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26.09.2017
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10+10

WORRIERS

Worriers
Worriers sind die etwas anderen Punk-Aktivisten. Während sich viele gleichgesinnte Musiker da draußen bis heute darauf konzentrieren, die ihnen am Herzen liegenden sozialen, politischen oder persönlichen Probleme in mitsingkompatible, aufrührerische Hymnen zu verpacken, geht die Band um Lauren Denitzio einen etwas anderen Weg. Anstatt auf plakative Slogans zu vertrauen, setzt die inzwischen in Philadelphia heimische Amerikanerin lieber bei sich selbst an, beleuchtet Themen, die ihr wichtig sind, aus einem persönlicheren Blickwinkel, statt vage auf Allgemeingültiges abzuzielen. Wenn sie Not-Operationen am offenen Herzen, ihr queeres Coming-Out oder den Verlust guter Freunde durch Selbstmord thematisiert, singt sie in knackig kurzen Songs voller Energie über Erfahrungen aus erster Hand.

"Survival Pop" heißt das nun erscheinende zweite Worriers-Album, denn vieles auf der neuen LP dreht sich um den täglichen Überlebenskampf im Angesicht von Krankheit und Verlust und die durch Frauenfeindlichkeit, Homophobie und das Patriarchat errichteten Hürden, die es für Künstlerinnen wie Denitzio zu überwinden gilt. Trotzdem versinken Worriers dabei nicht in Selbstmitleid. Auch wenn die neben der Musik auch als Illustratorin tätige Frontfrau auf der Bühne oft ein wenig schüchtern und unsicher wirkt - in ihren Liedern spricht sie mit selbstsicherer Stimme und sorgt musikalisch dafür, dass der auf den ersten Blick verführerisch klingende Vergleich mit den Riot Grrrls ins Leere läuft.

Denn mit ihren inzwischen zu einer echten Band zusammengewachsenen Mitstreitern Lou Hanman (Gitarre), Mikey Erg (Schlagzeug), Nick Psillas (Bass) und John McLean (Gitarre) verliert Denitzio auf "Survival Pop" die DIY-Punk-Wurzeln zwar aus den Augen, arbeitet aber auch schon auf dem von Against-Me-Mastermind Laura Jane Grace co-produzierten Debüt "Imaginary Life" aus dem Jahre 2015 den bereits allgegenwärtigen Ohrwurm-Faktor noch stärker heraus. Sperrig dürfen andere sein, die Lieder von Worriers sollen dem Publikum im Gedächtnis bleiben - und das tun sie ohne jeden Zweifel. Zudem merkt man dem Album an, dass Denitzio in den letzten Jahren nicht nur mit Worriers, sondern auch viel solo auf der Bühne gestanden hat. Die Wucht der Band ist weiter vorhanden, aber die Melodien rücken nun oft ein Stück weiter in den Vordergrund und sorgen so für noch mehr Wiedererkennungswert. Intim und aufrüttelnd zugleich sind die neuen Songs, die man einmal hört und nicht so schnell wieder vergisst.

Bevor Worriers Anfang 2018 auf deutsche Bühnen zurückkehren wollen, trafen wir Lauren bei ihrem Soloauftritt im Vorprogramm von Julien Baker in der bis auf den letzten Platz ausverkauften Milla in München, um ihr unsere zehn Fragen zu stellen.


1. Was ist deine Definition von "guter Musik"?

Gut ist Musik immer dann, wenn du eine Verbindung zu ihr aufbauen kannst. Wenn ich an gute Musik denke, fällt mir dazu kein bestimmter Sound, kein bestimmtes Genres ein, sondern etwas, das eine Verbindung zum Hörer herstellt.

2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?

Ich denke, der wichtigste Unterschied ist, dass ich und die Band inzwischen ein bisschen mehr unsere eigene Stimme gefunden haben. Konzeptionell bewegt sich die Platte nah an unserer ersten LP, aber es wird ein bisschen konkreter. Sie dreht sich um die Art von Musik, die ich an bestimmten Punkten in meinem Leben gebraucht habe, egal ob das zu Teenagerzeiten oder vor zwei Monaten war. Auf der ersten habe ich versucht, mich in alle möglichen hypothetischen Situationen zu versetzen, die neue Platte ist näher an meinen tatsächlichen Gedanken, näher an Dingen dran, die tatsächlich passiert sind.

3. Warum sollte jeder deine neue Veröffentlichung kaufen?

Ich habe es als wirklich aufregend empfunden, eine Punk-Platte zu machen, die etwas zeitgemäßer ist und mit einer umfassenderen Stimme spricht. Ich wollte ein Album schreiben, das Menschen anspricht, die politisch links stehen oder queer sind, die unsere Verbündeten sind, aber das trotzdem noch diesen spezifischen Punk-Sound hat. Wenn dich das anspricht, solltest du die Platte kaufen.

4. Was hast du dir von deiner ersten Gage als Musiker gekauft?

Vermutlich haben wir es in Benzin investiert oder in einen Besuch im Waffle House, ja, wir sind bestimmt ins Waffle House gegangen!

5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass du Musiker werden wolltest?

Ich habe früher oft Mixtapes gemacht, indem ich den ganzen Tag Radio, damals noch terrestrisches Radio, gehört habe und immer auf "Aufnahme" gedrückt habe, wenn ein Song kam, den ich mochte. Ich habe meine ersten eigenen Lieder geschrieben, weil ich ein großer Popmusik-Fan war. Ich mochte die Gin Blossoms und Alanis Morrissette, und nachdem ich lange Top-40-Radio gehört hatte, entdeckte ich Singer/Songwriterinnen wie Ani DiFranco oder Tori Amos, und dann kamen die Punk-Bands. Die Punk-Shows waren aber nicht der Grund, dass ich eine Gitarre in die Hand nahm, das war eher den Singer/Songwriterinnen geschuldet.

6. Hast du immer noch Träume - oder lebst du den Traum bereits?

Ich habe immer noch Träume, aber der Horizont verschiebt sich ständig. Wenn du meinem 15-jährigen Ich erzählt hättest, was ich alles machen würde, hätte es dich für verrückt gehalten, deshalb schätze ich mich sehr glücklich, dass ich so viel reisen und all das hier machen kann.

7. Was war deine größte Niederlage?

Ich denke, dass ich manchmal nicht risikofreudig genug bin und keine großen Schritte wage. Das sind zumeist Dinge, die mir rückblickend klar werden, bei denen ich denke: Ich wünschte, ich hätte diese oder jene Chance ergriffen und mich ein bisschen weiter vorgewagt. Aber du machst alles mit den Informationen, die du hast, deshalb merkst du erst in der Rückschau, dass es durchaus okay gewesen wäre, dies oder das zu tun.

8. Was macht dich derzeit als Musiker am glücklichsten?

Auf jeden Fall die Chance, so viel wie möglich zu touren. Letztes Jahr haben wir eine kleine Pause eingelegt, um die neue Platte zu schreiben, aber jetzt bin ich sehr froh, wieder unterwegs zu sein, ganz egal ob solo wie auf dieser Tour mit Julien oder demnächst wieder mit der ganzen Band. Es ist wirklich wundervoll, so viel reisen zu können.

9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?

Vermutlich gibt es eine Menge Songs, die ich hasse, aber ich habe sie einfach aus meinem Gedächtnis verbannt!

10. Wer - tot oder lebendig - sollte auf deiner Gästeliste stehen?

Oh, ich mag die Frage! (Überlegt lange) Joe Strummer und Neko Case! Joe Strummer, weil er einer meiner großen Songwriting-Helden ist, den ich leider nie live sehen oder kennenlernen durfte. Ich hätte ihn einmal fast mit den Mescaleros gesehen, aber an dem Tag sollte ich mir eine College anschauen, deshalb bin ich nicht zum Konzert gegangen. Einige Monate danach ist er dann leider gestorben. Er hat für mich musikalisch einen bestimmten Standard gesetzt. Neko Case habe ich genannt, weil ich einfach ein großer Fan bin, sowohl von ihrer Musik als auch der Art und Weise, wie sie sich im Musikbusiness bewegt.

Weitere Infos:
facebook.com/worriersmusic
worriers.bandcamp.com

Text: -Gaesteliste.de-
Foto: -Pressefreigabe-
Worriers
Aktueller Tonträger:
Survival Pop
(Side One Dummy/Cargo)
 

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