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BOB MOULD
 
"Nie war ich mir der Wirkung meiner Arbeit bewusster"
Bob Mould
Wenn Bob Mould in der ersten Novemberwoche für zwei Konzerte in Berlin und Köln zu uns kommt, hat der inzwischen in San Francisco heimische Alternative-Rock-Vorreiter nicht nur seine knackige Rhythmusgruppe mit Bassist Jason Narducy und Drummer Jon Wurster dabei, sondern auch sein diesen Sommer veröffentlichtes Album "Beauty & Ruin", mit dem er nahtlos an den gefeierten Vorgänger "Silver Age" von 2012 anschließt. Mehr noch, so sehr wie auf der neuen Platte hat der inzwischen 54-jährige Gitarrist und Sänger als Solist noch nie wie seine legendären Bands Hüsker Dü und Sugar geklungen. Gaesteliste.de traf den bestens gelaunten Musiker im Büro seiner Plattenfirma in Berlin.
GL.de: Bob, wie geht's?

Bob Mould: Es geht mir richtig gut! Ich bin sehr dankbar dafür, immer noch ein Publikum zu haben, gerade wenn man bedenkt, dass ich über die Jahre viele verschiedene Phasen durchlaufen habe. Es waren echte Highlights dabei, aber manchmal wurde meine Arbeit auch kaum wahrgenommen. Aber das gehört dazu, das ist alles Teil meiner Geschichte. Im Moment befinde ich mich in einer der Phasen, in der mir sehr viele Leute zuhören. Das setzt mich immer auch ein wenig unter Druck. Wenn das Publikum größer ist, steigen auch die Erwartungen und ich muss mehr arbeiten, was dazu führt, dass ich kaum noch Freizeit habe, und ein Stück weit gibst du damit dein Privatleben auf. Allerdings findet sich letztlich immer eine Balance, und ich will mich auch nicht darüber beschweren, dass es in den letzten paar Jahren so gut für mich gelaufen ist. Im Gegenteil, das macht mich sehr glücklich.

GL.de: Wenn du vom inzwischen stetigen Auf und Ab sprichst: Gab es einen Punkt, an dem dir bewusst wurde, dass das einfach der Lauf der Dinge ist, oder hattest du irgendwann mal Angst, nicht zurückzukommen?

Bob Mould: Das erste Mal, dass du das erreichst, was du für die Talsohle hältst, ist natürlich heftig. Es ist schon interessant, wenn du zum ersten Mal feststellst, dass dein Publikum schwindet. Dann schaust du dir alles, was zuvor geschehen ist, ganz genau an und fragst dich: War die Musik nicht gut genug? War sie einfach falsch für den jetzigen Zeitpunkt? Lag es an den Leuten, mit denen du zusammengearbeitet hast? Oder vielleicht alles zusammen und noch mehr? Letztlich bleibt dir nichts anderes übrig, als weiter Musik zu machen, und irgendwann werden sich die Dinge wieder zum Guten wenden. Natürlich kenne ich auch Leute, die abgestürzt sind und sich nicht wieder bekrabbelt haben. Dass ich gleich mehrfach zu Boden gegangen bin und trotzdem wieder aufstehen konnte, ist schon ziemlich krass (lacht).

GL.de: In den letzten drei Jahren hast du dich viel mit deiner Vergangenheit beschäftigt. Zwei deiner besten Platten, "Workbook" und Sugars "Copper Blue", wurden wiederveröffentlicht und von dir in Gänze auf die Bühne gebracht, du hast eine Autobiografie geschrieben und dir zu Ehren wurde ein mit Alternative-Stars gespicktes Tribute-Konzert veranstaltet. Bist du froh, damit gewissermaßen reinen Tisch gemacht zu haben und jetzt wieder neu durchstarten zu können?

Bob Mould: Ja, der Blick zurück hat mir eine neue Perspektive gegeben. Die Autobiografie hat mich zweieinhalb Jahre beschäftigt, von September 2008 bis März 2011, das war ein Haufen Arbeit. Toll war allerdings, auf der Lesereise direkt mit dem Publikum sprechen zu können und die Geschichten der Leute zu hören. Manche kamen zu mir und sagten, dass sie durch das, was ich im Buch geschrieben habe, sich selbst besser verstehen, weil sie ganz Ähnliches durchgemacht haben. Mit eigenen Augen zu sehen, was meine Arbeit bewirkt, war großartig. Das Tribute-Konzert in der Disney Hall in Los Angeles hatte einen ähnlichen Effekt. Nie war ich mir der Wirkung meiner Arbeit bewusster als heute.

GL.de: Dazu muss man aber vermutlich auch mit sich selbst im Reinen sein. Wie bist du an den Punkt gekommen?

Bob Mould: Ich weiß... ich denke... Ich suche gerade nach einer Möglichkeit, das "comfort level" richtig in Worte zu fassen, aber das ist nicht so einfach. Ich weiß ehrlich nicht, wie ich das beantworten könnte. Ich bin nicht sicher, was sich geändert hat, mal abgesehen davon, dass ich älter geworden bin, was definitiv alles verändert (lacht).

GL.de: Damit wären wir dann bei deinem neuen Album, auf dem es nicht zuletzt ums Älterwerden, um Verlust und das Finden eines Platzes in der Welt geht. Der Ausgangspunkt war der Tod deines Vaters im Oktober 2012?

Bob Mould: Ja. Mein Vater war derjenige, der mich zur Musik gebracht hat. Ich habe fast ein Jahr gebraucht, seinen Tod zu verarbeiten. Während der gesamten Zeit war ich auf Tour für mein letztes Album, "Silver Age", und eigentlich sollte das eine triumphale Angelegenheit sein, aber die ganze Zeit gab es da etwas, dass ich nicht rausgelassen habe. Zu arbeiten war gut. Das ist immer therapeutisch. Richtig in mir zu brodeln begann es ungefähr ein Jahr nach seinem Tod, als wir gerade die neue Platte in Angriff nahmen. Da war der erste Jahrestag seines Todes und um die Zeit habe ich auch noch Geburtstag - da kamen Emotionen hoch, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Glücklicherweise war ich in der Lage, das in meiner Arbeit zu kanalisieren. Der Song "The War" handelt davon. Er ist die Antwort auf "Hardly Getting Over It" (das Hüsker Dü-Stück von 1986) - das ist eine sehr lange Geschichte!

GL.de: Du hast das Stück bewusst ans Ende der ersten Seite der LP gesetzt. Als wir uns das letzte Mal gesprochen haben, hast du erwähnt, dass du kein großer Vinyl-Freund bist und noch nicht einmal mehr CDs kaufst, weil es so leicht ist, sich alles digital zuzulegen. Ist "Beauty & Ruin" die erste Platte, bei der du die Reihenfolge wieder mit zwei Albumseiten im Hinterkopf zusammengestellt hast?

Bob Mould: Nein, das habe ich nie aufgegeben. Die meisten meiner Platten funktionieren nach dem gleichen Muster. Song 3 ist die Single, das letzte Lied der ersten Seite ist das Herzstück der Platte und das Schlussstück fasst alles noch einmal zusammen und endet oft mit einem Cliffhanger.

GL.de: "Beauty & Ruin" ist kein Konzeptalbum, ist aber dennoch in vier Abschnitte geteilt, die von einem roten Faden zusammengehalten werden...

Bob Mould: Ich mag es, wenn die Stücke wie von einem Bilderrahmen zusammengehalten werden. Anfangs hatte ich vier Themen, vier Bilder, und ich fragte mich, wie ich die wohl zusammenbringen könnte. Man braucht viel Kunstfertigkeit, um eine gute Geschichte zu erzählen, und indem ich mir selbst ein paar Regeln vorgebe, schaffe ich mir selbst eine Struktur, an der ich mich entlanghangeln kann. Das hilft mir, fertig zu werden. Das ist ein bisschen so, als wenn du mit einem Stoffballen zum Schneider gehst und einen Anzug bestellst. Wenn du ihm nichts vorgibst, kann passieren, dass du zurückkommst und der fertige Anzug ganz und gar nicht so aussieht, wie du es dir vorgestellt hast. Ein paar Leitfäden sind wichtig.

GL.de: Bei "Hey Mr. Grey" gibt es eine kleine textliche Verbeugung vor den just reformierten Replacements, die ja einst der gleichen Szene entsprangen wie Hüsker Dü. Wie kam es dazu?

Bob Mould: Die Worte fielen mir einfach aus dem Mund, als ich den Text schrieb. Das geschah vollkommen ohne Hintergedanken. Sobald ich "The kids don't follow, the kids don't lead" gesagt hatte, war mir natürlich klar, was ich da getan hatte, und es gab einfach kein Zurück mehr. Einen Monat, bevor ich die neue Platte aufnahm, hatte ich auf dem gleichen Festival gespielt wie sie. Das war damals ihre große Comeback-Show. Sie waren an diesem Abend sehr herzlich. Eigentlich wollten sie niemanden hinter der Bühne sehen, aber ihr Manager kam zu uns und sagte: "Paul (Westerberg) hat gesagt, wenn ihr beim Auftritt die ersten 30 Minuten am Bühnenrand stehen wollt, ist das okay - auch wenn wir das normalerweise nicht zulassen." Also bin ich zusammen mit Jon losgezogen und weil auch Craig Finn (von The Hold Steady) auf dem Festival war, sagten wir: "Hey Craig, komm mit uns!" und haben uns wie kleine Jungs über den Auftritt gefreut. Die Replacements waren sehr, sehr gut an dem Abend und es freut mich wirklich, dass sie gemeinsam so viel Spaß haben.

GL.de: Aufgenommen hast du die Platte mit deinen beiden langjährigen Begleitern Jason und Jon in Steve Albinis Electrical Audio Studio. Das war aber fast schon Zufall, richtig?

Bob Mould: Wir sind in Chicago gelandet, weil Jason dort wohnt. Er hat Kinder und wollte während der Aufnahmen zu Hause sein. Außerdem geht es natürlich immer darum, das richtige Studio für die Art von Platte zu finden, die dir vorschwebt. Albinis Studio hat große Räume und einen "großen" Schlagzeugsound. Jon hatte zuvor dort schon aufgenommen und war begeistert von der Akustik, und auch unser Tontechniker Beau Sorenson aus Portland, Oregon, mochte das Studio, die Leute vor Ort und das Equipment, insofern fiel uns die Entscheidung sehr leicht.

GL.de: Praktisch allen Hörern ist das rasante Tempo vieler Songs aufgefallen. Hat dich das
selbst auch ein bisschen überrascht?

Bob Mould: Ein wenig schon! Einschränkend möchte ich allerdings sagen, dass auf jeden schnellen Song ein langsamerer folgt. Das Ganze soll eine Achterbahnfahrt sein. So sehr ich "Silver Age" mag - dass die Lieder 6, 7, 8 alle das gleiche Tempo haben, wurmt mich im Nachhinein schon ein wenig. Da habe ich für eine Sekunde nicht aufgepasst. Deshalb war es mir bei der neuen Platte besonders wichtig, sie so dynamisch wie möglich zu gestalten.

GL.de: Die Tour zum Album wird dich die nächsten Monate beschäftigen - und dann?

Bob Mould: Ich habe mir noch keine konkreten Gedanken gemacht, was danach passieren wird. Ich spiele mit dem Gedanken, mich an eine wirklich große Geschichte heranzuwagen und mir dafür ein bisschen mehr Zeit zu nehmen. Außerdem werde ich seit Jahren immer mal wieder gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, an Soundtracks zu arbeiten. Das ist ein sehr komplizierter Job, der viel Zeit verschlingt, deshalb kam das für mich nie infrage, solange ich ständig auf Tour war. Es gibt durchaus noch Dinge, die ich gerne noch ausprobieren möchte. Ich habe auch die Arbeit an den elektronischen Sachen immer sehr genossen und das DJ-ing. Die Clubnacht "Blow off" gibt es inzwischen nicht mehr, vielleicht kommen wir später noch mal darauf zurück, aber ich lege immer noch hier und da auf. Ich mag es auch weiterhin, solo aufzutreten, vor allem, um neue Songs auszuprobieren. Ich versuche einfach, so aktiv wie möglich zu sein, solange es mir meine Gesundheit erlaubt - nicht, dass ich vorhabe, krank zu werden -, aber wer weiß, wie lange ich noch die Energie habe, all das hier zu machen!

Weitere Infos:
www.bobmould.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
Bob Mould
Aktueller Tonträger:
Beauty & Ruin
(Merge Records/Cargo)
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