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ALDOUS HARDING
 
"Ich genieße inzwischen alles viel mehr"
Aldous Harding
Die Emotionen sind echt, der Titel trotzdem eher eine Mogelpackung: Eine "Party" im konventionellen Sinne veranstaltet Aldous Harding natürlich auch auf ihrem zweiten Album nicht, aber mit PJ Harveys langjährigem Wegbegleiter John Parish am Mischpult hat die neuseeländische Ausnahme-Singer/Songwriterin ihren Sound nun mit allerlei Pianos, Orgeln, Bläsern und leise pulsierenden Beats aus der Steckdose betont dezent, aber dennoch spürbar ausstaffiert. Menschlich inzwischen viel mehr mit sich im Reinen, sind ihre Songs plötzlich nicht mehr stockfinster, büßen aber zum Glück dennoch nichts von ihrer sagenhaften Intensität zwischen kindlicher Zerbrechlichkeit und dramatischer Stärke ein. Die jubelnden Pressevertreter weltweit sind sich deshalb ungewöhnlich einig: Mit "Party" ist Harding ein ganz, ganz großer Wurf gelungen! Im August gastiert sie beim Haldern Pop Festival, im Oktober stehen weitere ausgewählte Clubshows auch in unseren Breiten auf dem Programm.
Auf ihrem selbstbetitelten Debüt hatte Aldous Harding, die eigentlich Hannah heißt, vor drei Jahren noch mit betont minimalistischen, düster-poetischen Fingerpicking-Folk-Songs und ihrer so ungemein reinen, manchmal fast verstörend hohen Singstimme bezaubert, auf ihrem zweiten Album ist nun nicht nur das musikalische Spektrum breiter, auch sonst stand der 27-jährigen Tochter der preisgekrönten Folk-Sängerin Lorina Harding dieses Mal der Sinn nach mehr Fröhlichkeit. In den ungeschliffen-dramatischen Liedern ihres Erstlings, die Harding mit ihrem damaligen Lebensgefährten Marlon Williams und Producer Ben Edwards aufgenommen hatte, hallte das Echo der großen britischen Folk-Sängerinnen der 60er wie Bridget St. John oder Vashti Bunyan nach, und im Anschluss an die Wiederveröffentlichung der Platte auf dem Kultlabel Flying Nun zog sie ungeahnte Kreise. "Das war definitiv eine Überraschung!", kommentiert Harding das weltweit positive Echo, als sie uns Ende April auf ihrer Promo-Tour aus Stockholm anruft. "Ich habe allerdings gar nicht erst versucht zu ergründen, warum das so war. Ich habe mich einfach gefreut, dass es passierte." Auch deshalb ist "Party" nun kein klassischer Nachfolger ihres Debüts, denn vom ersten Ton an wird deutlich: Der jungen Dame aus der Kleinstadt Lyttleton in der Nähe von Christchurch stand dieses Mal der Sinn nach etwas völlig anderem. "Ich möchte meine bisherigen Lieder nicht schlechtreden, aber wie viele andere Künstler auch finde ich es befriedigender, nach vorn zu schauen, zu wachsen und ganz allgemein besser in dem zu werden, was ich tue", erklärt Harding. "Ich schätze mich sehr glücklich, das tun zu dürfen, was ich mache, und ich genieße inzwischen alles viel mehr als noch vor einigen Jahren - und ja, es läuft gut für mich!"

Für "Party" hat sie deshalb die desolate Stimmung ihres entrückten Elfensounds und die bisweilen geradezu archaisch anmutende Sprache gegen eine wärmere Klangfarbe und Songs eingetauscht, die bei aller Melancholie spürbar robuster klingen und vergleichsweise opulent arrangiert sind, ohne dass ihre ungeheure Präsenz, ihr Gesang und ihr Gespür für feingeistige Metaphern je aus dem Fokus geraten. Von langer Hand geplant war all das jedoch nicht. "Ich habe es nicht darauf angelegt, diesen Kurswechsel zu vollziehen", unterstreicht sie. "Das passierte auf ganz natürliche Weise. Mich anderen Stilen anzunähern, fand ich völlig normal an, und ich freue mich schon jetzt auf zukünftige weitere Kurswechsel - solange es sich im jeweiligen Moment richtig anfühlt." Konkrete Vorbilder hatte sie auf ihrem Weg keine. "Wenn ich ehrlich bin, konzentriere ich mich lieber auf das, was ich selbst tue, anstatt mir Vorbilder zu suchen", erklärt sie. "Aber natürlich gibt es einige Musiker, die ich absolut inspirierend finde, aber ich bin derzeit so damit beschäftigt herauszufinden, in welche Richtung sich mein Songwriting entwickelt, dass ich gerade keine Favoriten benennen kann."

Ungemein wichtig bei der Entstehung war allerdings fraglos PJ-Harvey-Intimus John Parish, der ihr bei den Aufnahmen im englischen Bristol als Produzent zur Seite stand. Der erste Kontakt zwischen den beiden kam ganz zwanglos zustande. "Ein Freund von mir gab mir Johns E-Mail-Adresse, ich schickte ihm ein paar Demos und ehe ich michs versah, war ich wenige Monate später bei ihm drüben und nahm das Album mit ihm auf", erinnert sich Harding. Doch was genau sollte Parish denn einbringen die die Sessions? "Ich wollte ganz einfach, dass er John Parish in die Sessions einbringt!", erwidert sie. "Ich tauchte als Aldous Harding auf, und zusammen haben wir die Platte in die Richtung bugsiert, in die sie gehen sollte. Ich bin auch sehr glücklich mit dem Resultat. Ich würde sofort wieder mit ihm zusammenarbeiten, denn er ist ein großartiger Mensch und jetzt für mich auch ein großartiger Freund. Er ist ein guter Produzent, aber ein noch besserer Mensch!"

Obwohl Parish sich schnell zu einem engen Vertrauen für Harding entwickelte, bedeutet das nicht, dass es ihr deshalb leichtgefallen wäre, Verantwortung abzugeben. "Nee, loslassen konnte ich nicht", gibt sie unumwunden zu. "Ich war zum Beispiel auch für den kompletten Abmischungprozess dabei, um alles im Blick behalten zu können. Dennoch fielen uns die Aufnahmen sehr leicht. Wir hatten diese wirklich gute Balance, und die Momente, in denen wir gegensätzliche Ideen hatten, waren sehr selten. Es ist auf jeden Fall unser Album, denn ohne ihn hätte ich das alles nicht machen können. Ich hätte es mir allerdings nicht vergeben können, wenn ich nicht so viel Zeit mit der Musik verbracht hätte, wie ich nur irgend konnte, um die Songs richtig zu verstehen und sicher zu sein, dass wir die besten Entscheidungen für sie getroffen haben."

Auch wenn Harding bei unserem Gespräch oft schüchtern wirkt und lange über ihre Antworten nachdenken muss - dass sie als Mensch und Musikerin inzwischen viel selbstbewusster ist und viel mehr Freude am eigenen Tun hat, hört man dem beeindruckenden neuen Album praktisch bei jedem Ton an. "Ich schreibe jetzt Songs, die ich mir auch selbst gerne anhören würde", sagt sie spitz über ihren Sinneswandel. Es muss ja auch ein ziemlicher Runterbringer gewesen sein, all die traurigen Lieder ihrer Debüt-LP Abend für Abend auf die Bühne zu bringen! "Ja, da ist was dran", sagt sie und muss lachen. "Ich spiele die Songs, die ich jetzt schreibe, wirklich lieber als meine alten, nicht nur wegen des Inhalts, sondern auch, weil ich jetzt andere Genres streife und dadurch meine Stimme flexibler einsetzen kann. Das macht einfach viel mehr Spaß!" Genau diesen Spaß lässt sich Harding nicht verderben, auch wenn sie dafür einige Markenzeichen ihres ersten Albums aufgeben musste. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich die Intensität, die meine früheren Songs besessen haben, unbedingt aufrechterhalten musste. Wenn ich glücklich bin und dabei glückliche Songs herauskommen, dann ist das eben so", ist sie überzeugt und fügt lachend hinzu: "Ich verschwende keinen Gedanken daran, ob das Publikum vielleicht das Interesse verliert, wenn es plötzlich nicht mehr einer Frau dabei zuhören kann, wie sie sich selbst zerfleischt."

Trotzdem lastet inzwischen mehr Verantwortung auf Hardings Schultern. Ihren Job in einer Trockenfleischfabrik hat sie inzwischen aufgegeben, um sich ganz auf die Musik zu konzentrieren. "Die Musik ist inzwischen wirklich mein Beruf, aber das ist natürlich keine Schinderei, auch wenn es Aspekte gibt, die mir zusetzen, zum Beispiel, unterwegs ständig von meinen Liebsten getrennt zu sein. Auch Interviews zu geben empfinde ich als wirklich stressig, aber ich denke, das geht vielen Künstlern so. Das Liederschreiben und das Performen fühlt sich dagegen nicht an wie ein Job, auch wenn es letztlich einer ist." Rund 100 Konzerte auf drei Kontinenten stehen für Harding dieses Jahr auf dem Programm, aber sie weiß schon, was ihr dabei helfen wird, das durchzustehen, wie sie uns abschließend verrät: "Lavendelöl, hier und da mal ein Drink, Kaffee und Zigaretten... sehr, sehr viele Zigaretten!"

Weitere Infos:
www.aldousharding.com
www.facebook.com/AldousHarding
www.instagram.com/aldousharding
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
Aldous Harding
Aktueller Tonträger:
Party
(4AD/Beggars Group/Indigo)
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