GL.de: Was waren denn für euch die Highlights der "Wochenenden der Befreiung" im abgelaufenen Jahr?
Kai: Ich finde, dass die Platten am meisten Spaß gemacht haben, die am meisten gebraucht haben, bei denen man am meisten dazutun musste, wohingegen es bei den Platten, bei denen schon sehr viel Musik da war - die der Antwort mit Karl Allaut zum Beispiel -, nicht selten schwer war, etwas Eigenes dagegenzusetzen. Das waren Konzerte, bei denen wir uns stark an den Originalversionen orientiert haben.
Achim: Die Platten sind sehr klar, sehr glatt produziert, sehr ausgeprägt.
Kai: Genau! Da fand ich es deutlich schwerer, denen ein eigenes Gesicht zu geben, als wenn es darum ging, den Stücken von Grund auf ein neues Arrangement zu geben. Ich finde, die Konzerte waren auch stärker - und interessanter. Am reizvollsten fand ich Platten wie "Rezession, Baby!" oder "Sag Hallo zur Hölle", die gute Songs und gute Texte haben, aber eine Form von Musik, die für die Band gar nichts vorgibt, die völlige Freiheit für die Arrangements lässt. Zum Teil musste man sogar überlegen, wie man das überhaupt auf die Bühne bringen kann.
GL.de: Das würde erklären, warum zum Beispiel gerade die offensichtlichen Hit-Alben wie "Ich bin jetzt in Talkshows" oder "Solange die Rasenmäher singen" in unseren Reviews schlechter abgeschnitten haben als selbst die von den wenigsten gemochten Platten mit Karl Allaut.
Kai: Die Arrangements der Hit-Platten spielen wir ja schon so lange. Das kann man dann gut spielen, aber da kann es schon sein, wie du sagtest, dass das Aha-Erlebnis ein wenig fehlt.
GL.de: Welche Platte hat euch am meisten überrascht?
Ben: Dazu müsste man sich an alles erinnern!
Achim: "Sag Hallo zur Hölle" war schon eine Überraschung.
Kai: Fand ich auch.
Achim: Das ist nun wirklich keine Favoritenplatte, weil sie so sperrig ist und schwierig anzuhören...
Kai: "Rezession" auch! Das war ja gleich die erste, da ging es auch erst einmal darum zu schauen, ob das Konzept überhaupt funktioniert. Das war deshalb auch eine sehr positive Überraschung.
GL.de: Und wie steht ihr zur "Talkshows" und speziell zu dem - in unseren Augen - ziemlich enttäuschenden Abend?
Achim: Ich habe ihn nicht so gut in Erinnerung (grinst).
Kai: Ich hab ihn auch nicht so gut in Erinnerung (lacht).
Ben: Wenn ich mich recht erinnere, ist es bei der "Talkshows" so, dass der Schluss recht langsam ist, die letzten vier, fünf Stücke sind echt hart, totale Downer, ich denke, das ist das, was den Abend im Endeffekt lang gemacht hat. Über 20 Minuten gab es da wenig Action und alles war sehr getragen und düster.
GL.de: Bei Konzerten setzt man ja für gewöhnlich auf eine andere Dynamik als bei Platten. Hat euch das ob des Konzepts, die Platten in der Originalreihenfolge zu spielen, manchmal besondere Probleme bereitet?
Kai: Außer bei der "Talkshows" kann ich mich an keinen Abend erinnern, an dem das ein Problem war. Das war spannend, weil es gegen das Übliche - jetzt brauchen wir ne schnelle Nummer oder jetzt mal eine Ballade - ging. Eher eine Art Zufallsprinzip. Das war eine neue Herausforderung, deshalb war das erst einmal gut!
GL.de: Welche von Bernds größten Hits spielt ihr denn selbst immer noch gerne?
Alle: (schweigen)
GL.de: Keine?
Kai (nach allgemeinem Gelächter): Ich glaube, jeder hat so einen Hit, den er gerne spielt, den die anderen nicht mehr mögen.
Achim: Für mich ist es "Ich habe mich rasiert". Das ist eines der wenigen Lieder, die ich anfangen kann, aber Kai kann es nicht mehr hören, weil es zu oft gespielt wurde. Es gibt aber auf jeder Platte mindestens ein Lied, das ich super finde. Auf der "Rasenmäher" zum Beispiel "Bereit für dich".
Kai: Du meintest aber eher Stücke wie "Unten am Hafen" oder "Fernsehen mit deiner Schwester", oder?
Achim: Ich finde, gerade bei "St. Pauli" und "Unten am Hafen" macht sich manchmal schon eine gewisse Zähigkeit breit.
GL.de: Das sind allerdings dennoch die Stücke, die sich am stärksten von Abend zu Abend verändern, bei denen ihr am meisten vom eigentlichen Arrangement abweicht.
Kai: Ja, das stimmt. Da muss man sich irgendwie seine Herausforderung suchen.
Achim: Und manchmal hat man keine Lust dazu!
Kai: Manchmal findet man aber auch einen ganz neuen Zugang oder Bernd fängt ganz anders an, ganz leise zum Beispiel.
Achim: Das wird dann sofort ein ganz anderes Lied, das ist wirklich gut.
GL.de: Was denkt ihr in Situationen wie im November, als Bernd plötzlich sagte: "Soll ich 'Sie wohnt jetzt in Dresden' mal alleine anfangen, um euch die Sicherheit zu nehmen"?
Ben: Im Prinzip gibt es ja überhaupt keine Sicherheit bei Bernd, weil er seine Lieder selbst nur peripher im Griff hat. Er spielt drauflos und weiß selbst nicht so genau, was passiert. Es kann sein, dass er mal einen Refrain weglässt oder eine Strophe länger spielt, deshalb ist es eigentlich immer spannend für uns. Es ist selten, dass ein Lied genauso gespielt wird, wie man es irgendwann mal geprobt hat oder wie es beim letzten Konzert gewesen ist. Insofern sind wir es nicht anders gewohnt. Ich glaube, das ist auch genau das, was uns dreien Spaß macht, uns dabei hält und uns das Gefühl gibt, dass das hier eine andere Band ist als das, was man sonst so hat.
GL.de: Bedeutet das, dass die Befreiung für euch alle eine neue Erfahrung ist, verglichen mit euren früheren musikalischen Aktivitäten?
Kai (nach allgemeinem Kopfnicken): Ich erinnere mich daran, dass ich mal in einem Variete gespielt habe, wo die Jongleure so schlecht waren, dass sie immer was haben fallen lassen, da musste man die musikalischen Akzente ständig anders setzten (lacht)! Aber ich würde sagen, Bernd übertrifft das!