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EX HEX
 
"Wir wollen Spaß haben!"
Ex Hex
Mary Timony ist schon immer eine gleichermaßen inspirierte wie inspirierende Musikerin gewesen. So viel Spaß wie mit ihrem neuen Power-Trio Ex Hex hatte die Dame aus Washington DC aber noch nie. Zusammen mit Drummerin Laura Harris und Bassistin Betsy Wright schrubbt sie auf der LP "Rips" 13 kurze, oft halsbrecherisch schnelle Riff-Rocker herunter, die sich mit frechen Texten und großartigen Gitarrensoli irgendwo zwischen rotzigem Punk und majestätischem Power-Pop einsortieren und das Publikum 35 ungemein kurzweilige Minuten glauben lassen, es sei wieder 1982. Hier folgt Hit auf Hit - und am Ende kann man die Platte gar nicht schnell genug wieder von vorne spielen! In Großbritannien wurde "Rips" bereits als "Luftgitarrenalbum des Jahres" bezeichnet, und besser kann man diese sensationelle Platte wirklich nicht beschreiben.
Der wohl größte Trumpf von Ex Hex ist die Unbekümmertheit, die auf ihrem Erstling allgegenwärtig ist. Ein bisschen überraschend ist das schon, schließlich war Mary Timony bislang vor allem für Musik mit Köpfchen bekannt. Vor fast 25 Jahren machte sie mit ihrer kantigen ersten Band Autoclave den Weg frei für die Riot Grrrls, mit Helium vereinte sie Kunst, Anspruch und Indierock und mit der leider nach nur einer fantastischen LP auf Eis gelegten Supergroup Wild Flag entdeckte sie nach Jahren als Solistin die Freude an der Kollaboration neu. Bei Ex Hex, das hört man dem Debüt der Band bei jedem einzelnen Ton an, steht dagegen die pure Freude am Musikmachen im Mittelpunkt. Das bestätigt auch Mary, als wir sie während der laufenden US-Tournee ihrer Band im Kleinbus irgendwo auf dem Highway zwischen Kansas City und Denver erwischen. "Wir versuchen gar nicht erst, ein großes, bedeutsames oder verrücktes künstlerisches Statement abzugeben", erklärt sie. "Wir konzentrieren uns einfach darauf, Songs zu schreiben, die wir lieben, die Art von Liedern, die wir gerne in einer Jukebox finden würden, um dazu tanzen zu können. Das soll nicht heißen, dass sie keine Bedeutung haben, denn natürlich sind sie uns sehr wichtig, aber vor allem wollen wir Spaß haben und musikalisch die Sau rauslassen."

Zum bisweilen willkommen ruppigen Sound von Ex Hex passt es, dass die Band anfangs in der Garage eines Punkrock-Typen in Maryland probte, in der es laut Mary weder eine Toilette, geschweige denn eine Heizung gab. Dort spielte die inzwischen 44-jährige Sängerin und Gitarristin erstmals mit Laura Harris (zuvor bei Aquarium am Schlagzeug) zusammen, und als sie kurz darauf hörte, dass die frühere Fire-Tapes-Bassistin Betsy Wright von Virginia nach DC zurückkehren würde, waren Ex Hex ohne langwierige Auditions und nervenaufreibende Besetzungswechsel schnell komplett. Bislang wurden die teilweise noch aus Wild Flag-Zeiten stammenden Songs ausschließlich von Mary geschrieben, für die Zukunft setzt die Band allerdings auf echte Gruppendynamik.

Auf der Platte verarbeitet die Frontfrau erstmals ungefiltert Einflüsse, die sie schon sehr lange begleiten. Ihr Bruder war ein großer Fan von dem, was sich heute Classic Rock schimpft, und die 70er-Jahre-Stones haben auf "Rips" genauso deutlich Spuren hinterlassen wie Blondie und Wire, auf die Mary Ende der 80er durch ihre Autoclave-Mitstreiterin Christina Billotte aufmerksam wurde. Doch auch wenn die Basis für "Rips" all die Jahre schon vorhanden war, glaubt sie nicht, dass sie diese Platte schon viel früher hätte aufnehmen können. Erst mussten all die anderen Ideen und Inspirationen verarbeitet werden, die der in der Punk- und Hardcore-Szene DCs groß gewordenen und an der Duke Ellington School of Arts klassisch ausgebildeten Musikerin im Kopf herumschwirrten. Außerdem ist Mary heute schlichtweg glücklicher. "Genau so ist es! Ich weiß auch nicht - ich habe einfach nichts mehr in meinem Leben, über das ich mich beschweren könnte", gesteht sie lachend. "Ich brauche im Moment einfach keine traurige Musik!"

Dennoch ist unbestreitbar, dass Unglück eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste Motivation für viele Künstler ist. "Das stimmt", nickt Mary. "Deshalb haben wir uns eine andere Art von Inspiration gesucht, nämlich, die bestmöglichen Songs zu machen. Früher war für mich oft der Weg das Ziel, bei Ex Hex geht es uns dagegen in erster Linie um das fertige Produkt. Wir haben die Songs wieder und wieder in meinem Keller aufgenommen, haben Parts eliminiert, die nicht funktionierten, und andere herumgeschoben, und außerdem war es uns superwichtig, die Songs bestmöglich zu entschlacken. Früher waren meine Platten oft ein Statement zu meinem emotionalen Zustand, dieses Mal stand das Handwerkliche viel stärker im Vordergrund. Wir haben uns ständig gefragt, wie die fertigen Songs sich auf der Platte anhören würden."

Mit klaren Ideen im Kopf machte sich das Damen-Trio auf den Weg nach North Carolina, wo im Studio von Produzentenlegende Mitch Easter die Basisspuren für Bass und Schlagzeug aufgenommen wurden, bevor die Platte dann in Marys eigenem Kellerstudio in DC vollendet wurde. "Mitch war ein wichtiger Teil der Aufnahmen, aber für die eigentliche Produktion waren wir selbst, gemeinsam mit Jonah Takagi, verantwortlich", unterstreicht Mary. "Gemischt wurde die Platte dann von Bobby Harlow, der in der Band Go gespielt hat, der auch Jack White kurzzeitig angehörte. Ich bin nicht sicher, wie viel davon in Deutschland ankommt, aber er steckt hinter einer Menge der Aufnahmen auf Burger Records. Er hatte maßgeblichen Anteil am Sound unserer Platte."

Einen echten Auslöser für ihre Hinwendung zum simplen Rock'n'Roll-Sound kann Mary nicht benennen. Dass sie durch die gemeinsame Arbeit mit Carrie Brownstein, Rebecca Cole und Janet Weiss bei Wild Flag zu einer besseren Songwriterin geworden ist und inzwischen lediglich das Standard- anstatt das zuvor von ihr bevorzugte Drop-D-Tuning benutzt, hat aber sicherlich zu der Kurskorrektur beigetragen. Auch ihr Day-Job als Gitarrenlehrerin hat seine Spuren hinterlassen. "Den Kids Songs von Queen, den Beatles und den Rolling Stones beizubringen, hat mich sicherlich beeinflusst", gesteht sie lachend. Dass sie beim Unterrichten einen anderen Teil ihres Gehirns benutzen muss, empfindet sie als wohltuenden Ausgleich zu ihrer kreativen Arbeit. "Mir gefällt es, zu den Kids eine Verbindung aufzubauen. Außerdem es ist ziemlich aufregend zu sehen, wie viel Enthusiasmus sie für die Gitarre im Speziellen und die Musik im Allgemeinen mitbringen", verrät sie. "Ich empfinde es als bereichernd, ihnen dabei zuschauen zu können, wie ihre Begeisterung für die Musik wächst."

Auch in Mary brennt das kreative Feuer immer noch lichterloh. Ganz besonders die Live-Auftritte mit ihren beiden Mitstreiterinnen machen sie derzeit glücklich. Dieser Tage sind Ex Hex auf ihrer zweiten ausgiebigen USA-Tournee unterwegs, im Februar wird das explosive Trio auch in Deutschland und der Schweiz auftreten. Zudem ist Mary inzwischen klar, dass die Musik für sie eine Lebensaufgabe ist. "Ich habe zwischenzeitlich versucht, die Musik an den Nagel zu hängen, aber das hat mich nur noch unglücklicher gemacht", sagt sie über die zweijährige Auszeit, die Wild Flag vorausgegangen war. "Ich bin immer wild darauf, zu spielen. Das ist einfach das, was ich tun muss!"

Weitere Infos:
exhexband.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Jonah Takagi-
Ex Hex
Aktueller Tonträger:
Rips
(Merge Records/Cargo)
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