GL.de: Die neue Platte klingt schon anders, als die davor. War das auch ein bewusster Entschluss?
Deniz: Das einzige, was wir uns im Vorfeld gesagt haben war, dass wir ein bisschen weniger schrammeln wollen. Dann haben wir uns einfach ein bisschen mehr zugehört, den Instrumenten mehr Platz gelassen. Es gibt jetzt zum Beispiel Strophen, bei denen die Rhythmus-Gitarre überhaupt nicht spielt. Das sucht man bei den letzten Platten vergeblich. Das fällt sicher nicht jedem auf, aber ich glaube, man fühlt den Unterschied. Der eine wird sagen, er findet das poppig, der andere sagt, es sei überhaupt nicht mehr hart. Aber das sind dann eben die Symptome, die da entstehen.
Torben: Es gab jetzt aber nicht den einen Moment, an dem wir gesagt haben, wir machen das jetzt so. Das war ein Prozess und der ist einfach so passiert. Denn wir haben niemanden in der Band, der sagt "Ich habe einen Song und der ist fertig arrangiert und den spielt ihr jetzt so." Und das ist auch gut so.
GL.de: Natürlich ist das neueste Album immer das beste. Aber gibt es so eine Sache, auf die ihr ganz besonders stolz seid?
Deniz: Ich bin stolz darauf, dass wir es hinbekommen haben, etwas zu verändern. Ich hab das Gefühl, obwohl wir die selben Menschen mit den selben Instrumenten sind, dass wir es geschafft haben, ein Stück aus unserem Hamsterrad heraus zu treten. Wobei Hamsterrad jetzt ein doofes Wort ist. Aber uns gibt es jetzt halt auch schon etwas länger und da weiß man, was funktioniert. Man weiß, wie man schreiben kann, wie man spielen kann, was cool ist und was funktioniert, damit der Song Druck hat. Und sich jetzt dem ureigenen Instinkt zu widersetzen und zu sagen "Okay, wir probieren jetzt ein Lied zu machen, bei dem man aus der Ruhe die selbe Menge an Energie arrangiert und eben nicht versucht, alles platt zu walzen, aber trotzdem spannend bleibt." Und das haben wir hinbekommen. Und das ist gar nicht so einfach. Da haben wir auf jeden Fall einen Schritt gemacht. Und jeder, der das Gegenteil behauptet, kann sich verpissen.
Torben: Und vor allem wir das als Band geschafft, mit Gitarre, Bass und Schlagzeug und ohne Orchester oder so.
Paul: Hätten wir mehr Zeit und Geld gehabt, hätte es natürlich ein Orchester gegeben.
GL.de: Glaubt ihr, dass ihr diese Platte vor sieben, acht, neun Jahren gut gefunden hättet?
Warten. Die Band überlegt.
Rasmus: Das ist tatsächlich eine Frage, die ich mir schon gestellt habe.
Pause
Rasmus: Ich glaube...
Pause
Rasmus: Vielleicht. Wahrscheinlich. Eventuell.
Pause.
Rasmus: Doch, ich glaube schon. Es ist ja auch eine logische Konsequenz aus dem, was wir bisher gemacht haben. Man war sich seinen Grenzen ja schon sehr bewusst und ist das auch heute noch, aber vielleicht hätte man sie damals als zu langsam empfunden. Weil man ja noch jung und ungestüm und ziemlich blasiert war. Und weil man einen schlechteren Musikgeschmack hatte als heute.
Deniz: Die erste Kettcar-Platte ist jetzt zehn Jahre her, oder? Dann ja, dann hätte ich unsere Platte auf jeden Fall gemocht.
Rasmus (zu mir): Wenn du jetzt deine Schlüsse daraus ziehst...
Torben: Der Unterschied aber ist, dass wir sie vor acht Jahren nicht hätten schreiben können.
Deniz: Ne! Die letzte Platte hat mir als Songwriter gezeigt, wo meine Schwächen sind. Und mit den Schwächen habe ich mich auseinander gesetzt und darum wäre das so nicht möglich gewesen.
GL.de: Wann und wie sollte man sich eure Platte anhören?
Rasmus: Man sollte schon schlecht gelaunt sein. Jetzt wirklich ohne jeglichen Zynismus gesagt. Das ist schon besser. Das Absurde ist ja, dass es tatsächlich Leute gibt, die die Musik, wie wir sie machen, zum Beispiel gerne zum gemeinschaftlichen Frühstück mit der Freundin hören. Und das finde ich genau wie das verliebte Gestehe auf den Konzerten ziemlich absurd und frage mich dann: "Was müsst ihr für ein furchtbares Leben führen, dass ihr euch davon erfreut fühlt?" Musik dieser Art höre ich persönlich am liebsten alleine im Ohrensessel. Den ich tatsächlich habe. Auf jeden Fall Vorhänge zu und abends nicht mehr weggehen. Dann ist das die richtige Stimmung. Und jetzt bitte die anderen.
Torben: Ich hab's neulich beim Sport gehört. Und ich find Sport voll scheiße, vor allem auf so einem Laufrad, aber damit kriegt man die Zeit echt gut mit rum.
Deniz: Live. Also kommt zu unseren Konzerten!