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MIA AEGERTER
 
Songs zum Innehalten
Mia Aegerter
Eigentlich hätte es sich die seit einigen Jahren in Berlin lebende und arbeitender Schweizerin Mia Aegerter einfach machen können - und zum Beispiel ein weiteres Pop-Album mit Mundart-Texten herausbringen können, wie sie es zuvor schon vier Mal erfolgreich durchexerziert hatte. Aber das wurde ihr dann irgendwann zu doof. Immer wieder das Gleiche zu machen und dabei irgendwelchen Erwartungshaltungen und Erfolgsdrücken hinterherzulaufen war dann doch nicht ihr Ding. Außerdem kann man Pop-Musik ja auch für andere machen (zum Beispiel als Songwriterin für Kollegen wie Max Giesinger oder Yvonne Catterfeld) und da sie zugleich begann, eigene Gedichte zu schreiben, die im Herbst auch als Buch veröffentlicht werden sollen, lag es auf der Hand, musikalisch und konzeptionell mal etwas neues zu wagen. Das nun vorliegende Album "Nichts für Feiglinge" markiert nun Mias Debüt als Songwriterin - und zwar auf "schriftdeutsch", wie man in der Schweiz das Hochdeutsche ohne Dialekt-Beigabe nennt. Zusammen mit Produzent Martin Fliegenschmidt als Produzent in Berlin und dem ehemaligen Lunik-Musikanten Luk Zimmermann, der das Werk in Bern abmischte, schlug Mia ein neues Kapitel in ihrer Laufbahn auf, die sie dereinst übrigens auch als Schauspielerin begann.
Nutzt diese Erfahrung als Schauspielerin eigentlich beim Musizieren - zum Beispiel was die Präsentation des Materials betrifft? "Ich glaube, es kommt immer auch ein bisschen drauf an, wie man als Schauspielerin arbeiten kann", meint Mia, "denn man kann sich da manchmal auch wahnsinnig gut ausdrücken. Aber ich würde unterstreichen, dass ich als Singer-Songwriterin schöpferisch tätig sein kann und meine eigenen Gedanken zum Ausdruck bringen kann - weil ich alles selber schreibe - während ich als Schauspielerin Texte vortragen muss, die von anderen geschrieben worden sind. Was die Darstellung auf der Bühne betrifft, arbeite ich sehr authentisch. Damit meine ich, dass alles, was ich schreibe, vorher eine Weile in mir gegärt haben muss, damit es eine Relevanz bekommt und ich versuche dann das auf der Bühne auch absolut ehrlich und wahrhaftig darzustellen - ohne eine Rolle zu spielen." Wie gesagt ist "Nichts für Feiglinge" das erste hochdeutsche Album Mias - das zudem musikalisch auch noch eine ganz andere Richtung nimmt, als ihre poppigen Mundart-Scheiben. Warum gibt es das erst jetzt und gerade jetzt? "Das hat sich bei mir so entwickelt, als ich vor sechs Jahren erneut nach Berlin gezogen bin, nachdem ich zuvor schon ein Mal hier lebte, und dann erst ein Mal anfing für andere Leute Songs zu schreiben, weil ich mich in meiner eigenen Musik nicht mehr wohlgefühlt habe. Ich habe mich musikalisch und textlich weiterentwickelt. Dann habe ich angefangen auf hochdeutsch zu schreiben, weil die Leute in meinem sozialen Umfeld nicht mehr verstanden haben, was ich auf Mundart singe. Und dann habe ich mich in der deutschen Sprache auch total wohl gefühlt - auch weil ich angefangen hatte, Gedichte zu schreiben - wobei man sich in einer Sprache ja regelrecht austoben kann." Nun schreibt Mia aber nicht einfach Texte in der Art, wie das vorher tat, sondern hat sich eine Gemengelage zu recht gelegt, in der sie mittels pfiffiger Wortspielereien und inhaltlicher Wendungen, persönliche Erlebnisse und Erkenntnisse auf amüsante und nachvollziehbare, aber keineswegs alberne Art in einem auch musikalisch ziemlich seriösen Setting zu Gehör bringt. Der Hörer jedenfalls dürfte Mias Songs mit einem breiten Grinsen goutieren. "Was? Wieso das denn?", wundert sich Mia, "ich habe von vielen Leuten das Feedback bekommen, dass die Musik eher melancholisch ist und die Themen zum Teil ganz schön schwer sind. Dann ist es ja richtig schön, dass du auch grinsen kannst dabei." Wie wichtig ist denn Humor für Mia? "Sehr", grinst sie jetzt selber, "Humor ist ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens - und am liebsten auch schwarzer Humor."
Mias Landsfrau, Sophie Hunger, schreibt ja auch Songs auf schriftdeutsch - aber nur sehr wenige, weil sie meint, dass das Schreiben in der Muttersprache zu den schwierigsten Aufgaben überhaupt gehöre, weil man da einfach nicht schludern dürfe. Wie sieht Mia das denn? "Also für mich ist Sprache Mittel zum Zweck - gerade auch, weil du Sophie Hunger erwähnst", meint Mia, "ich liebe es nämlich auch in verschiedenen Sprachen zu schreiben. Vielleicht ist das auch etwas Schweizerisches, dass wir einen natürlichen Umgang damit haben. An der deutschen Sprache liebe ich, dass ich mich eben darin auskenne. Da kann ich Wortwitze machen und mich da völlig reinknien, was mir im Englischen nicht möglich ist, weil mir da die umgangsprachlichen Ausdrücke fehlen. Deswegen blühe ich in der deutschen Sprache richtig auf und kann auch gerne mal einen ganzen Tag über einen einzelnen Reim nachdenken - da bin ich schon sehr kopfig. Mein Anspruch war es, auf der Scheibe dabei zu emotionalisieren, so dass die Musik ins Herz geht, aber für die die nachdenken wollen, auch noch etwas in den Kopf geht." Was ist denn dann die Herausforderung beim Song-Schreiben? "Die größte Herausforderung ein relevantes Thema zu finden - wie z.B. bei dem Song 'Schwarzer Fleck', in dem es um Depressionen geht - und dieses in Musik zu verpacken, so dass es transportiert werden kann. Dabei habe ich ziemlich lange gebraucht, eine Sprache zu entwickeln, die zugleich poetisch wie direkt ist. Ich finde es langweilig, wenn man allgemeine Themen aufgreift und dann auch noch an der Oberfläche schwabbert." Das funktioniert wohl am besten bei persönlichen Themen? "Ich kenne nur persönliche Themen", überlegt Mia, "nicht, dass alles 1:1 von mir gelebt wurde, aber entweder berührt es mich oder es ist eine Kombination zwischen meiner Gefühlswelt und meiner Beobachtung."
Mia Aegerter
Musikalisch ist die Scheibe vollkommen anders ausgerichtet als Mias bisherige Arbeiten. Es gibt ein relativ übersichtliches Setting, in dem der Klang der Instrumente ohne große Effekte oder produktionstechnische Gimmicks als solcher im Raum stehen darf. Was war denn hier die Motivation? "Das Ziel war auch musikalisch ehrlich, direkt und wahrhaftig zu sein", führt Mia aus, "ich habe mich dabei von Künstlern wie Johnny Cash oder Nick Cave inspirieren lassen. Ich habe mir auch Dokumentationen über Rick Rubin angeschaut. Und immer wenn ich selbst in die Gefahr geriet, musikalisch gefallen zu wollen, habe ich mich auf diese Inspirationen bezogen. Ich habe nämlich irgendwann gemerkt, dass das, was in mir drinnen passiert und das, was ich nach außen darstellte, nicht mehr zusammen passte. Ich bin mehr oder weniger bewusst in einer Pop-Welt groß geworden - bin aber eigentlich ein sehr nachdenklicher Mensch, der sehr zurückgezogen lebt und das hat irgendwann nicht mehr gepasst. Und dann habe ich gemerkt, dass diese Leute - also Cash, Cave und Rubin - nicht gefallen wollen. Die sind ganz brutal ehrlich und mutig und das habe ich auch versucht." Und wie geht sowas? "Ich habe zum Beispiel den Gesang bei mir zu Hause alleine um drei Uhr Morgens in der Besenkammer aufgenommen - immer dann, wenn es passte, und nicht dann, wenn ein Termin anstand." Galt das auch für die Produktion? "Ja - das Album hat ja Martin Fliegenschmidt produziert", berichtet Mia, "er hat den Song 'Schwarzer Fleck' genommen, weil ihn dieser am meisten inspirierte und dann diese Klang-Setting entwickelt. Ich habe von allen Songs erst mal ein Demo gemacht und dann haben wir angefangen, die Produktion zu machen und darauf sind dann die Vocals aufgesungen worden. Es gibt aber auch Momente, die ich zu Hause alleine aufgenommen habe, die wir dann gleich genommen haben, weil sich der Effekt, den ich zu Hause erzielt habe, nicht mehr reproduzieren ließ." Wie bei einer Theateraufführung, also? "Ja, richtig - so habe ich das zwar noch nicht gesehen, aber es geht in die Richtung."

Das Ergebnis ist dann zweifelsohne eine Scheibe, die direkter, authentischer und greifbarer rüberkommt, als praktisch alle vergleichbaren Produktionen aus der aktuellen Deutschpop-Szene. Was hat Mia denn musikalisch inspiriert? "Ich persönliche höre viel Indie-Musik oder Künstler wie Feist oder Agnes Obel und ich habe das Gefühl, dass ich in Deutschland niemand finde, den ich gerne hören will - weil mir vielleicht die Texte gefallen, dann aber das musikalische Gewand nicht so ist, wie ich das geil finde. Ich lasse mich aber auch von Menschen und Biographien und Literatur inspirieren und dann versuche ich etwas Kreatives aus mir herauszubringen und das hört sich dann eben so an." Und was zeichnet einen guten Song dabei aus? "Der muss irgendetwas mit mir machen, das mich wegträgt - aus dem normalen Leben heraus - und mich kurz mal innehalten lässt. Das finde ich spannend. Und vom Handwerklichen her ist es natürlich gut, wenn er originell ist, einen guten Text hat, eine gute musikalische Umsetzung und so weiter..." Ist das die Richtung, in der Mia auch in Zukunft weiterarbeiten will? "Das kann ich noch nicht sagen, weil ich nicht in die Zukunft blicken kann, aber ich denke, der Weg fühlt sich schon sehr sehr gut an für mich. Ich werde auf jeden Fall nicht mehr zurück in diese Pop-Welt zurückkehren. Ich will Atmosphäre erzeugen und Menschen berühren - weil mich das einfach selbst glücklich macht." Der Weg ist also das Ziel? "Ja, ich finde es wichtig mich weiterzuentwickeln", meint Mia, "ich verurteile es zwar nicht, aber ich finde es komisch, wenn Leute immer das Gleiche machen. Wenn man Musik macht, dann verändert sich doch auch die Musik mit einem, oder nicht? Maler malen ja auch nicht immer das Gleiche sondern haben verschiedene Phasen und das scheint mir auch vollkommen natürlich zu sein." In etwa so, wie die Musik der "neuen" Mia Aegerter. Das passt schon. Jetzt geht es erst mal darum, das Ganze auch für den Live-Vortrag aufzubereiten und dann - hoffentlich im Herbst - eine Tour auf die Beine zu stellen.

Weitere Infos:
www.miaaegerter.de
www.facebook.com/miaaegerter
twitter.com/miaaegerter
www.instagram.com/miaaegerter
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Mia Aegerter
Aktueller Tonträger:
Nichts für Feiglinge
(Sophie/edel)
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