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THE LONG BLONDES
 
Mode? Nein danke!
The Long Blondes
Nein, dass sie nur auf den schnellen Ruhm aus sind, kann man The Long Blondes wirklich nicht vorwerfen. Fünf Singles veröffentlichte das Quintett - drei Damen, zwei Herren - aus Sheffield, bevor nun Mitte November mit dem von Pulp-Bassist Steve Mackey produzierten "Someone To Drive You Home" endlich das Debütalbum in die Läden kam. Und das war im wahrsten Sinne des Wortes lang erwartet, denn mit Songs wie der aktuellen Single "Weekend Without Makeup" oder dem großartigen "Separated By Motorways" ließen die fünf Engländer nicht nur den für Hypes bekanntlich sehr empfänglichen NME, sondern auch renommierte Blätter wie The Independent oder Guardian von einer Verzückung in die nächste fallen.
"Es stimmt schon, wir sind in der ungewöhnlichen Lage, bei der Veröffentlichung unseres Debütalbums schon ziemlich weit zurückschauen zu können", sagt Drummer Screech beim Treffen mit Gaesteliste.de vor dem Auftritt im Kölner Gebäude 9. "Natürlich schauen wir derzeit in erster Linie auf die letzten zwölf Monate zurück, aber es hat dennoch vier Jahre gedauert, bis wir an jetzigen Punkt angekommen sind. Dass wir uns mehr Zeit nehmen konnten, gefällt mir allerdings sehr. Ich finde es zum Beispiel sehr lustig daran zurückzudenken, dass ich noch vor Jahresfrist um Urlaub betteln musste, damit wir mit Franz Ferdinand auf Tournee gehen konnten. Ich denke, wir wissen alle sehr zu schätzen, dass wir die Chance bekommen haben, mit der Musik unser Geld zu verdienen. Wir wissen noch sehr genau, was wir davor gemacht haben, und das hier ist viel, viel besser!"

Denkt die Band denn rückblickend manchmal: Wenn wir gewusst hätten, dass es so einfach ist, hätten wir das Gleiche auch schon vor zwei Jahren machen können? "Ich erinnere mich daran, dass es damals ungeheuer frustrierend war zu sehen, wie all die anderen Bands viel schneller Platten veröffentlichten, während wir so hart gearbeitet hatten, es aber für uns längst nicht so gut lief und wir sehr lange für alles brauchten. Wenn ich jetzt zurückschaue, bin ich allerdings sehr froh, dass es so gelaufen ist, denn vor allem in England zeigt sich nun, dass wir echte Fans gewonnen haben, die all unsere Vinylsingles haben und unsere Geschichte kennen, während andere Bands doch viel eher als flavor of the month durchgereicht werden."

The Long Blondes, das bedeutet schneidige Gitarrenpop-Songs, die an die Cleverness von Pulp, die Coolness der Pretenders, die discoeske New Wave-Poppigkeit von Blondie und die Kompromisslosigkeit der Riot Grrrl-Prototypen The Slits erinnert. Doch nicht nur musikalisch reißen The Long Blondes mit, mit oft augenzwinkernden Texten nehmen sie alle möglichen Teenager-Katastrophen aufs Korn (eine der besten Textzeilen: "You're only 19, for God's sake, you don't need a boyfriend") und lassen ihr Publikum dabei gerne im Unklaren, wer von der Band die Texte für wen und aus welchem Blickwinkel geschrieben hat. "Dahinter verbirgt sich kein Konzept, aber ich muss dennoch gestehen, dass wir den Hörern gerne Rätsel aufgeben. Uns gefällt es, dass die Leute manchmal im Dunkeln gelassen werden. Dorian schreibt viele der Texte, aber Kate singt sie. Schreibt er sie nun explizit für sie oder doch für sich und ändert sie nachher lediglich so, dass sie auch für sie zu singen sind? Ich weiß es ehrlich gesagt selbst nicht und ich frage auch nicht. Es ist interessant, sich manchmal auf der Bühne während des Songs darüber Gedanken zu machen. Diese kleinen Spannungen machen uns zu einer interessanten Band. Du bekommst nicht alles brühwarm serviert. Natürlich hätten wir vieles offensichtlicher gestalten können und wären damit vermutlich schneller erfolgreich gewesen, aber auch wenn wir keinen Hehl daraus machen, dass wir Erfolg haben wollen, kommt es uns doch darauf an, unseren eigenen Weg zu gehen."

So will die Band auf ihrem nächsten Album zum Beispiel den Sound ihres Erstlings ein Stück weit hinter sich lassen und die zackigen Songs mit den, wie Screech es nennt, "shouty vocals" gegen ein etwas experimentierfreudigeres Klangbild eintauschen. Als Warmspielen dafür benutzt die Band übrigens derzeit ihre im Vergleich zu den Albumtracks eher aus dem Rahmen fallenden B-Seiten. Und noch eines würden The Long Blondes gerne hinter sich lassen: Die allgegenwärtigen Anspielungen auf das Thema Mode. Wer nämlich glaubt, mit der Veröffentlichung der LP würden sich die Menschen endlich mehr um die Musik und nicht mehr vorrangig um das Aussehen des Quintetts kümmern, liegt falsch. "Wir werden tatsächlich inzwischen noch häufiger danach gefragt", wundert sich Screech. "Das ist ein bisschen seltsam für uns, denn für uns stand das nie besonders im Mittelpunkt. Dass das so hochgekocht wurde, liegt vermutlich daran, dass zu der Zeit, als wir anfingen, die meisten Bands in England ziemlich 'laddy', also echte Jungs waren. Dabei war das nie eine große Sache für uns. Wir ziehen uns halt einfach so an und haben das auch schon früher getan. Jedenfalls haben wir uns nicht hingesetzt und gesagt: 'Wenn wir uns so und so kleiden, bekommen wir bestimmt ein bisschen Aufmerksamkeit!' Dass sich die Leute so darauf stürzen und uns als Fashion-Ikonen hinstellen wollen, verblüfft mich wirklich."

Verblüfft waren wir auch, als wir unlängst lasen, dass Screech nachgesagt wurde, er trommele wie ein Mädchen - und er das auch noch als Kompliment aufgefasst hat! "Ja, das stimmt", bestätigt er lachend. "Bevor wir die Band gründeten, hatte ich noch nie Schlagzeug gespielt, und meine Lieblingsbands waren immer Gruppen wie The Slits, The Raincoats oder auch The Go-Betweens, die ja alle Mädels am Schlagzeug sitzen hatten. Ich hasse es an den meisten männlichen Schlagzeugern, wie sie die Songs förmlich zu Tode prügeln. Dieses Gehämmer finde ich schrecklich langweilig. Die Mädels von den eben erwähnten Bands dagegen spielen auf eine Weise, die dem Rest der Musik sehr entgegenkommt. Sie spielen sehr rhythmusbetont, aber die Musik hat Platz zum Atmen. Genau diesen oft sehr sparsamen Stil mag ich sehr! Deshalb war ich sehr zufrieden, als jemand meinte, ich spielte wie ein Mädchen!"

Sehr sympathisch! Schade nur, dass der Rest des Abends nicht das hielt, was unser kurzes Interview vor der Show versprochen hatte. Nicht nur, dass die auf der LP so wuchtigen Songs live nicht halb so gut klangen, nach rund 20 Minuten wurde auch noch dem Gaesteliste.de-Fotografen vom - dazu nur bedingt befugten - Backliner der Band die Kamera aus der Hand gerissen und er wurde vom Bandpersonal aus dem Saal gezerrt, da er die Regelung, nur bei den ersten drei Songs zu fotografieren, verletzt hätte. Dass diese Maßnahme eigentlich nur in Hallen mit Fotogräben und nicht in Clubs zum Tragen kommt, sich in erster Linie auf Blitzlichtfotografie bezieht und vor allem doch bitteschön vorher angekündigt werden muss - der Veranstalter wusste nichts davon, wie er uns am Ausgang bestätigte -, waren leider alles keine Argumente für den Angestellten der Long Blondes. Dass rechts und links von uns "normalsterbliche" Zuschauer während der gesamten Show munter Fotos, teils sogar mit Blitz, machten, zählte ebenso wenig als Entschuldigung. Mehr als "WIR machen hier die Regeln!" fiel ihm Bandbediensteten dazu nicht ein. Ebenso wenig ließ er sich besänftigen, als wir darauf hinwiesen, dass wir als Präsentatoren der Tour nichts Böses im Schilde führen würden, sondern lediglich die ruhigeren Nummern im Mittelteil des Sets ausnutzen wollten, um ein paar bessere Bilder als beim recht hektischen Beginn zu machen. Daraufhin mussten wir uns anhören, dass es ihn, Nik Strutter, einen Scheiß interessiere, ob wir einen Review machen können oder nicht. Auf unsere Erwiderung, dass es uns dann letzten Endes auch egal wäre, sagte er wörtlich: "No, I care LESS than you" und fügte dann noch patzig hinzu: "And I will never see you again!" Sicher nicht!
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Pressefreigabe-
The Long Blondes
Aktueller Tonträger:
Someone To Drive You Home
(Rough Trade Records/Sanctuary/Rough Trade)
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