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A CAMP
 
Perssonenkult
A Camp
Für viele Fans - und auf jeden Fall für die Medien - stand es schon lange fest: The Cardigans, Schwedens Popband mit dem größten Kuschelfaktor, das ist in erster Linie die Nina-Persson-Show. Bislang lehnte die 27-jährige Schönheit diese Art von Perssonenkult strikt ab. Bis, ja, bis sie unlängst das Album "A Camp" veröffentlichte, das Debüt ihres Soloprojekts gleichen Namens, entstanden unter prominenter Mithilfe ihres großen Helden Mark Linkous (Sparklehorse), Niclas Frisk (Atomic Swing), Mercury Revs Jonathan Donahue, Andrew Innes (Primal Scream), Kevin March (The Dambuilders) und Ninas Neu-Ehemann und Shudder-To-Think-Kultfigur Nathan Larson!
A Camp
Für den Imageberater der Cardigans dürfte das es ein mittlerer Alptraum gewesen sein: Nina, unser aller liebstes Pop-Pin-Up-Girl, erfindet sich plötzlich neu: Erst die Hochzeit mit einem amerikanischen Indierocker (Schock!), dann die Soloplatte (Grusel!) und jetzt färbt sie sich auch noch die Haare schwarz (Horror!). Doch auch, wenn es auf dem Papier vielleicht gar nicht nach einer guten Idee klingt: Für Nina ist die Rechnung voll aufgegangen. Wahrscheinlich liegt es einfach daran, daß Nina inzwischen genug Zeit hatte, sich auf das Leben als Popstar einzustellen, jedenfalls klingt das Debüt von A Camp wie eine Platte, die Nina definitiv besser repräsentiert als The Cardigans, die übrigens ebenfalls in Kürze ihre nächste Platte in Angriff nehmen werden. Egal, ob es die Alternative-Country-Anleihen à la Neil Young beim höchst ohrwurmverdächtigen "I Can Buy You" oder der großartige Paul-Westerberg-Nummer "Rock N Roll Ghost" sind, die ungewohnt harten Klänge von "Hard As A Stone" oder die niedliche Coverversion des Daniel-Johnston-Songs "Walking The Cow" - eine wirklich schöne Platte ist Ninas Solodebüt geworden! Hatte sie früher immer ein bißchen den Ruf einer unterkühlten Primadonna, präsentierte sie sich kürzlich bei ihrem Auftritt im Kölner Stollwerck genauso gut gelaunt, gelassen und für ihre Verhältnisse ausgesprochen menschlich wie wenige Stunden zuvor beim Interview mit der Gästeliste.

Gästeliste: Wie fühlt man sich als Nina Persson im Herbst 2001?

Nina: "Großartig! Ich kann's nur weiterempfehlen! Mir geht es ausgezeichnet, sowohl was meine Musik angeht als auch den Rest meines Lebens!"

GL: Was war zuerst da: Der Wunsch nach einer Soloplatte, die Songs oder die Idee, mit neuen Musikern zusammenzuarbeiten?

Nina: "Es waren die Songs. Ich wollte keine Soloplatte um ihrer selbst willen machen, aber dann traf ich Niclas, mit dem ich schon 1997 die Songs geschrieben habe. Zu dem Zeitpunkt war A Camp sogar eine richtige Band, allerdings sind wir nie dazu gekommen, eine Platte zu veröffentlichen. Erst letztes Jahr, als ich die Songs noch einmal neu aufgenommen habe, wurde A Camp zu einem echten Solo-Projekt, bei dem ich mir einfach die alten Tapes geschnappt und alleine was draus gemacht habe."

GL: Beim Hören der Platte fällt es mir manchmal schwer herauszuhören, ob es die Songs an sich oder vor allem die Produktion ist, die deine Soloplatte von den Cardigans unterscheidet.

Nina: "Ich denke, es ist beides! Bei den Cardigans schreibt ja Peter die Musik zu allen Songs und er hat eine sehr eigene Herangehensweise, und wenn er nicht an den Stücken beteiligt ist, wird daraus automatisch etwas anderes."

GL: Der NME hat über deinen Auftritt in London geschrieben, es wäre ein tolles Konzert gewesen, aber diese Soloplatte würde dich trotzdem noch nicht zur schwedischen PJ Harvey machen...

Nina (lacht): "Oh, haben sie das wirklich geschrieben? Das ist ziemlich seltsam, denn warum um Himmels Willen sollte ich die neue PJ Harvey sein wollen? Ich hatte keine bestimmten Vorbilder für diese Platte. Ich bin mir sehr bewußt, daß es sich hier um eine Soloplatte der Cardigans-Sängerin handelt. Mehr soll es auch gar nicht sein."

GL: Bedeutet der ja doch ziemlich andere Sound der A-Camp-Platte, daß sich dein Musikgeschmack in den letzten, sagen wir mal, fünf Jahren sehr verändert hat?

Nina: "Nicht wirklich. Die Cardigans sind nicht gerade repräsentativ für das, was ich an Musik höre. Dort sind wir zu fünft und wir müssen eben einen gemeinsamen Nenner finden, mit A Camp kann ich dagegen meine musikalischen Vorlieben voll ausleben."

GL: Also ist A Camp wesentlich weniger demokratisch?

Nina (lacht): "Oh ja. Eher sogar faschistisch!"

GL: Bringt es manchmal Probleme mit sich, plötzlich alles alleine entscheiden zu können bzw. zu müssen?

A Camp
Nina: "Nein, das kann man nicht so sagen. Ich finde das eigentlich sogar sehr einfach. Es sind auch nicht viele Entscheidungen, die ich derzeit zu fällen hätte. Auch wenn es mein Projekt ist, die Jungs in der Band haben auch eine Menge Ideen. Es ist nicht so, daß ich sie komplett ignoriere. Ich überfahre sie nicht mit meinen Ideen. Was ich am ehesten vermisse, ist die Tatsache, daß man in einer richtigen Band besser faul sein kann und bestimmte Sachen einfach boykottieren kann. Es ist oft aber auch ziemlich verwirrend, in einer Band zu sein. Du nimmst dir vor, alle Entscheidungen gemeinsam zu treffen, aber niemand traut sich, konkrete Vorschläge zu machen. Insofern finde ich es erfrischend, für eine Weile alles alleine in die Hand zu nehmen."

GL: Und wer läßt sich von dir jetzt bei A Camp "unterdrücken"?

Nina: "Die Jungs, mit denen ich live spiele, tauchen auf der Platte gar nicht auf. Das sind Freunde aus anderen schwedischen Bands, die ich schon immer mochte. Zwei sind zum Beispiel von Soundtrack Of Our Lives. Die Cardigans haben mit ihnen zusammen getourt, und schon damals hatten wir darüber geredet, etwas zusammen zu machen. Sie sind alle tolle Musiker und vor allem nette Typen. Nett sein ist eine Grundvoraussetzung, wenn du in A Camp spielen willst (lacht)!"

GL: Dein Tourplan hat zwischendrin immer wieder kürzere Pausen...

Nina: "Nach zwei Wochen bin ich immer völlig kaputt und fange an, meine Freunde und meine Sachen zu Hause zu vermissen. Ich könnte jahrelang auf Tour sein, wenn es immer nur zwei Wochen mit Konzerten wären und anschließend ein paar Tage zu Hause. Vier, fünf Tage Pause reichen schon, dann bin ich bereit, wieder weiterzumachen."

GL: Hast du dir über die Reaktion der Medien und der Cardigans-Fans Gedanken gemacht, bevor die A Camp-Platte erschienen ist? Oder war ein Solo-Projekt einfach der natürlichste nächste Schritt für dich?

Nina: "Ja, es war einfach der nächste Schritt und ich konnte mich ja schon vier Jahre an den Gedanken gewöhnen! Für mich war es jetzt einfach Zeit, dass die Platte endlich erscheint. Abgesehen davon habe ich mir nicht allzu viele Gedanken gemacht. Wenn ich ein Fan der Cardigans wäre, würde ich mich doch freuen, wenn die Mitglieder auch andere Sachen machen. Letztendlich gibt das der Band nur mehr Kraft und läßt sie offener für neue Dinge werden. Magnus macht ja jetzt auch eine Soloplatte und ich denke, so vermeiden wir, daß es uns in den Cardigans zu langweilig wird. Ich weiß natürlich, was du meinst. Viele Leute meinten: 'Oh mein Gott, was sollen die Fans nur sagen? Sie macht eine Soloplatte, heiratet und dann färbt sie sich auch noch die Haare! Sie enttäuscht die ganze Welt!'"

GL: Wo wir gerade von deiner neuen Haarfarbe reden. Im Video zu "I Can Buy You" scheint die neue, dunkelhaarige Nina die Widersacherin der alten, blonden Nina zu sein. Wie kam es zu dieser Doppelrolle?

Nina: "Die Sängerin bin ich offensichtlich selbst. Der Grund, warum ich die andere Frau, diese traurige Existenz, die sich alles mit Geld erkaufen will, auch spiele, ist weniger dramatisch, als du vielleicht denkst: Wir hatten nur ein sehr kleines Budget, also mußte ich sie notgedrungen auch noch spielen. Daß sie blond ist, war eher Zufall."

GL: Macht dir das Videos-Drehen Spaß? Viele sehen das ja eher als notwendiges Übel, aber du scheinst, gerade an dieser Doppelrolle, viel Gefallen gefunden zu haben.

Nina: "Ich kann verstehen, daß viele Bands Videodrehs nicht mögen. Es ist unglaublich schwierig, gute Einstellungen zu finden, in der fünf Leute gut aussehen, oder fünf Leute überhaupt in eine nachvollziehbare Story einzubauen. Ein Video zu einem Solosong ist dagegen viel einfacher zu realisieren."

GL: Aber Diskussionen wie "Jetzt bist du aber fünf Sekunden länger in der Einstellung gewesen als ich" hat es auch bei den Cardigans nie gegeben?

Nina: "Nein, dieses Problem hatten wir glücklicherweise nie. Egal, wie wir's anstellen, ich habe immer den größten Anteil in den Videos. Es ist sogar eher umgekehrt. Es tut den Jungs fast leid, daß ich immer im Mittelpunkt stehen muß."

GL: Hast du dich über die Jahre mehr daran gewöhnt, daß sich trotz der Band vieles um dich dreht?

A Camp
Nina: "Ja! Es ist wirklich etwas, auf das man sich einstellen kann. Ich habe mich dagegen jahrelang gewehrt und immer wieder gesagt, daß ich Teil der Band bin und wir alle unsere 20% der Aufmerksamkeit bekommen sollten. Dieser Kampf ist allerdings sinnlos und letztendlich zieht es dich nur runter. Inzwischen habe ich meine Rolle mehr akzeptiert und versuche, das Beste daraus zu machen. Ich habe mir fest vorgenommen, mich darüber nicht mehr zu beschweren. Ich zieh's jetzt einfach durch und halte die Klappe! Wenn ich das nicht könnte, wäre ich auch nicht die Richtige, als Sängerin in einer Band!"

GL: Gab es bei A Camp einen Wendepunkt, an dem du festgestellt hast, daß daraus vielleicht mehr wird als ein kurzes Nebenprojekt?

Nina: "Ja! Ich hatte das Gefühl, daß es sich bei A Camp um eine 'kleine' Platte handelt, die veröffentlicht wird, ein paar Rezensionen bekommt und dann niemanden mehr interessiert. Jetzt läuft alles viel besser, als ich jemals gedacht hätte. Ich hatte schon gehofft, eine Tour machen zu können, aber eigentlich hatte ich dabei an einen ganz kleinen Rahmen gedacht. In Schweden ist die Platte sogar von 0 auf 1 in die Charts eingestiegen! Das war eine sehr unwirkliche Situation, denn die Cardigans haben das noch nie geschafft! Als ich dann mit meinen Freunden bei den Cardigans gesprochen habe, konnte ich nicht viel mehr sagen als: 'Sorry, Jungs!'"

GL: Ist der Erfolg in Schweden für dich genauso wichtig wie in Deutschland, Amerika oder sonst wo? Oder ist es schon etwas Besonderes, zu Hause erfolgreich zu sein?

Nina: "Nein! Wir haben so viel Zeit außerhalb von Schweden verbracht, daß es für uns nicht mehr wirklich eine Rolle spielt. Wir sind in Schweden ja auch erst richtig populär geworden, nachdem wir in anderen Ländern erfolgreich gewesen sind. In den letzten Jahren habe ich mich sehr daran gewöhnt, eigentlich kein richtiges Heimatland zu haben. Inzwischen lebe ich wieder in Schweden und das ist fantastisch, aber ich habe eben auch eine Zeitlang in New York gelebt, weil mein Ehemann ja Amerikaner ist. Die Schweden stellen uns gerne in eine Reihe mit ABBA oder Roxette, da kann ich nur sagen: Ihr habt keinen Exklusiv-Vertrag mit uns (lacht)!"

GL: Bedeutet deine Rückkehr nach Schweden aber nicht vielleicht doch, daß dieses "Heimatgefühl" für dich wieder wichtiger wird?

Nina: "Hmm, nicht wirklich. Ich bin zwar eine typische Schwedin, das merke ich vor allem, wenn ich viel unterwegs bin, aber ich fühle mich auch sehr wohl, wenn wir in New York oder sonst wo sind. Im Moment fühle ich mich in Schweden sehr wohl, einfach weil meine Freunde dort wohnen, und außerdem ist das Leben dort ziemlich billig. Du bekommst riesige Häuser sozusagen nachgeschmissen, das ist doch klasse!"

GL: Der Alkohol ist aber ziemlich teuer in Schweden...

Nina: "Nicht mehr! Unsere Währung ist derzeit so schwach, daß es so ziemlich überall in der Welt teurer ist als in Schweden, sich so richtig zu betrinken (lacht)! Ich denke, ich bin vor allem deshalb gerne in Schweden, weil ich gleichzeitig auch die Chance habe, viel zu reisen. Ansonsten würde ich Schweden wahrscheinlich ziemlich schnell wieder verlassen, um etwas mehr Abwechslung zu haben."

GL: Apropos mehr Abwechslung: Vor A Camp hat es ja auch schon die Zusammenarbeit mit Tom Jones gegeben...

Nina: "Ja, er ist auf uns zugekommen. Ich habe zum Beispiel überhaupt keine Tom-Jones-Platten. Wir sind also nicht wirklich Fans. Aber wenn eine Legende dich einlädt, lehnst du das nicht ab. Das wäre sonst so, als hättest du Elvis einen Korb gegeben! Du weißt, er wird irgendwann sterben und da nutzt du die Chance einfach!"

GL: Wenn's also schon nicht Tom Jones war, wer wäre denn dein Traumpartner für eine Zusammenarbeit?

Nina: "Mit Mark Linkous zu arbeiten war ein Traum von mir, der jetzt Realität geworden ist. Ich bin, was das angeht, ziemlich zufrieden. Ich habe das Gefühl, daß ich wirklich mit genau den Menschen zusammenarbeite, die ich am meisten schätze. Ich würde allerdings gerne mal mit einer Frau zusammenarbeiten. Bis jetzt hatte ich ja immer nur Typen um mich herum. Ich habe mit Mary Timony von Helium gesprochen, vielleicht mal etwas zusammen zu machen. Sie ist im Gegensatz zu mir eine großartige Instrumentalistin und wir sind eigentlich ziemlich verschieden. Aber genau das könnte ja interessant werden. Wir haben noch keine definitiven Pläne gemacht, aber als ich sie gefragt habe, war sie von der Idee begeistert. Ich hoffe, sie ist es noch, wenn ich mit der nächsten Cardigans-Platte fertig bin. Mary nimmt übrigens gerade eine neue Platte auf - mit Mark Linkous! Der einzige, der danach noch kommen könnte, wäre Neil Young. Aber eigentlich möchte ich ihn gar nicht treffen, weil das nur das Bild, was ich mir von ihm mache, zerstören würde!"

Weitere Infos:
www.a-camp.org
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigabe / David Bluhm (live)-
A Camp
Aktueller Tonträger:
A Camp
(Stockholm Records/Motor Music)

 
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