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Interview-Archiv

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MISSOURI
 
Balsam für die Seele
Missouri
Der Name legt es schon nahe: Missouri halten sich - geographisch wie musikalisch - von allem fern, was musikalischen Mainstream ausmacht, und können genau deshalb überzeugen. Natürlich erfindet auch das (schlagzeuglose) Trio aus Nürnberg die Musik nicht neu, aber gerade für eine deutsche Band gelingt Missouri auch auf ihrem neuen Album "To The Darkened Corners Here We Go" der eigenständige Umgang mit allem, was man als Vorläufer moderner Popmusik bezeichnen kann (Blues, Folk und Country), doch ungewöhnlich souverän. Vor allem, wenn man bedenkt, daß die drei damit auch noch relativ erfolgreich sind.
Während die meisten Bands in Deutschland, die sich vom musikalischen Mainstream fernhalten wollen, größere bis unüberwindbare Schwierigkeiten damit zu haben scheinen, vernünftige Tourneen auf die Beine zu stellen und ihre Platten in regelmäßigen Abständen veröffentlicht zu bekommen, ist es für Red, Frank Mollena und Christian Ebert anscheinend ganz normal, vier (!) Alben innerhalb von zwei Jahren zu veröffentlichen. "Ja, das ist es!" stimmt Red beim Interview mit Gaesteliste.de sofort zu. "Wir haben nun einmal unser eigenes Studio in Nürnberg, und dort können wir natürlich wann immer wir wollen was immer wir wollen aufnehmen. Und mit XXS haben wir auch ein Label, auf dem wir unsere Platten veröffentlichen können. Zwar nicht, wann wir wollen und wie viele wir wollen, aber wir können sie immerhin rausbringen. Wir machen einfach gerne was und sind deshalb relativ produktiv."

Das Argument eines Majorlabels wäre garantiert: "Ihr überschwemmt den Markt, ihr solltet weniger veröffentlichen". Haben das auch Missouri im Hinterkopf oder können sie sich den Luxus leisten, ihre Platten nach fast schon egoistischen Maßstäben zu gestalten? "Man kann, glaube ich, nicht sagen, daß wir die Platten hauptsächlich für uns machen, aber wir nehmen sie genauso auf, wie wir sie haben wollen, ohne jegliche Gedanken an das Publikum. Wir sagen nie: Dafür würden sich bestimmt mehr Leute interessieren, wenn wir hier an dieser Stelle dieses und jenes machen." Trotzdem gelingt es Missouri, mit jeder neuen Platte anders zu klingen, ohne daß dafür große Diskussionen nötig wären, zwecks musikalischer Kurskorrektur. "Daß die Stücke anders klingen, ergibt sich eigentlich von alleine. Bei uns ist das ein fließender Prozeß, denn obwohl ich jetzt in Hamburg bin und die anderen beiden noch in Nürnberg, treffen wir uns ziemlich oft im Studio. Ich bringe dann meistens Ideen mit, und dann fangen wir einfach an... Und weil man sich ja selbst verändert und die Stimmungen in einem, werden die Songs automatisch anders."

Missouri
Das hört sich so an, als wenn im Gegensatz zu vielen anderen Bands bei Missouri nicht die eigenen Plattensammlungen als Haupt-Inspirationsquelle dienen, sondern vor allem die Lebensumstände der Bandmitglieder. "Ja!" stimmt Red zu. "Wir hören zwar alle sehr viele Platten, auch sehr verschiedene, aber es ist nicht so, daß ich irgendetwas neu entdecke und sage: 'Hey, ich mache jetzt auch so etwas!'" Trotzdem kann man auf dem neuen Album des Trios deutliche Unterschiede zum Debüt "It's A Glow-In-The-Dark Good Time" hören. Erinnerte der Erstling - bewußt oder unbewußt - eher an amerikanische Slow-Core-Helden, scheint das neue Album eher von einer britischen Traurigkeit gekennzeichnet zu sein, die einem am ehesten Bands wie die Tindersticks oder den australischen Melancholie-Großmeister Nick Cave ins Gedächtnis ruft. Red sieht das ähnlich: "Das liegt in erster Linie daran, daß meine Liebe schon immer diesen Sachen galt. Ich bin zum Beispiel ein ganz großer Nick-Cave-Fan. Das heißt nicht, daß ich versuche, wie er zu klingen, aber diese Balladenhaftigkeit seiner Stücke habe ich sehr verinnerlicht. Daß die zweite Platte insgesamt eher so klingt, liegt vor allem auch daran, daß Frank, der Gitarrist, mehr gemacht hat und der ist ein ganz großer Souler. Natürlich ist die Platte kein Soul-Album, aber sie hat viele soulige Elemente. Die erste Platte habe ich ja fast ganz alleine gemacht, und die spiegelt die Stimmung wieder, in der ich mich damals befand. Deshalb ist sie düsterer und schwerer. Die Atmosphäre bei der neuen Platte war etwas lockerer, deshalb klingt auch die Platte etwas beswingter und souliger." Aber auch, wenn Red zustimmt, daß die beiden Platten ihre eigenen Seiten haben - die bereits erwähnten Vergleiche mit Bands wie Smog, Codeine oder Souled American, die immer wieder durch die Presse geistern, versteht er nur bedingt: "Mit den ganzen Indiebands, die langsame, ruhige Musik machen, haben wir eigentlich überhaupt nichts am Hut. Ich finde das immer etwas tragisch, denn ich kenne das meiste davon nicht, und wir hören auch so etwas nicht. Ich hoffe, daß uns vielleicht mal jemand mit The Velvet Underground vergleicht!"

Ein Vergleich, der eigentlich nahe liegt, nicht nur, weil Missouri bei ihrer letzten Herbst veröffentlichten Kooperation mit dem süddeutschen Songschmied Erhard ("This Is Not Our Scene") ein Stück von Lou Reed und Co. gecovert haben. Überhaupt sind Missouri ja eine Band, die viel und gerne mit anderen Bands und Musikern zusammenarbeitet. Auf ihrer Tour im Frühjahr standen sie regelmäßig mit den Münsteraner Seelenverwandten Green Apple Sea gemeinsam auf der Bühne, es folgte das Album mit Erhard und auch auf der neuen Platte haben sie einige Gäste - allen voran die Sin Ropas - mit dabei. Da paßt es auch, daß Missouri mit schöner Regelmäßigkeit auf diversen Compilations vertreten sind. Während sich gerade im Süden zeigte, daß viele Besucher der Konzerte mit Erhard Missouri durch ihren Song auf der "Zündfunk"-Compilation "Unter unserem Himmel III" kennengelernt hatten, hatte der Beitrag zum letztjährigen Sampler der "Return To Sender"-Reihe noch eine weitere positive Nebenwirkung: "Das Wichtigste daran war, daß uns der Typ, der diese Reihe macht, Stephan Werner, gefragt hat, ob wir selbst eine eigene 'Return To Sender' auf seinem Label würden rausbringen wollen, die wir - zusammen mit Green Apple Sea - jetzt im März oder April veröffentlichen werden."

Stellt sich abschließend die Frage, ob die Tatsache, daß Missouri - die übrigens ab Anfang Februar für zwei Wochen zusammen mit Granfaloon Bus wieder durch Deutschland und die Schweiz touren werden - nicht von ihrer Musik leben können und sich ihr Einkommen auf andere Art und Weise verdienen müssen, nicht manchmal dazu führt, daß sich day job und künstlerische Ambitionen gegenseitig im Weg stehen. Anders gesagt: Würde nicht ein bißchen mehr Kommerz eine ganze Menge anderer Probleme mit einem Schlag lösen? "Nein", sagt Red ohne Zögern, "um davon leben zu können, mußt du schon ziemlich groß sein. Da mußt du schon mehr als kommerzielle Musik machen. Ich weiß nicht, welche Künstler in Deutschland überhaupt von ihrer Musik leben können. Selbst Element Of Crime zum Beispiel können meines Wissens nicht davon leben. Du müßtest dich wirklich in eine Maschinerie reinbegeben, bis zu dem Punkt, an dem das eigentlich nichts mehr mit Musik zu tun hat. Da mußt du echt ein 'Produkt' abliefern und das vermarkten. Da kannst du genauso gut Autos verkaufen."

Weitere Infos:
www.xxs-records.de/MissouriCD2.htm
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
Missouri
Aktueller Tonträger:
To The Darkened Corners Here We Go
(iXiXeS/Indigo)

 
 

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