche nach einem emotionalen Kern, der alles zusammen hält. Weißt du, 'disconnect' ist ja ein technischer Begriff und zu der Zeit, in der ich die Songs schrieb, fühlte ich mich in der Welt des Web und der sozialen Medien verloren - mochte aber den emotionalen Aspekt, den das mit sich bringt." Gibt es auf der nächsten LP dann auch einen roten Faden dieser Art? "Ja, den gibt es", verrät Sarah, "ich kann aber noch nicht darüber reden, weil wir noch an der Scheibe arbeiten und alles noch ganz frisch für mich ist. Ich denke, es wäre besser, wenn die Leute es erst hören, bevor ich darüber rede." Das lässt sich nachvollziehen, da man sich ja auch nicht gerne das Ende eines Films erzählen lässt, den man noch nicht gesehen hat. Unter dem Strich gilt es hierzulande ja auch erst mal, die Künstlerin Sarah Jaffe zu entdecken, wie sie sich bislang präsentierte.

Weitere Infos:
www.sarahjaffe.com
www.facebook.com/pages/Sarah-Jaffe/48150546266
twitter.com/sayjaffe
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
Sarah Jaffe
Aktueller Tonträger:
Don't Disconnect
(Kirtland)
 

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