Nachdem die "Indietronic"-Spezialistin Julia Holter eine versöhnliche Phase mit Dreampop-Ambitionen mit dem Live-Album "In The Same Room" beendete und mit dem 2018er Album "Aviary" wieder zur experimentell und assoziativ ausgelebten Avantgarde zurück gekehrt war, verbrachte sie die Folgezeit - auch in der Pandemie - mit Film- und Auftrags-Kompositionen und einer Babypause. Als es daran ging, das nun vorliegende Album zu konzipieren, suchte Julia Holter erst ein Mal nach einem Mindset für dieses Projekt. Dabei kam sie dann auf die Idee, "die ständige Fragmentierung ihres Geisteszustand als frisch gebackene Mutter" und ihre durch Ereignisse wie eben die Geburt ihrer Tochter und dem Tod ihres kleinen Neffen veränderte Sichtweise auf zwischenmenschliche Beziehungen als Basis für ihre neuen Kompositionen herzunehmen. Wobei es gilt, den Begriff "Komposition" insbesondere zu betrachten, denn indem Julia Holter auf diesem Album teilweise mit lautmalerischen Vokal-Elementen im sogenannten "Zungen-Stil" und ebenso klangmalerischer Tontaubenschießerei arbeitet, ist davon auszugehen, dass die Inspiration durch unbewusste Kräfte eine große Rolle gespielt zu haben scheint. So kontrolliert Holter ihre Musik bestenfalls strukturell - lässt sich ansonsten aber streckenweise von ihrem "Instant Composing" Treiben. Nun gut: Sie selbst räumt schließlich ein, dass ihre Musik eine "mäandernde" Qualität besitze. Immer wieder überraschend sind dann allerdings gelegentlich strategisch durchstrukturierte Songs mit einem erkennbaren Format wie z.B. "These Morning" oder "Evening Mood", die sich unerwartet aus den klanglichen Wundertüten hervorschälen. Es gilt insgesamt dann also wieder: Julia Holter kann sich zwar punktuell durchaus von der Avantgarde lösen - ganz los wird sie sie aber trotzdem nicht.