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Interview-Archiv

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ANDY PARTRIDGE
 
Adult Pop
Andy Partridge
Da sind sie also, die beiden ersten Ausgaben der lange versprochenen Archiv-Veröffentlichungen aus dem Hause XTC. Oder besser gesagt: Andy Partridge, denn obwohl ursprünglich geplant war, dass diese CD-Serie über das XTC-eigene Label Idea Records veröffentlicht wird und Musik beider XTC-Köpfe, Andy Partridge UND Colin Moulding, enthält, ist "Fuzzy Warbles (The Demos Archives)" nun doch erst einmal zu einem Soloprojekt Partridges auf dessen neuem Label Ape House mutiert, weil Moulding das Unternehmen zu riskant erschien und er lieber seine finanzielle wie künstlerische Beteiligung zurückzog. Dass mit Moulding, Dave Gregory und Terry Chambers aber dennoch XTC-Mitglieder auf den Partridge-Aufnahmen auftauchen, ist bei den engen Verstrickungen in der XTC-Familie allerdings kein Wunder. Obwohl XTC – die mit "Homespun" und "Homegrown" in den letzten Jahren bereits ähnlich gelagerte Demo-Platten veröffentlicht haben - mit der klassischen Pop-Lehrstunde "Wasp Star" vor nicht allzu langer Zeit ein glänzendes Album veröffentlicht haben, das ihre alten Fans genauso begeisterte, wie es ihnen neue Anhänger bescherte, sind diese beiden Platten ein etwas fragwürdiger Spaß. Schön aufgemacht, mit jeder Menge Hintergrundinfos von Partridge selbst, zeichnen sich die Songs, obwohl "nur" Demos, alle durch ausgezeichneten Sound (man investierte viel Geld und Zeit in das Remastering der Tracks) und für Demos ansonsten ungewöhnliche musikalische Perfektion aus. Dennoch sind die Tonträger wohl eher für die eingeschworene Fangemeinde denn für Quereinsteiger interessant. Warum so mancher XTC auf dem Pop-Olymp neben Legenden wie The Beatles oder The Beach Boys sieht, lassen diese Aufnahmen zwar erahnen, zur weiteren Legendenbildung tragen sie aber trotz ihrer unbestritten hohen Qualität nur bedingt bei.
Andy Partridge
Das darf man schon eher von den neuen Aufnahmen erwarten, die dem Vernehmen nach in Kürze entstehen sollen. Jedenfalls spielen Moulding und Partridge derzeit mit dem Gedanken an ein weiteres XTC-Album. Bevor es dazu kommt, steht allerdings noch ein weiteres, äußerst interessantes Side-Project an: Andy Partridge hat nämlich rund 35 Stücke mit einem weiteren großen 60s-Fetischisten, Robert Schneider von The Apples In Stereo, geschrieben. Aufgenommen werden sollten die Früchte dieser Kollaboration unter dem Arbeitstitel Orchestre Fantastique eigentlich im Oktober in London, doch eine ausgiebige Tournee der Apples verhinderte dies zunächst. All diese neuerlichen Aktivitäten waren für Gaesteliste.de Grund genug, auf das erste Vierteljahrhundert XTC zurückzublicken.

Der Name XTC verleitete im England des Jahres 1977 viele zu dem Trugschluss, dass es sich bei Andy Partridge (Gesang, Gitarre), Colin Moulding (Bass, Gesang), Barry Andrews (Gitarre, Keyboards) und Terry Chambers (Drums) nur um eine weitere Punk- oder Waveband handelte. Aber weit gefehlt, denn XTC waren Power-Pop vom Feinsten. "Den Namen haben wir ausgesucht, weil wir dachten, er würde gedruckt toll aussehen", erzählte Andy vor einigen Jahren. "Und das stimmt. Man muss ihn in Großbuchstaben schreiben, das flößt gleich Respekt ein. Er passt auch gut zur Musik: kurz, scharf und ohne unnötigen Ballast!" Obwohl sie nicht wirklich wie eine dieser Bands klangen, wurde dem Quartett häufig eine Seelenverwandtschaft zu The Beach Boys, The Beatles und The Kinks unterstellt. Auf ihrem ersten Album, "White Music", das Anfang 1978 erschien, zeigte sich die Band allerdings eher von The Stooges, Cockney Rebel oder den New York Dolls beeinflusst, wie Colin anläßlich des Comebacks erzählte. "Damals dachten wir einfach: 'Hoffentlich funktioniert die Band zwei, drei Jahre!' Immerhin war es besser als ein 'richtiger' Job." Nach wie vor ist die Debüt-LP eine der meistgeliebten Platten im XTC-Fanlager, vor allem, weil schon hier zwei der klassischsten Songs des Vierers zu finden sind: "Radios In Motion" und das ultimative Statement zum Thema Anti-Punk-Sound, "This Is Pop!". Barry Andrews, dessen eigenwilliger Pianostil die Frühwerke von XTC - sowohl im Studio als auch live - maßgeblich beeinflusste, hatte allerdings nach den ersten beiden Platten genug. Ersetzt wurde er durch Dave Gregory, dessen Input als Instrumentalist zwar weniger auffällig war, der aber dennoch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Sounds im Studio spielte. "Drums & Wires", das dritte Album, bescherte XTC dann ihren wohl größten Ohrwurmklassiker, "Making Plans For Nigel". Denn obwohl XTC heute als eine der einflussreichsten Bands der späten 70er und 80er gelten, waren ihre kommerziellen Hits dünn gesät. Der Rummel um das Quartett wurde größer, doch genau daran wäre die Band dann beinahe zerbrochen, und ab 1982 traten XTC nicht mehr live auf – nicht zuletzt wegen Andys extremem Lampenfieber und Colins Flugangst.

Andy Partridge
Für Terry, der sich in erster Linie als Livemusiker sah, war damit das Kapitel XTC beendet. Nach einer längeren Auszeit ging das Resttrio plus Gastschlagzeuger ins Studio, um "English Settlement" aufzunehmen. "Das Plattenmachen wurde sehr viel wichtiger. Wir haben uns viel mehr Zeit genommen, und deshalb wurden die Alben auch teurer. Das Schöne war, dass wir uns nicht mehr überlegen mussten, wie wir die Songs live würden umsetzen können. Deshalb finden sich auf diesen Platten viel mehr Facetten und Farben", erklärte uns Colin. Kein Wunder also, dass alle Alben des Studioprojekts XTC nach 1983, allen voran der Fan-Favorit "Nonsuch", von einem unüberhörbaren Experimentierwillen gekennzeichnet sind. Doch nach diesem Album von 1992 wurde es ruhig um die Briten, die sich mit ihrem langjährigen Label Virgin überworfen hatten. "Wir waren 20 Jahre lang auf Virgin und hatten immer noch einen Vertrag zu den gleichen schlechten Konditionen wie damals. Also haben wir gesagt: Entweder ihr gebt uns einen besseren Vertrag, oder ihr bekommt keine neue Platte mehr von uns. Wir waren in einer schwierigen Situation, denn vertraglich hätten wir noch drei weitere Platten abliefern müssen. Wir hatten uns langfristig an Virgin gebunden, weil sie im Gegenzug alte Schulden von uns bezahlt hatten. Trotzdem haben wir gewissermaßen gestreikt, und irgendwann hat Virgin die Geduld verloren und uns gehen lassen."

Der kreative Prozess wurde dadurch nicht nur behindert, sondern auch sehr in die Länge gezogen. Letztendlich beschlossen XTC, ihr eigenes Label zu gründen und die Platten an das kleine, aber feine britische Label Cooking Vinyl zu lizensieren. Danach konnte das Trio endlich mit den eigentlichen Aufnahmen zu einem brandneuen Album beginnen, das 1999 unter dem Titel "Apple Venus Volume 1" erschien. "Wir haben schnell gemerkt, dass es eine Zweiteilung bei den Songs gab. Einige waren rein akustisch, andere hatten Orchester-Parts, die Andy aus seinem Sequenzer gezaubert hatte", beschreibt Colin die Entstehung von "Apple Venus". "Ich war von Anfang an überzeugt, dass es besser sei, aus dem Material zwei Platten zu machen, aber erst der Boss unserer US-Plattenfirma konnte Andy davon überzeugen, dass es wirklich so am besten sei. Als Trostpflaster für die lange Wartezeit gab es die 4CD Box "Transistor Radio" mit Ausschnitten aus einigen Liveshows der Jahre 1978-80 plus bisher unveröffentlichte BBC-Sessions für John Peel oder Kid Jensen. Einem jedoch passte der ganze neuerliche Rummel ganz und gar nicht: Dave Gregory verließ XTC während der Aufnahmen zu "Apple Venus". "Dave hatte das Gefühl, dass ich absichtlich Songs schreiben würde, auf denen er nicht seine typische Gitarre spielen konnte. Das ist aber einfach nicht wahr. Ich hatte nie vor, ihn auf diese Weise aus der Gruppe zu drängen", erinnerte sich Andy, und Colin ergänzte: "Er konnte sich einfach nicht damit abfinden, dass wir etwas Neues ausprobieren wollten. 'Nonsuch' war seine Lieblingsplatte, und er hatte sich wohl in den Kopf gesetzt, dieses Album noch einmal aufzunehmen. Ich mag die Platte auch sehr, aber ich wusste, dass wir ein solches Album unmöglich noch einmal hätten machen können."

Andy Partridge
Aber auch nicht wenige Fans waren ob des orchestralen Klangs von "Apple Venus Volume 1" sehr überrascht. Einige sahen sogar erst in dem 2000er Nachfolger "Wasp Star: Apple Venus Volume 2" das eigentliche Comeback von Colin und Andy, weil erst diese Platte wieder den XTC-typischen Pop-Sound hatte. "Wir machen unsere Platten in erster Linie für uns selbst. Wir sind ein kleines Team, das Musik macht. Wir lieben das. Es ist wie eine Sucht", erklärte und Colin damals, und Andy fügte an: "Du musst immer darauf achten, dass die Songs nicht zu fett und träge werden. Wenn sie das doch tun, musst du sie einer Schlankheitskur unterziehen." "Wasp Star" zeigte ohne Frage, dass XTC diesen Grundsatz nach der streckenweise doch recht üppigen Produktion "Apple Venus Volume 1" für ihr bisher letztes Album wieder strikter beherzigt hatten. Sonst wäre wohl kaum ein so klassisches Pop-Album herausgekommen. XTC beherrschen die hohe Kunst des Songwritings perfekt und zelebrieren heute Popmusik nicht mehr als Revolution und benutzen ihr Musikerdasein nicht mehr, um an Bier, Mädels und schnelle Autos zu kommen, sondern als eine kultivierte Art des Erwachsenseins. Es gibt sogar eine Schublade dafür, und mit der können XTC nach eigener Aussage sehr gut leben. Sie heißt: Adult Pop!
Weitere Infos:
www.xtcidearecords.co.uk.
www.chalkhills.org
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigabe-
Andy Partridge
Aktueller Tonträger:
Fuzzy Warbles (The Demos Archives)
(Ape House Ltd./Indigo)
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