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EVAN DANDO
 
Das Zufallsprinzip
Evan Dando
Wie verbringen Rockstars eigentlich den Tag ihrer Albumveröffentlichung? Liegen sie am Strand und ruhen sich auf ihren Lorbeeren aus? Fliegen sie nach L.A. und feiern mit Alkohol und Drogen eine wilde Party? Oder liegen sie vielleicht einfach nur daheim in den Armen ihrer Liebsten und beginnen mit dem Warten auf die GEMA-Abrechnung? Für Evan Dando trifft keines dieser Szenarien zu, denn den Tag, an dem "Baby I'm Bored", sein Soloerstling - sechseinhalb lange Jahre nach seinem letzten Studioalbum mit den Lemonheads - erschien, verbrachte Evan in - Köln! Genauer gesagt im Gebäude 9, wo er sich kurz vor halb zehn mit dem Schlachtruf "Where's Jonathan?" samt Pudelmütze und Gitarre unter dem Arm den Weg in den Backstagebereich bahnte, um einige Zeit später streckenweise für mehr Action im Publikum zu sorgen als der alles andere als langweilige Jonathan Richman auf der Bühne...
"Es fühlt sich großartig an, ich würde mit niemandem tauschen wollen", beantwortete der frühere Lemonheads-Kopf wenige Wochen zuvor beim Treffen mit Gaesteliste.de im Kölner Café Hallmackenreuther die Frage, wie es denn sei, im Jahre 2003 Evan Dando zu sein. "Ich bin im Moment ziemlich gut drauf. Ich habe wirklich das Gefühl, dass das Leben in Kreisen verläuft, die man nicht kontrollieren kann, und im Moment bin ich in einer der Phasen, in denen ich jeden einzelnen Tag sehr glücklich bin. Ich weiß, dass es auch wieder rapide bergab gehen wird, aber derzeit versuche ich, eine gute Zeit zu haben, so lang es noch geht." Helfen soll ihm dabei "Baby I'm Bored", doch schon vor seinem Erscheinen spaltete das Werk das Publikum. Während Kollege Ullrich Maurer beispielsweise die ohne Frage beachtenswerte Lässigkeit und das pfiffige Songwriting lobte, gibt es auch einige langjährige Evan-Fans, die sich mit "So toll ist die Platte ja nicht, will sogar sagen, alle anderen waren um einiges besser" zitieren lassen. Was vermutlich nicht zuletzt auch daran liegt, dass "Baby I'm Bored" über den Zeitraum von mehreren Jahren, an drei verschiedenen Orten, mit einer ganzen Reihe unterschiedlicher Produzenten und Musiker aufgenommen wurde und so die innere Zerrissenheit, die Gratwanderung zwischen Genie und Wahnsinn, die man inzwischen auch von Evans Konzerten gewohnt ist, widerspiegelt. Das erklärt einige Unebenheiten der Platte, auf der die beiden besten Songs bezeichenderweise aus der Feder von Ben Lee stammen, aber nicht unbedingt, warum sie nicht schon viel früher hätte erscheinen können. Die ersten Aufnahmen, mit Giant Sand als Backingband (bei zwei der schönsten Nummern der Platte, "Hard Drive" und "In The Grass All Wine Coloured"), stammen bereits aus dem Jahre 1998. "Als ich [1997] aufgehört habe, live zu spielen, setzte die gesamte Musikindustrie zu einer großen Talfahrt an. Insofern bin ich fast froh, so lange weg vom Fenster gewesen zu sein. Ich hätte damals eine Platte veröffentlichen können, die zwanzigmal besser hätte sein können als diese hier, und trotzdem hätte ich keine Chance gehabt. Jetzt scheinen die Leute wieder etwas offener zu sein. Schau dich doch um, im Moment sind einige echt gute Bands wirklich angesagt, Queens Of The Stone Age zum Beispiel!"

Hauptkollaborateur auf dem neuen Album ist Produzent und Multiinstrumentalist Jon Brion (Aimee Mann, Fiona Apple, Elliott Smith) der auch als Co-Autor vieler Stücke auftaucht und dafür verantwortlich zeichnet, dass erstmals auf einer Dando-Schreibe - glorreiche Ausnahmen wie "My Drug Buddy" einmal ausgeklammert - viele Keyboards zu hören sind. Alles purer Zufall, wie Evan, übrigens inzwischen mit dem englischen Model Elisabeth Moses verheiratet, uns erklärte. "Es war einfach Glück, dass Jon Brion ein Fan von mir war und mich nach L.A. einlud. Unsere Zusammenarbeit lief unfassbar glatt. Es war wie ein Feuerwerk. Gleich am ersten Abend schrieben wir nicht nur den Song 'Stop My Head', wie nahmen ihn auch noch sofort auf! Jon ist einfach großartig. Ich habe mich gefühlt, als arbeitete ich mit einem verrückten Genie aus einer vergangenen Zeit zusammen. Außerdem spielt er jedes Instrument, das du dir nur vorstellen kannst." Apropos Instrumente: Interessanterweise gab Evan bei unseren Gespräch an, dass das Schlagzeug immer noch sein Lieblingsarbeitsgerät sei. "Das Schlagzeugspielen macht mir einfach den größten Spaß. Wenn du mich wirklich glücklich machen willst, sperrst du mich fünf Stunden in einen Raum mit einem Schlagzeug. Darauf so hart wie möglich einzudreschen, ist physisch und mental sehr gut. Ab und zu brauche ich das einfach!" Auf dem Debütalbum der neuen Band seines alten Kollegen Tom Morgan spielt Evan interessanterweise Bass. "Sie haben mir einen Freiflug nach Australien spendiert, und ich hab 100 Mäuse am Tag bekommen, nur um Bass zu spielen. Auf dem letzten Track spiele ich allerdings auch noch Schlagzeug und das Gitarrensolo. Hast du die Platte schon gehört? Die Band heißt The Give Goods."

Evan Dando
Die fortwährende Zusammenarbeit mit seinem langjährigen Co-Autor Tom, der auch zu "Baby I'm Bored" zwei Songs beisteuert, ist allerdings nicht die einzige Verbindung zur Vergangenheit. Das Cover der Platte ist eine Hommage an die Hülle der ersten Lemonheads-LP Mitte der 80er. "Das Cover sollte wie das einer Punkrock-Platte aussehen", ließ uns Evan wissen. "Schließlich ist es ja eine Soloplatte, und früher habe ich immer gedacht, Soloalben sind nur etwas für Lutscher. Daher die Idee, das Cover wie 'Hate Your Friends' aussehen zu lassen." Für den Moment ist Evan erst einmal alleine unterwegs, was nicht heißt, dass er sich als Solist mittlerweile wirklich wohl fühlt, wie er uns gestand: "Ich würde wirklich gerne wieder in einer richtigen Band spielen. Wenn sich die Möglichkeit zu irgendetwas Traveling-Wilburys-Mäßigem ergibt, bin ich auf jeden Fall dabei!" Zum Beispiel bei den Virgins, jener Allstar-Spaßband, die Evan zusammen mit Ryan Adams, Melissa Auf der Maur und James Iha gründete. Eigentlich hätten die vier sogar ihr Debütalbum fertig haben wollen. "Ryan hat sich die Hand gebrochen und uns so einen Strich durch die Rechnung gemacht", erzählte Evan. "Das Studio war sogar schon gebucht, und wir wollten eine wirklich verrückte Psychedelic-Platte machen. Das werden wir auch auf jeden Fall nachholen. Wir wollen uns für zwei Wochen ein Studio mieten und alle Songs in dieser Zeit schreiben und aufnehmen." Die klassische Popmusik-Arbeitsweise der 60er also, kein Wunder also, dass Evan unsere Frage, welche Platten ihn denn dazu inspiriert hätten, ein Instrument in die Hand zu nehmen, blitzschnell zu beantworten weiß: "'Heatwave' von Martha And The Vandellas und 'Under My Thumb' von den Rolling Stones! Und einige der frühen Jackson-5-Sachen!"

"Baby I'm Bored" mag nicht ganz die Platte sein, die man sich nach einer so langen Pause von Evan erhofft oder erwartet hatte, dass er im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern der "Slacker"-Generation der frühen 90er überhaupt noch dabei ist, verdient allerdings ohne Frage Respekt. Wo liegt das Geheimnis seines langen Atems? "Ich denke, es liegt einfach daran, dass die Musik mein Ein und Alles ist. Und ich liebe das Unterwegssein. Und wenn dir etwas wirklich wichtig ist, versuchst du nun einmal, daran festzuhalten. Abgesehen davon hatte ich einfach Glück, dass mir mein Publikum treu geblieben ist", sinnierte Evan und fügte abschließend nachdenklich hinzu: "Das war wirklich vor allem Glück!"

Weitere Infos:
www.evandando.com
www.evanlemon.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Jan Welters-
Evan Dando
Aktueller Tonträger:
Baby I'm Bored
(Setanta/Clearspot/EFA)

 
 

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