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BARBARA MITCHELL
 
"Ask the manager"
Barbara Mitchell
In den "Thank you"-Listen auf Plattenhüllen (oder bei den Danksagungen auf Preisverleihungen) stehen sie zumeist ganz vorne, zu sehen bekommt sie der normalsterbliche Musikfan meistens nicht. Die Rede ist von den grauen Eminenzen des Musikbusiness, den Managern. Fast jede Band, die etwas auf sich hält, hat einen, sei es, weil man sich auf Tour so schön wie im Kindergarten benehmen kann, in der Gewißheit, daß man jemanden dafür bezahlt, der einem nachher die Kohlen aus dem Feuer holt, oder sei es, weil man nicht sicher war, daß alles mit rechten Dingen zuging, als die Plattenfirma sagte, Geld würde es keins geben, weil die Werbekosten so hoch gewesen seien.
Barbara Mitchell
In den 60er Jahren waren viele Bandmanager mindestens ebenso berühmt wie ihre Klienten selbst. Brian Epstein verdiente sich mit den Beatles eine goldene Nase, weil er schon früh in der Karriere der Fab Four einen unfaßbaren 25%-Anteil auf Lebenszeit für seine Dienste ausgehandelt hatte, Andrew Loog Oldham war nicht nur Manager und Publizist, sondern auch gleich noch Plattenproduzent der Rolling Stones, und Albert Goldmann ist nicht erst seit dem Film "Don't Look Back" als eiskalter Geschäftsmann bekannt gewesen, der für Bob Dylan schon früh eine lange Mark an Land zog. Heute gibt es solche kultigen Typen nur noch selten. Vielmehr ist der Bereich Management größtenteils weit verschachtelt. Anstatt persönlicher Vertreter beschäftigen viele Bands große Managementfirma, die ähnlich wie Rechtsanwaltskanzleien zentral operieren und so die Geschicke ihrer Schützlinge lenken. Mehr oder weniger spezialisierte Fachkräfte bei den Plattenfirma kümmern sich um die Publicity, und die sog. Tourmanager sind bei Konzertreisen das "Mädchen für alles".

Doch es gibt sie noch, die klassischen Managerfiguren, die alles in Personalunion vereinen, und nachdem wir euch im vergangenen Jahr zu den Themen Labelmanagement, Homerecording und Konzert-Booking schon einige Menschen vorgestellt haben, die nicht zwangsläufig in Bands spielen, aber trotzdem ganz nah am Rock N Roll dran sind, fragen wir uns nun: Wie werde ich Manager, bzw. was muß ich dafür mitbringen? Und: Warum sollte ich als Band überhaupt 10 oder 15% meiner Einnahmen für einen Manager "verschwenden"?

Um diese Frage zu beantworten, trafen wir uns in London mit Barbara Mitchell, die nach einigen Jahren als Mitarbeiterin bei Labels wie Slash Records dem heimischen Kalifornien den Rücken gekehrt hat und nun von Seattle aus als freie Publizistin mit Deluxxe Media für eine beeindruckend lange Liste von Künstlern und Labels, als Schreiberin für das Magazin The Stranger sowie als Managerin aktiv ist. Seit zwei Jahren kümmert sie sich um die Geschicke der Seattler Power-Pop-Götter The Posies, die Solokarrieren der beiden Protagonisten Ken Stringfellow und Jon Auer sowie um die reformierte Legende Big Star. Als "Management & Mixology" wird ihr Job auf den Plattencovern ihrer Schützlinge gelistet, wobei der letzte Teil darauf anspielt, daß sich Barbara nicht nur um das Wohlergehen, die Publicity und die Tourbegleitung ihrer Schützlinge kümmert, sondern auch noch ziemlich gute Cocktails mixt. Im Londoner Radio-4-Club soll sogar ein Drink ihres Namens auf der Getränkekarte stehen!

Barbara Mitchell
Was sollte man also mitbringen, um selbst Manager zu werden und geldzählend am Bühnenrand zu stehen? Während ein Blick auf die Charts beweist, daß Grips bei Popstars eher hinderlich sein kann, ist er für einen Manager unabdingbar. Barbara zum Beispiel bereut ihr Studium in Kommunikationswissenschaften nicht: "Wenn du mich fragst, ob ich irgendetwas von dem, was ich in der Uni gelernt habe, heute anwende: Nein! Hat mir die Ausbildung geholfen? Auf jeden Fall! Du mußt ja vor allem reden können, noch dazu in einer Geschäftssituation, und das können die wenigsten einfach aus dem Bauch heraus. Das Studium vermittelt dir außerdem einfach ein Gefühl für Disziplin, die sehr wichtig ist. Im Job selbst ist das meiste learning by doing." Außerdem, so sagt sie, sollte man ein gewisses Verkaufstalent mitbringen, schließlich will man seine Schützlinge irgendwie "an den Mann bringen". Hat man diese Gabe nicht - wie im Falle von Barbara -, gibt es trotzdem einen Ausweg: Enthusiasmus für die Künstler, mit denen man zusammenarbeitet! "Vieles von dem, was ich mache, hat weniger mit Publicity oder Management zu tun, sondern eher mit Bekehrung."

Kein Wunder also, daß Barbara eher unkonventionelle Management-Methoden schätzt. "Wenn ich einer Band einen Manager oder die Herangehensweise eines Managers empfehlen wollte, würde ich Jay Scavo [den Manager von Possum Dixon] und Scott Booker [den Manager der Flaming Lips und neuerdings Elliott Smith] nennen. Die beiden sind auf ähnliche Weise wie ich ins Management-Fach gerutscht: Sie hatten einfach Freunde, die in Bands waren und nach einem Manager suchten. Das ist eine ganz andere Herangehensweise." Und genau an diesem Punkt kommt der Künstler ins Spiel, der einen Vertreter sucht. Will er jemanden, der knallhart für ihn Geschäfte macht, koste es, was es wolle, oder will er jemanden, der mit ihm zusammen (und in seinem Sinne) am "Gesamtkunstwerk Band" feilt? Barbara bevorzugt ganz klar letzteres: "Mit Jon und Ken verbindet mich auch eine Freundschaft, und das macht vieles anders. Ich sehe es auch als Vorteil, früher auf der anderen Seite gearbeitet zu haben und so viele Manager und ihre Geschäftsauffassung als Angestellte eines Label kennen gelernt zu haben."

Warum genau braucht aber eine Band einen Manager, der je nach Handhabung oder Vertrag ein kleineres oder größeres Stück vom Einnahmenkuchen abbekommt? Zunächst einmal, so ist sich Barbara sicher, braucht eine junge bzw. neue Band keine professionelle Unterstützung. Denn den oft in den Medien als Sensation aufgebauschten Sprung von der eigenen Garage auf die Stadionbühne kann selbst der best(bezahlt)e Manager nicht erzwingen. "Viele Bands glauben, daß man, ohne schon ganz früh einen guten Manager und jemand für die Publicity zu haben, nichts erreichen kann. Ich bin dagegen der Meinung, daß dir als Band diese Leute erst helfen können, wenn schon etwas da ist, auf dem du aufbauen kannst. Ohne Demo oder eine erste Platte und lokale Fangemeinde bringt dir auch der beste Manager nichts. Er kann dir nur helfen, reibungsloser den nächsten Level zu erreichen. Bands, die schon sehr früh einen Manager, einen Publizisten und eine Booking Agentur haben, ist vor allem eins gemein: Sie sind nicht sehr gut! Und genau diese Tatsache wollen sie durch ein professionelles Umfeld kaschieren. Die Zeit im Proberaum kann dir niemand ersparen. Die Anzahl der Bands, die grausam schlechte Konzerte vor vier Zuschauern gespielt haben und dann ruckzuck einen Majorvertrag bekommen haben und die Welt in Nightlinern bereisen, ist verschwindend gering. Mein Rat ist es deshalb, sich nicht zu früh auf die geschäftlichen Sachen zu konzentrieren, das kommt noch früh genug. Nimm zum Beispiel die Band Sanford Arms aus Seattle. Ich finde sie absolut großartig und helfe ihnen, wo ich nur kann, aber würde ich ganz offiziell Bens Manager sein wollen? Nein! Die Band tourt ja nicht großartig, weil die Jungs alle Vollzeitjobs haben, darüber hinaus haben sie noch ein lockeres Verhältnis zu ihrem [sehr kleinen] Label. Die brauchen einfach keinen Manager! Braucht dagegen jemand wie Ken einen Manager? Auf jeden Fall! Nicht zuletzt als Pufferzone zu seiner Plattenfirma. Ich spiele da oft für beide Seiten die Diplomatin. Ich kann dafür sorgen, daß das Verhältnis für beide Seiten positiv bleibt."

Barbara Mitchell
Da ist es natürlich hilfreich, wenn der Manager deiner Band nicht in seinem Büro im obersten Stockwerk seines New Yorker (oder von mir aus Frankfurter) Wolkenkratzers sitzt, sondern auch - zumindest zeitweise - mit der Band auf Tour ist. "Viele vergessen, daß Tourneen nur sehr bedingt Spaß machen und nicht besonders glamourös sind. Sie sind eine Riesenanstrengung für alle Beteiligten, und oft wird einfach übersehen, daß die Musiker auch nur Menschen sind. Insofern ist es hilfreich, wenn ein Manager diese Seite auch kennt und eben nicht nur die finanziell beste Möglichkeit zu finden versucht, sondern beispielsweise dafür sorgt, daß Tourneen nicht zu lange dauern, weil er die Strapazen aus eigener Anschauung kennt. Immerhin brächte er selbst sonst womöglich die Band an den Rand des Zusammenbruchs."

Und eigentlich ist ja genau das Gegenteil seine Aufgabe, nämlich alle möglichen (und unmöglichen) Anfragen vom Künstler fernzuhalten, damit der sich, ganz im Sinne von Barbaras Aussage, auf die Musik konzentrieren kann. Trotzdem - und damit vertritt Barbara eine ähnliche Linie wie Marc Liebscher von Blickpunkt Pop, den wir vor einigen Monaten an dieser Stelle zum Thema Booking interviewt haben - hilft es auch in der "bösen" Welt des Musik-Biz, einfach ein bißchen zuvorkommend zu sein. Auch wenn - oder gerade weil - damit die klassischen Klischees des Managers als "harter Hund" aufgehoben werden. "Du erreichst wesentlich bessere Ergebnisse für dich und die Band, wenn du umgänglich bist und den Leuten, mit denen du zu tun hast, zeigst, daß du ihre Arbeit schätzt." Bescheidenheit ist also ein ganz wichtiger Aspekt. "Ich habe mit angesehen, wie ein Manager die Karriere einer befreundeten Band [die hier ungenannt bleiben soll, die allerdings zur oberen Mittelklasse der US-Alternative-Szene gehört hat] einfach gegen die Wand gefahren hat. Man konnte einfach nicht mit ihm zusammenarbeiten, alle bei der Plattenfirma der Band haben ihn gehasst. Irgendwann wollten sie dann zu einem anderen Label wechseln, und bei ihrer alten Firma waren alle völlig begeistert, daß die Band ging, weil damit auch ihr Manager endlich von der Bildfläche verschwand. Das hilft natürlich niemandem."

Letztendlich kann also, gerade für eine Band, die (noch) nicht im Konzert der Großen mitspielt, ein Manager, der die Dinge eher locker angeht, wesentlich mehr ausrichten. "Natürlich gehe ich die Dinge lockerer an, aber damit sind meine Möglichkeiten auch nicht so festgefahren", ist sich Barbara sicher. "Allerdings motiviert diese Herangehensweise die Leute, mit denen ich spreche, mehr, Dinge für dich zu tun, die sie nicht tun würden, wenn sie mit einem typischen Manager sprechen würden, der die Leute den ganzen Tag nur anschreit. Warum? Weil sie dich mögen!" Das funktioniert natürlich nicht immer. Schließlich weiß auch Barbara um die Verpflichtung ihren Klienten - ob Freunde oder nicht - gegenüber. Insofern ist der Job des Managers eigentlich denkbar einfach zu umreißen. "Deine Aufgabe ist, alle Beteiligten bei Laune zu halten, genau das zu tun, was für die Band am besten ist! Manchmal erfordert das Kreativität, weil du Ideen entwickeln mußt, wie man die Möglichkeiten der Band besser nutzen kann, manchmal mußt du auch nur beim Label auf den Tisch hauen und beispielsweise darauf bestehen, daß deine Band nicht monatelang tourt, sondern zwischendurch Pausen gewährt bekommt. Solche Sachen machen dich nicht unbedingt beliebt... aber als Manager gehört Beliebtheit eben nur bedingt zu deinem Job!"

Weitere Infos:
www.theposies.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigabe / C. Wohlfeld (live)-



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