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Interview-Archiv

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MY DARLING CLEMENTINE
 
Im Zeugenstand
My Darling Clementine
Bei einem der Interviews, die Gaesteliste.de weiland mit dem leider Ende 2011 verstorbenen schottischen Barden Jackie Leven führte, kam irgendwie das Thema auf den gemeinsamen Freund und Kollegen Jackies, Michael Weston King. Jackie meinte damals, dass er an Michael bewundere, dass dieser so wunderschön simple Songs zu schreiben in der Lage sei, obwohl er doch ein ziemlich kompliziertes persönliches Leben führe. Das war allerdings noch vor der Zeit, in der Michael zusammen mit seiner Frau Lou Dalgleish das Projekt My Darling Clementine 2012 mit der ersten Single "100.000 Words" zur Produktionsreife führte. Nun liegt mit "Still Testifying" bereits das dritte MDC-Album vor - und hier ist ein interessanter Umstand zu beobachten: Das Projekt MDC wurde von Mike und Lou dereinst als Hommage an die klassischen Duett-Alben - insbesondere der goldenen Country Ära - gegründet. Mit "wunderschön simplen Songs" ist es da nicht unbedingt getan, denn die vielschichtigen Kompositionen jenes Genres verlangen schon eine gewisse musikalische Übersicht. Und in der Tat sind insbesondere die Kompositionen auf dem neuen Werk betont vielschichtig und nicht nur in arrangementstechnischer Hinsicht deutlich komplexer geraten, als das, was Michael Weston King als geradliniger Troubadour in eigener Regie oder als Frontmann der Roots-Rock-Band The Good Sons präsentierte.
Heißt das eigentlich, dass Michaels Leben - im Umkehrschluss - heutzutage weniger kompliziert ist, als zu Jackie Levens Lebzeiten? "Also ich denke, dass mein Leben heutzutage mindestens genauso kompliziert - wenn nicht sogar komplizierter ist, als zu jener Zeit, als Jackie das sagte. Ich glaube, es war zu der Zeit meines Albums 'A Decent Man', das er für mich produziert hat. Ich durchlief damals die Nachwehen einer Trennung und dem ganzen Brassel, der damit zusammenhängt - insbesondere meine Kinder betreffend. Also es stimmt schon, dass es damals kompliziert war, aber indem ich älter werde, ergeben sich ja auch neue Komplikationen." Das Songwriting hat sich demzufolge dann aber doch geändert, oder? "Ja, das musste sich für MDC ändern", bestätigt Mike, "wenn du nämlich für zwei Stimmen schreibst, ist das schon komplexer, denn du musst sicherlich öfter die Tonlagen ändern, um die männlichen und weibliche Stimmlagen zu berücksichtigen. Und man hat zwei Erzählstränge. Nachdem ich das gesagt habe, muss ich aber auch attestieren, dass sich das Songwriting für MDC sich für uns sogar vereinfacht hat, die Arrangements von Neil Brockbank auf diesem Album aber ziemlich komplex und mit vielen Details versehen sind." Und das sind klassische Memphis-Soul-Country-Settings, wie sie dereinst von den großen des Genres - z.B. Dan Penn und Spooner Oldham - etabliert wurden.
Wie bekommt man denn ein solches "Memphis-Feeling" ausgerechnet in London stilecht hin? "Wie wir es mit allen unseren Alben gehandhabt haben - indem wir den richtigen Produzenten und das richtige Team ausgesucht haben. Das sind dann die geeignetesten Musiker - allesamt Briten, aber solche mit einer echten Liebe und dem richtigen Verständnis der Stax-, Fame-, High Tone- und Mittsechziger-Atlantic-Aufnahmen. Und das sind Musiker, die mit Ray Charles, Stevie Wonder, Ben E. King, Van Morrison, Dr. John und Doug Sahm zusammen gespielt haben. Ich glaube ja, dass viele UK-Künstler am liebsten nach Nashville rennen möchten, um dort aufzunehmen", meint Mike, "aber oft nur um dann eitel sagen zu können, dass sie dort dann aufgenommen haben. Es ist sicherlich richtig, dass dort viele großartige Studios und natürlich auch Leute dort sind - aber es wird dort auch viel mittelmäßges Zeug produziert. Ich mag es sehr, dass wir im vereinigten Königreich mit den besten britischen Musikern aufgenommen haben und dabei jenen Geist einfangen konnten, wie wir es wollten." Und dieser Geist wurde dieses Mal inspiriert von wem genau? "Delaney & Bonnie, Dan Penn & Spooner Oldham, Micky Newbury, Jim Ford, Goffin & King, Elvis, Roy Orbison - und wenn du bei 'Since I Fell For You' genau hinhörst, auch The Searchers and Helen Shapiro!" Dabei scheinen Mike auf diesem Album spirituelle Inspirationen besonders am Herzen zu liegen, oder? "Ich habe oft schon Gospel-Themen und Bezüge zum tiefen Süden verwendet", erklärt Mike, "das fing schon auf den ersten Good-Sons-Alben an. Vielleicht hängt das mit meiner Erziehung als Kirchgänger zusammen oder mit dem Umstand, dass ich das Gitarre-Spielen anhand von Gospel-Refrains erlernte. Und ich mag das Bild, das das ergibt."

Wie werden denn die Songwriter-Aufgaben zwischen Michael und Lou aufgeteilt? "Ich und sie schreiben individuell. Wenn einer von uns etwas fertig hat, dann spielen wir uns es gegenseitig vor - entweder zur Freigabe, oder um Änderungen oder Vorschläge zu übermitteln. Das führt schon mal zu heftigen Auseinandersetzungen - aber dieser Aspekt der Zusammenarbeit führt zu großartigen Ergebnissen - auch wenn man dabei durch die Hölle gehen muss, um zum Ergebnis zu gelangen." Wonach sucht die Familie Weston Kings dann in dem fertigen Song? "Eine tolle Melodie und interessante und ideenreiche Texte, die mich überraschen", erklärt Mike, "ich habe aber das Gefühl, dass heutzutage oft nicht lange genug an den Songs gearbeitet wird." Wie ist das denn zu verstehen? "Speziell auf dem Americana-Sektor gibt es zu viel Gemurmel und es fehlt auch oft eine ordentliche Melodie", führt Michael aus, "und oft sind die Texte auch durchzogen von zu vielen Klischees mit stets denselben Bildern, die immer wieder verwendet werden. Mich turnt das ab. Wenn da mal eine brillante Texterin wie Jenny Lewis daher kommt - und mit Einschränkungen auch Father John Misty - also Leute, die über verschiedene Themen aus einer ungewöhnlichen Perspektive schreiben, dann wird es auch wieder aufregend."

Wie sind MDC die Sache musikalisch angegangen - war es vorneherein klar, dass es eine Country-Soul-Scheibe werden sollte? "Wir wusstem welche Art von Sound wir wollten", erinnert sich Michael, "ich habe dann alte Aufnahmen an die Band geschickt, so dass wir eine klare Richtung hatten, als wir ins Studio gingen. Aber wie das immer so ist, wenn die Dinge organisch passieren, kann es auch schon mal Änderungen an dem Plan geben - und meist zum Besseren! Es war zum Beispiel nicht meine oder Lous Idee, 'Just A Woman' nach Burt Bacharach klingen zu lassen, sondern die des Produzenten, Neil Brockbank." Was ist Michael am wichtigsten bei dem Album? "Dass es abwechslungsreich ist", meint Michael, "es gibt einen eklektischen Mix an Stilen auf diesem Album - was ich mag - aber dennoch hört man, dass dieselben Künstler daran arbeiten, denn es wird durch unsere Stimmen zusammengehalten. Ich bin auch glücklich darüber, dass wir erneut geschafft haben, das zu erreichen, was wir uns vorgenommen haben und unseren eigenen Stil auf ein bestimmtes Genre zu applizieren - in diesem Fall eben Country-Soul."

"Still Testifiying" ist definitiv Michaels bislang amnitioniertestes Werk. Was bleibt denn da noch in der Zukunft? "Ich bin mir nicht sicher, was MDC betrifft", räumt Michael ein, "auch weil ich noch nicht über dieses Projekt hinausgedacht habe. Ich persönlich würde zum Beispiel mal gerne wieder eine laute, elektrische Scheibe machen. Sowas in der Art von Mark Lanegan oder Richard Hawley. Andererseits habe ich auch einen Stapel von ruhigen Singer/Songwriter-Songs mit einer echten Geschichte, die ich noch aufnehmen möchte. Das könnte gut ein Projekt wie 'God Shaped Hole 2' sein (ein akustisches Solo Album, das Michael in den 90ern für das Glitterhouse einspielte) - vielleicht nur mit Stimme, Gitarre oder Piano. Und ich denke, Lou könnte gut ein tolles Covers-Album machen." Wie steht Michael denn überhaupt zu Cover-Versionen? "Songs von anderen zu bearbeiten mag von vielen nicht als besonders hip angesehen werden - aber wir interpretieren diese dann ja neu", führt er aus und hat auch gleich ein Beispiel parat: "Ich weiß nicht, ob du dich an 'Welcome Home' von Peters & Lee erinnerst? Viele Leute denken, das sei ein schmalziger Song, aber ich denke, dass wir die Meinung dieser Leute durch unsere Interpretation ändern könnten. Wir hätten es fast auch schon mal aufgenommen. Es gibt viele Songs dieser Art - wie zu, Beispiel Leo Sayers 'Alone Again Naturally', das ich schon bearbeitet habe und absolut liebe."

Eine letzte Frage sei noch erlaubt: Was bezeugen My Darling Clementine denn eigentlich? "Ich bezeuge, dass ich und Lou immer noch da sind und wir unser Ding machen", meint Michael, "nämlich Musik zu machen und dabei in dieser äußerst schwierigen Industrie kreativ zu bleiben und nach vorne zu blicken."

Weitere Infos:
mydarlingclementinemusic.co.uk
www.facebook.com/mydarlingclementine.music
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Marco Bakker-
My Darling Clementine
Aktueller Tonträger:
Still Testifying
(Continental Song City/H'art)
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