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BRENDAN BENSON
 
Die große Schule der Popmusik
Brendan Benson
Es ist noch nicht einmal 10.30 Uhr morgens und Brendan Benson in der Lobby seines Kölner Hotels schaut ziemlich müde aus der Wäsche. Kein Wunder, ist er doch erst 18 Stunden vorher aus dem Flieger gestiegen, der ihn über den großen Teich nach Deutschland gebracht hat, und trotzdem hat er schon ein aberwitziges Interview bei Viva plus, die Besteigung des Kölner Doms (bei der ihm erst, als er nach ca. 500 Stufen oben angekommen war, einfiel, dass er große Höhen eigentlich gar nicht mag) und eine viel zu kurze Nacht hinter sich. Aber eigentlich muss er selbst auch gar nicht den frischesten Eindruck machen, denn das tut sein zweites Album schon für ihn. "Lapalco", das dieser Tage in die Läden kommt, ist ein kleines Meisterwerk geworden: Power-Pop der klassischen, aber eben auch allerbesten Sorte. In England wurde die Musik des Mannes aus Detroit bereits als Melange aus Elliott Smith, Evan Dando und Apples In Stereo beschrieben, und dass seine neue Platte nicht nur mit großartigen Songs vollgestopft ist, sondern zudem auch noch ausgezeichnet produziert ist, kann man auch daran ablesen, dass die derzeit vielgehypten Datsuns aus Neuseeland mit dem Gedanken spielen, in Zukunft mit Benson auf dem Produzentenstuhl zu arbeiten!
Brendan Benson
"Lapalco" erscheint sechs lange Jahre nach dem ebenfalls beachtlichen Erstling "One Mississippi". "Es gibt schon noch ein paar Fans, die mir von der ersten Platte geblieben sind, es ist schon noch etwas von meiner Reputation übrig", erzählt Benson grinsend im Gespräch mit Gaesteliste.de. "Aber ich sehe das neue Album selbst als kompletten Neuanfang. Das heißt nicht, dass es mir egal ist, dass sechs Jahre zwischen den beiden Platten vergangen sind, aber die Umstände haben mich ganz einfach davon abgehalten, dieses Album früher zu machen. Ich hoffe jedenfalls, dass ich von jetzt an meine Platten in regelmäßigen Abständen veröffentlichen werde." Wenn man diversen Presseberichten und einigen von Bensons Freunden glauben darf, war die Pause deshalb so lang, weil dem sympathischen Musiker von seinem alten (Major-) Label übel mitgespielt wurde und Benson das in eine tiefe persönliche Krise gestürzt hat. Alles halb so wild, sagt er selbst: "Es war einfach ein Lernprozess, den ich zu durchlaufen hatte. Aber nicht alles ist schlecht gewesen. Ich bin zum Beispiel viel herumgekommen, war in Japan unterwegs und habe sehr viele interessante Leute kennen gelernt. Außerdem hatte ich die Chance, mit den Wallflowers und Heatmiser - also Bands, die ich wirklich mag - auf Tournee zu gehen. Und selbst die negativen Dinge sehe ich rückblickend als nicht außergewöhnlich schlimm an. Es war eine klassische Situation, aber schließlich bin ich nicht der einzige Künstler, der es auf einem großen Label nicht geschafft hat. Letztendlich war das Ganze wohl für die Plattenfirma genauso enttäuschend wie für mich." Trotzdem gibt Benson zu, dass er nach dieser Erfahrung lange mit seiner Katerstimmung zu kämpfen hatte. "Trotzdem kann man schon sagen, dass ich nach dieser Erfahrung nicht besonders scharf drauf war, mich sofort in die Arbeit für mein nächstes Album zu stürzen. Wenn du so willst, hatte ich einen Brummschädel, und etwas in meinem Inneren sagte mir, erst einmal die Hände vom Bier, sprich: der Musik zu lassen, bis es mir irgendwann besser gehen würde."
Den Traum vom Rockstardasein in Los Angeles hat Benson ausgeträumt, doch seit dem Mega-Erfolg der White Stripes ist inzwischen ja auch seine eigentliche Heimat Detroit zum musikalischen Hot Spot erklärt worden. Warum, ist Benson allerdings nicht ganz klar. "Es ist wohl einfach so, dass die Leute eine Band aus einer bestimmten Stadt mögen und dann einfach nachforschen, ob es weitere Bands aus der Gegend gibt, die so ähnlich klingen. Soweit ich das beurteilen kann, hat Detroit jedenfalls keinen unerschöpflichen Vorrat an Garagenbands. Eigentlich gibt es nur eine Handvoll. Es gibt zwar Unmengen von Bands, aber kaum eine spielt Garagenrock. Und abgesehen davon sind die White Stripes absolut eigenständig. Keine andere Band klingt nur im Entferntesten so. Die Leute suchen einfach nach einem neuen Seattle." In Detroit kaufte sich Benson ein Haus und richtete sich ein Heimstudio ein, in dem er - ohne Druck seitens eines Labels und ohne seine langjährige Band, The Wellfed Boys - das neue Album im Alleingang einspielte. "Das war ganz klar eine Reaktion auf das, was zuvor passiert war. Ich habe mich in Tonstudios nie richtig wohl gefühlt, und ich war mir sicher, dass ich zu Hause eine bessere Leistung abliefern würde. Das alles reflektiert auch meine Persönlichkeit. Ich bin immer schon ein Einzelgänger gewesen und mache die Dinge lieber nach meinen eigenen Vorstellungen."

Als Musiker und Co-Songschreiber hilfreich zur Seite stand Benson dabei der frühere Jellyfish-Gitarrist und zeitweilige Air-Bassmann Jason Falkner, der bekanntlich einen ähnlichen Enthusiasmus für die klassische Schule der 60s-angehauchten Popmusik mitbringt. "Jason hat eine wichtige Rolle im Aufnahmeprozess gespielt, allerdings nur über einen sehr begrenzten Zeitraum. Er hat mir zwei Wochen lang bei einigen Songs geholfen, mir bei den Arrangements und Aufnahmen assistiert, aber dann war er wieder verschwunden. Es war eine sehr enge Zusammenarbeit, aber man kann nicht sagen, dass wir die besten Freunde sind. Wir sind nicht unbedingt in ständigem Kontakt." Derzeit sind es vielmehr The Wellfed Boys, die Benson inspirieren. "Bisher habe ich das Livespielen nie besonders gemocht, aber die Band zeigt mir jetzt, dass das auch einen Riesenspaß machen kann. Die Jungs sind so gut, dass ich manchmal fast aufhören will zu spielen, mich umdrehen will und mir die Band selbst anschauen will, hahaha! Das ist eine völlig neue Erfahrung für mich, und ich kann mir gut vorstellen, dass ich die nächste Platte nicht mehr ganz alleine machen werde. Ich will auf jeden Fall mehr Input von meiner Band, denn auch wenn ich sicherlich noch nicht bereit bin, meine Befehlsgewalt ganz abzugeben, macht es auf Dauer ja keinen Sinn, sich anderen Meinungen zu verschließen."

Bis es so weit ist, können wir uns die Zeit mit dem wunderbaren "Lapalco"-Album vertreiben, das vor allem deshalb so gelungen ist, weil Benson die Platte in erster Linie für sich aufgenommen hat und nicht wie bei seinem Debüt stets daran denken musste, es einer Plattenfirma recht zu machen. "Die neue Platte ist auf viel experimentellere Art und Weise entstanden. Bei der ersten Platte haben wir sehr darauf geachtet, dass die Songs ins Radio passen würden. Das Album musste bestimmten klanglichen Anforderungen genügen, und die Vorgaben wurden sehr genau eingehalten, es war auch immer ein A&R-Typ von der Plattenfirma bei den Aufnahmen dabei. Von jedem Song wurden verschiedene Mixe gemacht, einer fürs Radio, einer fürs Fernsehen, mal musste die Stimme lauter sein, mal leiser. Dieses Mal war der einzige Maßstab, dass die Stücke mir selbst gefallen mussten." Trotzdem gibt es vom vielleicht besten Song auf "Lapalco" gleich vier Versionen. Zwei auf der in Europa veröffentlichten Version der Platte, eine dritte für den US-Release und eine vierte, die man sich eine Zeitlang kostenlos im Internet herunterladen konnte. Wie kam es denn dazu? "Die allererste Version entstand auf einem einfachen Cassetten-Vierspurgerät, und die mochte ich so sehr, dass sie letztendlich auch auf dem US-Album zu finden ist. Dann bat mich die Plattenfirma um eine neue Version, weil sie aus dem Stück eine Single machen wollte, aber das Gefühl hatte, dass der Refrain, den es eigentlich gar nicht gibt, besser herausgearbeitet werden könnte als bei der ersten Version. Diese Fassung ging dann ins Netz. Dann habe ich noch eine 'radiotaugliche' Version für die englische Plattenfirma aufgenommen und eine zusammen mit einem Freund, die jetzt auf der europäischen Version des Albums sind. Ich hab kein Problem damit, Songs wieder und wieder aufzunehmen, wichtig ist mir nur, dass - wie in diesem Fall - die Originalversion in irgendeiner Weise veröffentlicht wird. Solange das geschieht, nehme ich ein Stück von mir aus so lange neu auf, bis die Kühe nach Hause kommen."

Brendan Benson
Aber nicht nur die Soundqualität und das Aufnahme-Equipment variiert bei den vier Versionen, auch der Text durchlief verschiedene Entwicklungsphasen. "Das ist wie beim Jazz, alles ist immer in Bewegung. Manchmal komme ich zu meiner Band und sage: 'Was wäre, wenn wir diesen Song komplett umkrempeln?' Dann schauen sie mich immer ganz entsetzt an, weil sie froh sind, einmal ihre Parts gelernt zu haben. Für mich macht die Veränderung die Sache erst richtig spannend. Das Problem ist nur, dass ich des Öfteren Dinge verändere, nur weil ich Spaß an Neuem habe, und nicht unbedingt, weil der Song dadurch wirklich besser wird. Deshalb bin ich ganz froh, wenn meine Band mich manchmal bremst und sagt: 'Hey, wir können den Song nicht jedes Mal neu lernen, wenn wir ihn spielen!'" Letztendlich ist "Lapalco" musikalisch vielleicht sogar weniger perfekt als der Vorgänger, aber genau das ist die Stärke der Platte, ist sich Benson sicher: "Zumindest sind dieses Mal alle Fehler meine eigenen, und niemand hat mich gezwungen, sie auszubügeln. Was man hier hört, ist das Beste, was ich zu dem Zeitpunkt abliefern konnte." Und auch wenn niemand daran zweifelt, dass Benson eine noch bessere Platte machen kann, ist "Lapalco" zweifelsohne schon eine ziemliche Vollbedienung. Einfach ganz große Klasse!
Weitere Infos:
www.brendan-benson.com
www.brendanbenson.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigabe-
Brendan Benson
Aktueller Tonträger:
Lapalco
(V2/Zomba)

 
 

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