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SONIC YOUTH
 
Forever Young
Sonic Youth
Anderthalb Jahre nach ihrem letzten Major-Album "A Thousand Leaves" und wenige Monate, nachdem ihr gesamtes Equipment (darunter viele Einzelstücke) vor einem Hotel an der Westküste gestohlen wurden, melden sich die berühmtesten New-Yorker-Soundterroristen Sonic Youth musikalisch zurück. "Goodbye 20th Century" heißt das Doppel-Album, das als vierter Teil ihrer experimentellen "SYR"-Reihe erscheint. Das Novum dabei: Endlich hat das Quartett auch für die Platten auf seinem eigenen Label einen Europa-Vertrieb (Cargo Distribution) gefunden. "Goodbye 20th Century" enthält ausschließlich improvisierte Cover-Versionen, allerdings werden hier keine Pop-Songs nachgespielt. Unter Mithilfe von Jim O'Rourke, Takeshi Kosugi oder William Winant wagen sich Sonic Youth an Stücke von John Cage, Yoko Ono oder Steve Reich. Das Ergebnis ist - erwartungsgemäß - streckenweise recht schwer verdauliche Kopfmusik. Keine Pop-Massenware also, aber die haben uns Sonic Youth ja auch bisher nicht vorgesetzt. "Goodbye 20th Century" ist defintiv Kunst. Obwohl Thurston Moore, Kim Gordon, Lee Ranaldo und Steve Shelley ihre erste Platte schon vor über 17 Jahren ablieferten, sind sie immer noch innovativer als die meisten Newcomer, und ohne sie wäre wohl die Hälfte aller anderen Bands, die sich hier auf der Gästeliste wiederfinden, heute Fahrkartenknipser, Schuhverkäufer oder Ersatz-Hausmeister.
Sonic Youth waren - zusammen mit Hüsker Dü und R.E.M. - die wichtigste musikalische Kraft im Amerika der 80er Jahre, wovon Klassiker wie die Indie-Alben "Confusion Is Sex", "Sister" oder "Daydream Nation" Zeugnis ablegen. In den 90ern nutzten sie den Windschatten ihrer Zöglinge der Grunge-Generation und liessen - in nur leicht gemässigter Form - ihren avantgardistischen Noise-Experimenten seitdem für den Major Geffen freien Lauf. 1997 bezogen sie ihr eigenes Studio in Manhattan, veröffentlichten auch schon vor "Goodbye 20th Century" einige ihrer experimentellsten Instrumental-Studio-Jam-Sessions auf ihrem eigenen (unabhängigen) Label SYR. Während andere Bands sich in ihrer Kreativität eingeengt fühlen, wenn ihr Name zu sehr zum Markenzeichen für einen bestimmten Sound wird, haben Sonic Youth mit so etwas keine Probleme. "Darüber denke ich gar nicht nach", erklärt Thurston im Gästeliste-Interview. "Ich weiss, dass die Leute uns für eine leicht zu identifizierende Band halten, aber alle paar Jahre fordern wir unser Publikum neu heraus." Klingt zu einfach, um als ultimatives Erfolgsrezept für eine der wichtigsten Bands der letzten zwei Jahrzehnte durchgehen zu können. Bohrt man ein wenig nach, bekommt man aber eine noch viel simplere Erklärung für die Langlebigkeit der Band. "Ganz einfach", lacht Thurston, "wir haben keine Angst davor, alt zu werden!"

Aber mal im Ernst, wie kann eine Band, die 14 ausnahmslos hochgelobte Alben veröffentlicht hat und täglich von hoffnungsvollen Newcomern als wichtiger Einfluss genannt wird, sich noch motivieren? Versuchen sie, an jede neue Platte heranzugehen, als sei es ihre erste? "Nicht bewusst, aber wenn es passiert, ist das sehr schön. Als wir 1997 angefangen haben, die EPs auf SYR zu veröffentlicht, fühlten wir uns wirklich wie eine neue Band. Als wir uns die Stücke nachher angehört haben, schauten wir uns an und sagten uns: 'Davon könnten sich viele Bands, die sich für die Geschichte der obskuren Klänge interessieren, noch eine Scheibe abschneiden. Warum veröffentlichen wir sie nicht OHNE den grossen Hype und schauen einfach mal, was die Leute wirklich davon halten?' Und die Leute schienen sie zu mögen. Das war ein tolles Gefühl. Ab und zu passiert so etwas. Wir waren zum Beispiel vor ein paar Jahren in Amerika auf Tour mit Neil Young", sagt Thurston und muss schon beim Gedanken daran laut lachen. "Das ganze Publikum bestand nur aus Rednecks, die uns ausgebuht haben. Da haben wir uns auch wie eine neue Band gefühlt. Die hatten keine Ahnung, wer wir waren, und soweit es sie anging, waren wir nur ein Haufen krachiger Durchgeknallter, die nicht richtig spielen können. Das war eine echte Herausforderung. Das war Klasse!"

Sonic Youth
Doch 18 Jahre sind eine lange Zeit für eine Band, die damals fast per Zufall entstand und in deren Konzept immer Platz für diverse Side-Projects war. "Zu Beginn war Sonic Youth 'just another thing' für uns. Doch es entstand eine Magie, die all unsere anderen Projekte nicht hatten. Trotzdem haben wir auch mit den anderen Sachen weitergemacht, und das war sehr hilfreich, denn diese Nebenbeschäf- tigungen waren immer ein wichtiger Teil von Sonic Youth." Nebenbei hat Thurston deshalb zum Beispiel mit dem Gitarristen Nels Cline von der Mike Watt Band das Solo-Album "Pillow Wand" aufgenommen, das auf dem deutschen Skycap-Label erschienen ist. Kim brachte letztes Jahr "Sentimental Education" (Wiija) mit ihrer "Zweitband" Free Kitten auf den Markt, und Lee veröffentlichte diverse Bücher und zwei Alben, "Amarillo Ramp" (Starlight) und "Clouds" (Victo). Steve ist nicht nur mit der Verwaltung von SYR, sondern auch mit seinem Smells-Like-Records-Label beschäftigt. "Das ist so etwas wie eine Parallel-Karriere geworden", meint auch Lee, der sich kurz nach Thurston unseren Fragen stellt. "Die Band ist aber immer noch unser Hauptanliegen und ausserdem ja auch unsere wichtigste Einkommensquelle. Vieles von dem, was wir in den letzten Jahren alleine gemacht haben, hat auch das neue Album beeinflusst. Aber manche Sachen können wir eben nicht als Sonic Youth verwirklichen, und dann machen wir es halt alleine." Lee, der übrigens interessanterweise das elf Jahre alte "Daydream Nation" Album für die beste Sonic-Youth-Platte hält, weiss genau, dass sich seine Band in einer Ausnahmesituation befindet. "Genau! Es ist unglaublich! Wir haben ein eigenes Studio! Wir haben ein eigenes kleines Label, machen aber die 'grossen' Platten immer noch für Geffen! Das ist grossartig. The best of all worlds!" Die Auswahl der Stücke für die Indie-Platten auf SYR und "A Thousand Leaves" war übrigens denkbar einfach. Alle Songs mit Gesang erschienen auf dem Major-Album, während die Instrumentals den EPs auf der Hausmarke vorbehalten waren. Der Gesang sei auch das einzige, was die Songs auf dem Geffen-Album weniger abstrakt erscheinen lasse, ist sich Lee sicher.

Live hat das Quartett auf seiner letzten Tour nur neue Songs präsentiert, die Zeiten, in denen sie regelmässig auch Klassiker wie "Teenage Riot" oder "Sugar Kane" spielten, ist laut Lee endgültig vorbei. "In den letzten Jahren haben wir verstärkt Songs aus allen Phasen unserer Karriere gespielt. Derzeit sind wir aber einfach mehr am neuen Material interessiert." Kann das nicht zu einigen enttäuschten Gesichtern im Publikum führen? "Natürlich, in gewisser Weise schon", räumt Lee ein. "Aber die Leute werden sich auch über die neuen Songs freuen. Ich finde, es ist interessanter, eine Band zu sehen, die genau das spielt, womit sie sich gerade beschäftigt, als Mick Jagger 'Satisfaction' singen zu hören. Das ist nur ein Nostalgie-Trip."

Doch Sonic Youth blicken, obwohl die Bandmitglieder im Schnitt schon über 40 sind, weiter nach vorne, immer auf der Suche nach neuen Sound-Fallen. Und das wird sich hoffentlich so bald nicht ändern.
Weitere Infos:
www.sonicyouth.com
die.weltherrschaft.de/dirty
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-

Aktueller Tonträger:
Goodbye 20th Century
(Smells-Like-Records)

 
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