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CHRIS BROKAW
 
Hommage ohne Worte
Chris Brokaw
Das neue Album von Chris Brokaw ist etwas ganz Besonderes: Mit nur einer Akustikgitarre und ohne Stimme covert der einst bei Codeine und Come aktive Ausnahmemusiker auf seinem brillanten neuen Album "The Hand That Wrote This Letter" zehn Songs von Prince und David Bowie und schafft es dabei mühelos, Welthits ("Ashes To Ashes", "I Would Die 4 U") wie auch Deep Cuts ("Andy Warhol", "Lady Grinning Soul") mit seinem unverkennbaren Stil an der Gitarre virtuos seinen Stempel aufzudrücken und die Lieder der verstorben Helden mit leisen Gänsehaut-Versionen aus ungewohnter Perspektive zu betrachten. Bevor er im Januar und Februar auf Europatournee kommt, um die Platte live vorzustellen, erzählte er Gaesteliste.de, wie es zu dem ungewöhnlichen Album kam, das bereits im Oktober und November 2016 unter dem noch frischen Eindruck des Todes der beiden Lichtgestalten entstand.
Die Idee zu "The Hand That Wrote This Letter" stammt im Grunde genommen gar nicht von Chris Brokaw selbst. Die Initialzündung dazu war ausgerechnet ein Auftritt des Amerikaners auf einer Hochzeitsparty. "Ich wurde gebeten, im Juli 2016 auf der Hochzeit einer Freundin in San Francisco aufzutreten", erinnert sich Brokaw, als wir ihn früh morgens daheim erwischen. "Ich fragte die Braut, was ich denn spielen sollte, und sie antwortete: 'Es wäre toll, wenn du einige Lieder von Prince und David Bowie spielen könntest.' Ich erwiderte: 'Einverstanden, aber ich werde sie nicht singen - das würden deine Gäste bestimmt nicht wollen -, aber instrumental kann ich es gerne versuchen. '" Vier oder fünf Stücke waren es auf der Hochzeit, aber als ich dann wieder zu Hause war, habe ich sie unentwegt weitergespielt. Ich entschied mich zuerst, das Ganze auf zehn Songs auszuweiten, und dann, daraus ein Album zu machen."

Während Brokaw lange Jahre ein glühender Verehrer Bowies war, lagen ihm die Prince-Songs eigentlich nicht so nah. Trotzdem hatte er keine größeren Probleme, die richtigen Lieder aus dem gigantischen Oeuvre der Musiker auszuwählen. "Das geschah ganz intuitiv", verrät er. "Wenn ich ehrlich bin, haben all diese Songs verschiedene Bedeutungen für mich, viele davon in hohem Maße persönliche. Drei der Songs habe ich erst gehört, als beide bereits tot waren, und ich empfand es als wichtig, sie einzubinden, weil es leider so oft vorkommt, dass man die großen Taten eines Künstlers erst nach seinem Tod wahrnimmt. Die Stücke sind nicht unbedingt meine Lieblingslieder der beiden, aber sie sind mir alle wichtig. Das Album ist absichtlich unvollständig, denn es ging mir vor allem um Erinnerung, die von Natur aus sehr persönlich und fehlerhaft ist."

Bei einigen wenigen Stücken liegen Akustikarrangements recht nahe, bei "Letter To Hermione" zum Beispiel, aus dem auch die Zeile stammt, die dem Album seinen Namen gibt, oder "The Man Who Sold The World", das Nirvana schließlich bereits bei "MTV Unplugged" im Programm hatten. Aber ganz ehrlich, Mister Brokaw, wie kann man Songs wie "When You Were Mine" oder "I Would Die 4 U" hören und glauben: "Ja, eine Akustikgitarre ganz ohne Stimme reicht hier völlig"? Wie ging die Auswahl vonstatten? "Das war nicht immer leicht. Einige Stücke, etwa 'Heroes', waren unmöglich allein akustisch zu spielen, und deshalb habe ich sie verworfen. Die Lieder, die nun auf der Platte sind, funktionierten einfach für mich. Wie schon gesagt: Vieles davon ist sehr persönlich und eng mit der Art verbunden, wie ich Gitarre spiele."

Feste Regeln, nach denen sich Brokaw den Songs und den Arrangements näherte, gab es nicht. "Ich wollte nicht zu viel darüber nachdenken", erklärt er. "Wie ich schon angedeutet habe: Die Platte ist kein kompletter Überblick über das Schaffen der beiden, und genau das war mir wichtig. Ich wollte kein definitives Statement zu ihnen abgeben oder dazu, wie ich zu ihrem Gesamtwerk stehe. Ursprünglich sollte es halbe-halbe sein, letztlich sind es sechs Bowie-Songs und vier von Prince geworden, weil mir Bowie einfach näherliegt. Die beiden zusammenzuwerfen, mag ein wenig willkürlich erscheinen, aber 2016 bestand zwischen ihnen eine enge Verbindung."

Über die Jahre hat Brokaw immer wieder bewiesen, dass er ein echter Meister der solo auf der Akustikgitarre gespielten Instrumentals ist, aber im Gegensatz zu seinen in der Regel wortlos angelegten eigenen Stücken verzichtete er bei diesen Coverversionen ohne Gesang auf eine wichtige Dimension der Originale. Doch das fiel ihm nicht schwer, sagt er: "Der Grund dafür ist, dass die beiden als Sänger so markant, so unverwechselbar sind. Ich möchte die Songs wirklich von niemand anders gesungen hören, mich selbst eingeschlossen. Dieses Album ist, als höre man jemanden zu den Liedern mitsummen!"

Bleibt zum Schluss die Frage, wer Brokaw in den Sinn kommen würde, wenn er das Konzept von "The Hand That Wrote This Letter" mit Coverversionen anderer Künstler fortsetzen würde. "Keine Ahnung, vermutlich aber eine ganze Menge!", sagt er schulterzuckend. "Ich hoffe allerdings, dass niemand sterben muss, um die nächste Platte auf den Weg zu bringen!"

Weitere Infos:
www.chrisbrokaw.com
soundcloud.com/chris-brokaw
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Claudia Groom-
Chris Brokaw
Aktueller Tonträger:
The Hand That Wrote This Letter
(Capitan Records/Import)
jpc-Logo, hier bestellen

 
 

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