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09.08.2016
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10+10

ECHO BLOOM

Echo Bloom
Deutschland ist gut zu Echo Bloom. Bei einem längeren Berlin-Aufenthalt vollendete Kyle Evans, der Sänger und Gitarrist der Band, für die die Schublade Americana längst viel zu eng ist, Songs für gleich drei Alben, ihr Label Songs & Whispers ist in Bremen beheimatet und derzeit befindet sich das durch Aviva Jaye (Keyboards, Harmoniegesang), Alex Minier (Bass) und Cody Rahn (Schlagzeug) komplettierte Quartett auf einer zweimonatigen (!) Deutschland-Tournee, die noch bis Ende August dauert.

Ihre Wurzeln und Heimat aber haben Echo Bloom in den USA. Schon 2008 veröffentlichte Evans unter dem Bandnamen das Album "Jamboree", auf dem er verschiedene Herangehensweisen und Genres zusammenführte. So richtig überzeugt war er von dem Schmelztiegel der Ideen aber wohl nicht, denn schon bald darauf nahm er eine im wahrsten Sinne des Wortes farbenfrohe Trilogie in Angriff, bei der er mit seinen Mitstreitern auf jedem Album einen bestimmten Ansatz verfolgt. Mit "Blue" erschien letztes Jahr das Folk-orientierte erste Album in der Reihe, das dieser Tage veröffentlichte "Red" widmet sich vornehmlich dem Country-Rock in all seinen Schattierungen, und mit "Green" erwartet uns bald noch eine LP mit klassischer Popmusik.

Anders als der üppig orchestrierte Vorgänger ist "Red" ein handgemachtes Bandalbum mit Live-Charakter und viel Richtung Westcoat-Folk deutendem Harmoniegesang. Darauf streifen Echo Bloom (natürlich) nicht zuletzt ob des exzellenten Storytellings bei Songs wie "Texas Two" oder "Another Rose" Townes Van Zandt, Kris Kristofferson und andere Größen des Amerciana-Genres, haben aber in den emotionalen Uptempo-Momenten wie auf der mitreißenden Single "Leaving Charleston" auch keine Angst vor Springsteens Grandezza. Gleichzeitig spielen Kyle und Co. mit viel Distortion und Feedback und legen so einen unerwarteten Shoegazer-Schleier über Songs wie "Willingham" und docken dabei fast an den 90er-Jahre-Werken der Walkabouts an. Gaesteliste.de traf Kyle und Cody nach ihrem feinen Auftritt im Duisburger Grammatikoff.


1. Was ist eure Definition von "guter Musik"?

Kyle: Gute Musik löst Gefühle in dir aus. Dabei spielt es keine Rolle, was es ist: Klassische Musik, HipHop oder Metal. Solange sie Emotionen auslöst, ist sie gut! Und natürlich Nickelback (lacht)!

Cody: Ja! Gut ist jegliche Musik (oder Kunst), wenn sie auf ehrliche und unverfälschte Art entstanden ist. Wenn ich zum Beispiel eine Band sehe und ihre Art von Musik nicht wirklich mag, aber wenn ich merke, dass sie das, was sie tun, wirklich mögen und dahinterstehen, dann finde ich das gut. Ich würde mir vielleicht die Platte nicht kaufen, aber gut fände ich es trotzdem.

Kyle: Du meinst, wenn sie wirklich überzeugend sind?

Cody: Ja, denn ich sehe ganz oft Bands, die ihre Musik einfach nur herunterleiern, obwohl sie die Songs selbst geschrieben haben!

2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?

Kyle: Die Herangehensweise war eine komplett andere als beim Vorgänger "Blue". "Red" ist viel eher eine Rock-Platte. Es gibt mehr Distortion und die Produktion ist vielschichtiger. Beim Songwriting spielte das Erzählerische eine viel größere Rolle. "Blue" war viel orchestraler. Es gab nur einen großen Score für die ganze Platte. Wir sind ins Studio gegangen und haben vom Blatt gespielt, zudem waren die Texte dort impressionstischer.

3. Warum sollte jeder eure neue Veröffentlichung kaufen?

Kyle: Das Album hält für jeden etwas bereit. Es finden sich darauf Geschichten, die die Leute hören sollten, und die Melodien und Performances sind richtig gut. Es ist wirklich handgemacht und wir haben uns viel Zeit genommen, es aufzunehmen.

4. Was habt ihr euch von eurer ersten Gage als Musiker gekauft?

Kyle: Ich habe mir eine Gitarre gekauft. Eine Fender Telecaster, die ich immer noch besitze und liebe.

Cody: Ich habe definitiv die Miete damit gezahlt. Als ich zum ersten Mal Geld mit der Musik verdient habe, bin ich gerade in mein erstes eigenes Apartment gezogen und alles ist sofort für die Miete draufgegangen, wirklich alles (lacht).

5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass ihr Musiker werden wolltet?

Cody: Als ich sieben Jahre alt war, hatte ich einen Babysitter, der ungefähr 15 war und Schlagzeug spielte. Eines Tages ging ich nach der Schule zu ihm (er wohnte gleich um die Ecke). Dort drosch ich auf sein Schlagzeug ein und war vollkommen davon begeistert. Er hat mir dann sein Übungsschlagzeug vermacht, weil er sich etwas Besseres gekauft hatte, und bis ich 16 war und mir ein eigenes Schlagzeug kaufen konnte, habe ich das dann gespielt. Der Wendepunkt kam also, als ich sieben war!

Kyle: Ich bin durch einen Highschool-Lehrer zur Musik gekommen. Ich bin im amerikanischen Süden aufgewachsen, in Pensacola, Florida, der Redneck-Riviera. Außer Classic Rock im Stile von Southern Rock gibt es dort nicht viel. Der Lehrer unterrichtete Physik und die Räume waren in einem eigenen Flügel des Schulgebäudes und komplett gefliest. In den Pausen zwischen dem Unterricht ließ er "Dark Side Of The Moon" in einer unglaublichen Lautstärke laufen. Das Echo zog sich durch alle Gänge. So etwas hatte ich noch nie gehört! Danach habe ich dann selbst mit der Musik angefangen.

6. Habt ihr immer noch Träume - oder lebt ihr den Traum bereits?

Cody: Ich hatte nie Träume!

Kyle: Wirklich?

Cody: Nee, das war gelogen. Natürlich habe ich Träume!

Kyle: Insgeheim träumst du doch davon, ein exotischer Tänzer zu werden!

Cody: Ja, eines Tages will ich das machen, mit Fliege und allem Drum und Dran. Vorher muss ich aber dringend noch ins Fitnessstudio!

Kyle: Im Ernst, wir leben den Traum. Wir wissen nie, was auf uns zukommt, aber irgendeine Art von Traum leben wir jeden Tag.

Cody: Musik in Übersee zu machen war immer ein Traum von mir. Natürlich hatten wir auf dieser Tour auch schon Auftritte, die alles andere als traumhaft waren, aber heute Abend war toll!

7. Was war eure größte Niederlage?

Kyle: Das ist eine tolle Frage! Ich denke, ich versage immer mal wieder, wenn ich mich an etwas Neues heranwage. Ein Freund von mir ist ein angehender Autor, und wann immer er ein Ablehnungsschreiben erhält, klebt er sich das an die Wand. Wenn er in sein Zimmer kommt, muss er an dieser Wand voller Ablehnungen vorbei. Das ist schon ziemlich heftig und ich weiß nicht, ob ich das jeden Tag sehen wollen würde, aber er sagt sich: Ich versuche jeden Tag aufs Neue, aus meinen Fehlern zu lernen.

Cody: Ich bereue, dass ich während meiner Schulzeit nicht genug geprobt habe. Mir wurde immer gesagt: Sobald du mit der Schule fertig bist, hast du keine Zeit mehr dafür, aber ich habe mir das nicht zu Herzen genommen. Ich denke, ich bin spieltechnisch auf dem gleichen Level wie die meisten Musiker in meinem Umfeld, aber es gibt Leute meines Alters, die einfach viel besser und kreativer sind. Das ist ein Problem des Zeitmanagements, das sich für mich nicht nur auf die Musik bezieht. Das hängt wie ein Regenbogen aus Scheiße über meinem ganzen Leben (lacht).

8. Was macht euch derzeit als Musiker am glücklichsten?

Kyle: Heute ist die 35., nein, die 97. Show auf dieser Tour (lacht). Wir spielen nun wirklich schon eine ganze Weile jeden Tag, manchmal sogar mehrmals am Tag - and I fucking love it! Natürlich kann die ganze Fahrerei manchmal eine Herausforderung sein oder du hast zu wenig Schlaf und riechst ein bisschen streng, aber jeden Tag zu spielen, Leute zu treffen und die Welt zu sehen - wir sind echte Glückspilze, dass wir das machen können.

9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?

Cody: Das ist definitiv "Short People Have No Reason To Live" von Randy Newman. Ich finde, mehr Menschen sollten dieses Lied hören und gewahr werden, dass der Typ, der die Musik zu "Toy Story" geschrieben hat, auch ein Lied geschrieben hat, in dem es heißt, dass kleine Menschen keine Lebensberechtigung haben. Bei den Songs von den Black Eyed Peas oder Bon Jovi geht es nur ums Geschäft, sie sind gemacht fürs Radio. Die sitzen nicht im Studio und machen sich Gedanken um ihre Texte. Randy Newman dagegen hat sich hingesetzt und hat sich gesagt: Ich schreibe jetzt dieses Lied. Er hat wenig geschlafen und sich von Kaffee und Zigaretten ernährt, um dieses Lied möglich zu machen (lacht).

10. Wer - tot oder lebendig - sollte auf eurer Gästeliste stehen?

Kyle: Wir haben uns kürzlich über eine ganz ähnliche Frage unterhalten: Wen hättest du gerne bei einer Dinnerparty dabei? Meine Antwort ist: Oscar Wilde, Barack Obama, Keith Richards, und obwohl ich Leonard Cohen gerne dabei hätte, habe ich das Gefühl, dass er ein Langweiler wäre.

Cody: Andy Kaufman! Ich würde auch gerne mit Miles Davis abhängen, auch wenn er vermutlich das Arschloch sein würde, das er nun mal war, und mit Stewart Copeland! Ich würde all die Licks von Stewart spielen und ihm sagen: "Kuck mal, was ich alles von dir geklaut habe!"

Weitere Infos:
www.echobloom.com
www.facebook.com/echobloomrocks

Text: -Gaesteliste.de-
Foto: -Leonardo Mascaro -
Echo Bloom
Aktueller Tonträger:
Red
(Songs & Whispers/Broken Silence)
 

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