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DOLORES O'RIORDAN
 
Kofferlos glücklich
Dolores O'Riordan
Als die Cranberries Anfang der 90er Jahre ihren Siegeszug durch die Charts begannen - nicht zuletzt beflügelt von den Hit-Singles "Linger" und "Zombie" -, sah das natürlich so aus, als könnte die Sache ewig so weiter gehen. Doch der zunehmende Druck, dem man sich als international salonfähige Rockstars nun mal ausgesetzt sieht, führte dazu, dass 2003, mit dem Ausstieg von Frontfrau Dolores O'Riordan erstmal Schluss war. Dolores verließ damals die Band, um sich um ihre erkrankte Schwiegermutter zu kümmern und zog sich mit Ehemann Don Burton (der auch als Tourmanager fungierte) und ihrer Familie in einem kleinen Nest in Irland ins Privatleben zurück. Dieser Rückzug war so vollständig, dass sich Don Burton heute noch mit gemischten Gefühlen daran erinnert: "Der Ort ist zwar wunderschön, aber so abgeschieden, dass man anderthalb Stunden mit dem Auto fahren muss, um die Zivilisation - einen Flughafen zum Beispiel - zu erreichen", erzählt er, "wir sind neulich nochmal hingefahren und haben uns dabei gefragt, was wir uns bloß damals dabei gedacht hatten, als wir dort hin zogen." Nun, heutzutage teilen sich die Burtons die Zeit zwischen einem neuen Domizil an der Küste in Dublin und der zweiten Heimat, Kanada.
Es dauerte freilich bis 2007, als Dolores mit ihrem Solo Debüt "Are You Listening?" wieder auf der Bildfläche erschien. Nun, auf ihrem zweiten Solo-Album, arbeitet sie die Zeit nach dem Ende der Cranberries auch thematisch auf. Der Titel des Albums, "No Baggage", bezieht sich nämlich darauf, allen überflüssigen Ballast (seelischer Natur) hinter sich zu lassen und sich selbst so zu akzeptieren, wie man nun mal ist. Hat das Covermotiv auch damit zu tun? Es zeigt Dolores auf einem Stuhl im Wasser sitzend. "In gewisser Weise ja", antwortet Dolores, "wir hatten diesen Termin für diesen Photo-Shoot und ich hatte diese Idee, es am Lake Ontario zu machen. Das ist ein riesiger See, so wie viele kanadische Seen, der fast wie ein Meer aussieht. Der Gedanke war, jemanden zu zeigen, der mitten in der Wildnis, fernab von jedem Trubel sitzt - ohne Gepäck oder Ballast, aber glücklich und zufrieden dabei ist." Das neue Album klingt musikalisch dementsprechend entschlackt und sehr organisch. War das so geplant? "Nicht wirklich", gesteht Dolores, "ich probiere halt viel herum und bitte dann später die Musiker hinzu. Das ergibt dann ein gewisses Gesamtbild. Es hat auch mit der Technik zu tun, die heutzutage einfach besser geworden ist. Man kann dann viel ausprobieren. Die Ideen zu den Arrangements entwickele ich alle selber und diskutiere sie dann mit meinem Mann, Don Burton. Der macht dann gewisse Vorschläge auf Pro-Tools, wie etwas besser klingen könne. Das Beste ist aber, dass du einfach wieder Dinge entfernen oder austauschen kannst, wenn etwas nicht passt - so lange, bis es dann stimmig ist. Und mit der Technik von heute klingt das dann auch immer gut." Und dazu gehört auch, mit Ethno-Beats zu experimentieren, wie in dem Song "Throw Your Arms Around Me"? "Ja, warum nicht? Vor allen Dingen wollte ich etwas Neues machen. Ich habe eine Menge CDs mit nativer indianischer Musik und mag diese sehr gerne. Ich mag zum Beispiel auch marokkanische Musik. Wahrscheinlich kommt diese Vorliebe für ethnische Musik von meinen irischen Wurzeln. Wir haben dort auch diese Gesänge, diese Folksongs, die mit Inbrunst von Herzen kommen - da gibt es schon Parallelen. Ich denke auch, ich müsste mal eine ganze Scheibe mit solcher ethnischer Musik machen - momentan ist das eher noch ein Gimmick."
Dolores O'Riordan
Warum wurde das Album denn in Kanada produziert? Immerhin lebt Dolores mit ihrer Familie ja nur teilweise in Kanada. "Nun mein Produzent, Dan Brodbeck, wohnt in der Nähe", führt Dolores aus, "wenn Schulferien sind, wohne und arbeite ich dort. Ich arbeite übrigens sehr unprofessionell. Ich habe keinen festen Zeitplan, kann mich nicht morgens hinsetzen und losarbeiten. Da ist es immer angenehm, jederzeit in den Keller gehen zu können und an einem Stück arbeiten zu können. Und wenn dann eines der Kinder kommt, dann muss die Arbeit eben warten. Wenn ich auf Tour bin und live spiele, dann ist die Arbeit immer das Wichtigste - aber zu Hause haben die Kinder Vorrang." Es fällt auf, dass die Songs auf dem neuen Werk auch alle eher introspektiver, persönlicher Natur sind. Stücke mit politischem Hintergrund, wie zum Beispiel "Zombie" oder "Bosnia" gibt es hier jedenfalls nicht. Hat das auch mit der Rückbesinnung auf die wesentlichen Werte zu tun? "In gewisser Weise ja", bestätigt Dolores, "'Zombie' habe ich z.B. geschrieben, als wir damals auf Tour waren. Was machst du auf Tour? Da schaust viel TV. Und wenn es ansonsten keine englischsprachigen Sender gibt - was auf Tour oft der Fall ist -, dann schaust du eben CNN. Also wurde ich damals auch von CNN beeinflusst und habe auch mal politische Themen aufgegriffen. Heutzutage werde ich aber nicht vom Fernsehen beeinflusst, sondern vom täglichen Erleben und dem, was um mich herum passiert." Und daraus entwickelte sich dann das Thema des Albums? "Weißt du, wenn man Musik macht, dann weiß man nie, was passieren wird", führt Dolores aus, "es ist nicht so, dass man das steuern kann - aber nachdem ich das Material sichtete, erkannte ich da schon eine rote Linie. Und je älter ich werde, desto philosophischer werde ich auch." Zum philosophischen Ansatz gehört es ja, viele Fragen zu stellen. "Bist du ein Philosoph?", fragt Dolores - was aber ja gar nicht das Thema ist, "wenn du viel nachdenkst, dann bist du schon ein Philosoph. Und du bist kreativ. Das ist nicht selbstverständlich, aber es ist ein wunderschönes Geschenk, dass du dir nicht streitig machen lassen solltest. Ich kenne viele Leute, die nicht kreativ sind. Die arbeiten konzentriert und ergebnisorientiert an ihrem Job, tun das aber nicht mit Kreativität - was schade ist." Nun, wenn der Philosoph ein Künstler ist, dann können wir uns ja vielleicht darauf einigen, dass es hier um den Prozess als solches geht? "Genau - der Prozess den Nachdenkens ist wichtig. Er ist auch therapeutisch und hilft, oder? Nutze jeden Tag dazu. Das Leben ist zu kurz, um es einfach so ungenutzt verstreichen zu lassen." Das ist auch das Thema des Songs "Skeletons" auf der neuen Scheibe, oder? "Nun der Gedanke war folgender: Ich habe mir überlegt, dass jeder irgendwann mal zu einem Skelett wird. Die Leute, die da draußen vorbeigehen, werden zu Skeletten und auch wir, die wir hier sitzen, werden irgendwann zu Skeletten - wenn wir nur lange genug warten. Oder auch nicht: Das Leben kann so schnell vorbei sein. Egal: Als Kind hatte ich immer Angst vor Skeletten. Viele Kinder haben Angst vor Skeletten. Warum eigentlich? Ich habe mir überlegt, dass man eigentlich keine Angst vor Skeletten zu haben braucht, denn das Skelett stützt einen ja, ist etwas Positives. Es hilft einem, gemachte Erfahrungen zu verarbeiten und so zu sich selbst zu finden. Genieße den Tag, so wie er ist."

Was ist denn am Prozess des Musik Machens das Spannendste - und was das schwierigste? "Also ich finde es immer am schönsten, einen Song aufzuführen, wenn er fertig ist. Das Schwierige für mich ist immer, die Texte zu schreiben. Es ist nämlich so, dass sich Textzeilen in den seltensten Fällen gut anhören, wenn man sie aufschreibt. Man muss lange daran herumfeilen. Ich zeige auch nie meine Texte jemand anderem, so lange sie nicht fertig sind. So, wie ein Maler, der auch kein unfertiges Bild herzeigt. Wenn aber mal alles an seinem Platz ist und alles fertig ist und wenn dir dann die Fans sagen: Ja, ich verstehe, was du sagen willst, ich verstehe, was du meinst - und es ihnen dann womöglich sogar noch irgendwie hilft, dann ist das das Größte." Wie entstehen die Texte denn eigentlich. Es scheint ja so zu sein, dass Dolores in den Songs öfters zu jemandem spricht. "Weißt du, ich spreche meistens mit mir selber", verrät sie, "ich habe irgendwann ein Mal gemerkt, dass da diese Stimmen in meinem Kopf sind, die auf mich einreden. Ich denke, jeder hat diese Stimmen und jeder spricht auch mit sich selbst. Es ist dann sehr schwer, diese Stimmen zum Schweigen zu bringen, das Ganze auf eine bewusste Ebene zu hieven. Irgendwann habe ich dann angefangen, das, was ich da hörte aufzuschreiben, um es in meinen Texten zu verarbeiten. Das war etwas Neues, was ich vorher noch nie so gemacht habe. Es gehörte aber auch zu dem Prozess, mich selbst so zu akzeptieren, wie ich bin. Und das heilt. So wie das Fragen stellen und das Philosophieren. Oder nicht?" Geht es darum auch, wenn Dolores singt? "Ja, das ist wohl so", räumt sie ein, "wenn ich singe, dann denke ich zunächst wohl daran, was mir persönlich passiert ist, als ich diesen Song schrieb. Letztlich geht es mir aber doch nur darum, den Zuhörer mitzunehmen und daran teilhaben zu lassen - und so vielleicht auch zur Heilung beizutragen."

Dolores O'Riordan
Was hat sich denn gegenüber früher für Dolores geändert? "Ich gebe heute keinen Rattenarsch mehr darum, berühmt zu sein. Kennst du den Ausdruck - Rattenarsch - darf man das sagen? Das ist ein irischer Ausdruck." Das ist übrigens das Thema des Songs "Stupid" auf dem neuen Album. Hat aber das Berühmtsein nicht auch gewisse Vorteile? "Ja schon, es ergeben sich daraus interessante Kontakte - wie zum Beispiel die Sache mit Pavarotti, oder dass man dich nach Songs für Filme fragt, wie zum Beispiel für 'Passion Of The Christ' oder als Adam Sandler wegen 'Click' anrief und fragte, ob ich darin auftreten wolle - das ist wirklich schön." So lange es wichtig ist. In der Jetzt-Zeit ist Dolores mit sich im Reinen und legt auf so etwas keinen gesteigerten Wert mehr. Das macht sich auch unmittelbar bemerkbar. Früher galt Dolores im Umgang mit den Medien als ausgesprochen schwierig und zickig. Heutzutage kann man sich keine gelöstere und sympathischere Gesprächspartnerin wünschen. Im Januar spielte Dolores ja auch wieder mit den alten Kumpels von den Cranberries. "Ja, das war wirklich wunderschön", schwärmt sie und strahlt dabei über das ganze Gesicht, "wenn man in einer Band ist, dann ist man ja länger mit den Kumpels zusammen als mit der Familie. Wir hatten eine sehr stressige Zeit: Morgens aufstehen, Fotos machen, Interviews geben, noch mal Fotos machen, wieder Interviews, abends spielen und so weiter. Deswegen hat man dann schon eine besondere Beziehung. Und deswegen war es auch wichtig, dass wir irgendwann getrennte Wege gingen. Als wir jetzt aber spielten, war das so, als seien wir nie auseinander gewesen. Wir sind uns alle in die Arme gefallen. Was aber noch schöner war, war, dass wir uns am letzten Woche zum ersten Mal mit unseren ganzen Familien getroffen haben. Ich habe zum ersten Mal alle Kinder der Jungs gesehen." Läge es denn da nicht auf der Hand, wieder mal zusammen aufzunehmen? "Absolut", meint Dolores, "irgendwann wird das sicher wieder passieren. Ich sage sowieso niemals nie." Wie lange kann man denn diesen Lifestyle durchhalten? "Ohh das weiß ich nicht", überlegt Dolores, "ich hoffe, es wird noch lange so weiter gehen - aber ich weiß es nicht. Ich hatte ein ziemlich verrücktes Leben und habe viele Extreme erlebt, so dass ich jetzt keine falschen Vorhersagen machen möchte. Mir fällt jetzt zwar nichts Konkretes ein, ich weiß aber, dass ich noch viel, viel, viel Musikalisches machen möchte." Übersetzt heißt das wohl so viel, wie dass die wilden Zeiten vorbei sind, aber noch eine Menge kreatives Potential in Dolores O'Riordan schlummert. Und Dolores sagte es ja selbst im übertragenen Sinne: Man muss jeden Tag nutzen, als sei es sein letzter.
Weitere Infos:
www.doloresoriordan.ie
de.wikipedia.org/wiki/Dolores_O’Riordan
www.myspace.com/doloresoriordan
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Dolores O'Riordan
Aktueller Tonträger:
No Baggage
(Cooking Vinyl/Indigo)
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