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LUCINDA WILLIAMS
 
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Lucinda Williams
"Ich sehe mich in erster Linie als Songwriterin. Das Musikbusiness ist kein Teil meiner eigentlichen Tätigkeit. Dass diese neue Platte recht schnell nach der letzten erscheint, verdanke ich lediglich dem glücklichen Zufall, dass ich die Songs schneller als sonst üblich zusammenhatte. Ich hatte einfach Dusel. Wer weiß, was nach dieser Platte passiert? Vielleicht schreibe ich in den nächsten fünf Jahren keinen einzigen Song. Man kann nie wissen!" Das sagt Lucinda Williams über ihre ausgezeichnete neue Platte "World Without Tears". Das neue Album setzt dort an, wo der auch an dieser Stelle hochgelobte Vorgänger "Essence" aufhörte, offenbart aber auch eine willkommene Weiterentwicklung. So finden sich neben den tieftraurigen Balladen, die für Lucinda in den knapp 25 Jahren seit ihrem Erstling "Ramblin'" zum Markenzeichen geworden sind, auf "World Without Tears" auch einige Uptempo-Nummern, will meinen: Der gewohnt breit gefächerte Sound aus Blues, Folk, Country und Rock ist dieses Mal noch eklektischer als sonst.
Aufgenommen hat Lucinda das neue Werk fast komplett live im Studio. Zur Seite standen ihr dabei dieses Mal nur die Musiker ihrer Touring Band. Eine Reaktion auf die Sessions der beiden Vorgängeralben, bei der sich prominente Musiker und altgediente Studio-Profis wie Charlie Sexton, Jim Keltner, Roy Bittan, Steve Earle oder Ryan Adams die Klinke in die Hand gaben? "Nicht wirklich. Das war damals einfach das Beste. Das gilt für alles, was ich mache: Was ist für den Moment das Richtige? Dieses Mal ergab es sich einfach, dass ich schon mit einer festen Band unterwegs war, mit der ich auch die neuen Songs schon gespielt hatte. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte ich vermutlich auf ähnliche Leute wie bei 'Essence' zurückgegriffen. Das ist schwer zu sagen, weil ich mir um so etwas eigentlich kaum Gedanken mache." Auffällig ist, dass trotz des angenehm rauen Sounds der Platte Lucindas Stimme stark im Vordergrund steht. Gerade bei Platten mit Live-Atmosphäre ist es ja ansonsten oft umgekehrt. Die Instrumente übertönen den Gesang. "Das stimmt, aber ich habe es schon immer gemocht, dass die Stimme aus dem Rest hervorsticht. Das heißt also nicht, dass mir der Gesang und die Texte dieses Mal wichtiger wären als auf früheren Platten. Es kommt einfach immer darauf an, mit wem ich im Studio gerade zusammenarbeite und wie die Stücke aufgenommen werden." Dass ihr Vater, der Poet Miller Williams, Klein-Lucinda schon früh mit seinen Schriftsteller-Kollegen zusammenbrachte, färbt dennoch bis heute auf ihre großartigen Texte ab.

Das Interessante ist, dass sich Lucindas Songs auf geradezu magische Weise zu Alben zusammenfügen. Zumindest dafür, dass Lucinda ihre Songs nicht mit speziellen Aufnahmesessions und einem daraus resultierenden Album im Hinterkopf schreibt, klingen ihre Platten ziemlich durchdacht und sind keinesfalls nur wie eine lose Sammlung von unzusammenhängenden Songs. Da ist es umso erstaunlicher, dass Lucinda das Wort "Outtakes" nicht zu kennen scheint. "Auf dem neuen Album sind alle Songs, die wir aufgenommen haben. Ein einziger hat es nicht auf das fertige Album geschafft, aber der wird als Bonustrack auf der Vinylversion enthalten sein. Mehr Stücke gibt es nicht, denn ich schreibe ja keine Massen von Songs. Ich schreibe nicht jeden Tag, denn meistens habe ich genug damit zu tun, mich von Tag zu Tag durchzuschlagen." Sie hat also immer noch den Blues, aber zumindest für ihre Musik ist das auch ganz gut so. Denn Songs wie "Those Three Days" oder "American Dream" schreibt bestimmt niemand, der seine Zeit gut gelaunt auf Parties verbringt oder sich im Blitzlichtgewitter der Medien wohl fühlt. "Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als die ganze Zeit Interviews geben zu müssen und über mich selbst zu reden", sagt sie folgerichtig. Ihre Eigensinnigkeit hat sich zwar über die Jahre als echter Glücksfall erwiesen, ihr früher aber auch oft im Weg gestanden. Hinzukommt, dass sie zudem unter Flugangst leidet, was internationale Tourneen zu einem schwierigen Unterfangen werden lässt. Eigentlich soll sie Mitte Mai auf einer ihrer sehr, sehr seltenen Abstecher nach Europa auch für drei Konzerte in Hamburg, Darmstadt und Berlin Station machen ("Das ist ein Versuch, mit meiner Flugangst umgehen zu lernen"), doch mit der weltpolitischen Lage als zusätzlichem Risikofaktor ist es leider nicht unwahrscheinlich, dass die Tournee doch noch abgesagt wird, wie uns Lucinda etwas betrübt erzählt.

Ihre Hauptinspirationsquelle sind auch fast ein Vierteljahrhundert nach ihrer ersten Platte die Songs und Alben anderer. "Ich höre den ganzen Tag Musik. Sobald ich aufgestanden bin, lege ich eine Platte auf, und ich hab auch immer Musik laufen, wenn ich mit meinen Truck herumfahre", erzählt Lucinda. Papier ist bekanntlich geduldig und auf den Waschzetteln der Plattenfirmen, die den Exemplaren der Platten, die an die Journaille versendet werden, für gewöhnlich beiliegen, finden sich oft die abstrusesten Vergleiche. Nicht selten hört man von den Künstlern selbst ein erschrecktes "Oh mein Gott, das steht dort doch nicht wirklich?", wenn man sie darauf anspricht. Grund genug für uns, Lucinda nach den Platten zu fragen, die die Arbeit an "World Without Tears" am meisten beeinflusst haben. "'Time Out Of Mind' von Bob Dylan", kommt die erste Antwort wie aus der Pistole geschossen, "vor allem wegen der Art und Weise, wie die Platte produziert ist. Und natürlich auch wegen der Songs, aber das muss ich nicht extra erwähnen, oder? Dass Mark Howard [Engineer der genannten Dylan-Platte] mein neues Album produziert hat, war allerdings eher Zufall. Wir hatten eine ganze Reihe Namen auf der Liste, obwohl es sicher nicht geschadet hat, dass er an dem Album gearbeitet hat, denn so wusste er sofort, nach was für einem Sound ich suchte, und wir konnten das Dylan-Album als Referenz nehmen. Eine andere Platte, die ich während der Aufnahmen oft gehört habe, ist Dusty Springfields 'Dusty In Memphis', das Gleiche gilt für 'The Best Of The Doors', das hat vermutlich teilweise den Song 'American Dream' beeinflusst, jedenfalls höre ich das jetzt von vielen Leuten. Wichtig war auch ZZ Tops 'Rhythmeem', eine ihrer späteren Platten, die nur die wenigsten kennen, obwohl sie wirklich gut ist, weil sie wieder so klingt wie die frühen Alben. Die Klassiker sind natürlich 'Tres Hombres' und 'Rio Grande Mud'. Viel gehört habe ich auch 'She-Wolf' von Jesse Mae Hemphill, eine Delta Blues-Platte, ähnlich wie Junior Kimbrough. Paul Westerberg war auch ein großer Einfluss, das kann man auf 'Real Life Bleeding Fingers' besonders gut hören. Ich denke, von seinen Platten ist '14 Songs' mein Favorit, obwohl ich all seine Soloplatten sehr schätze. Ich würde mir nur wünschen, dass er die Texte auf seinen Platten abdruckt! Ich mag aber auch die Diana Krall-Platte, mit der sie bekannt geworden ist ['The Look Of Love'] und Jill Scotts 'Who Is Jill Scott?'. Und natürlich ist Nick Drake immer ein großer Einfluss auf mein Songwriting. Das Boxset mit all seinen Alben höre ich ziemlich oft, wenn man's genau nimmt, eigentlich sogar jeden Tag!"

Lucinda Williams
Was nach einem Vierteljahrhundert als Musikerin für sie bis heute unerreicht geblieben ist, wollen wir wissen. "Ganz einfach: Persönliche Zufriedenheit, das ist es, wonach ich immer noch suche", antwortet Lucinda nicht überraschend. Einen kleinen Beitrag dazu leisten die zahllosen Coverversionen, die inzwischen von ihren Songs existieren. Patty Loveless coverte schon früh "The Night's Too Long", Mary Chapin Carpenter interpretierte "Passionate Kisses" und bescherte der Autorin des Songs so vor zehn Jahren ihren ersten Grammy. Evan Dando spielte die beiden erwähnten Songs live und stellte Lucinda so einem ganz neuen Indie-Publikum vor, und Mary Lou Lords Version von "Hard Road" ist ein sicheres Highlight eines jeden ihrer Konzerte. Welche Coverversionen ihrer eigenen Songs schätzt Lucinda denn besonders? "Ich liebe Emmylou Harris' Version von 'Sweet Old World' und Tom Pettys 'Changed The Locks'. Natürlich sind Coverversionen immer schmeichelhaft. Ich bin ja kein großer Star, den man nur aus der Ferne betrachten kann. Natürlich bin ich besser dran als viele andere, und es ist nicht so, dass ich das nicht zu schätzen wüsste, aber es gibt mehr im Leben", sagt Lucinda bestimmt. Dass einige Menschen denken, mit ihrem Erfolg und ihren vielen gewonnenen Preisen hätte sie auch die Lizenz für ein besseres Leben erworben, will ihr einfach nicht in den Kopf. "Ich wünschte, die Leute würden verstehen, dass der Gewinn von ein paar Grammys nicht das Leben verändert. Erfolg ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit Glücklichsein."
Weitere Infos:
www.lucindawilliams.com
www.lonestarwebstation.com/lucinda.html
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Danny Clinch-
Lucinda Williams
Aktueller Tonträger:
World Without Tears
(Lost Highway/IslandMercury/Universal)

 
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