Das dritte Studioalbum der Grammy-verwöhnten Kanadierin wird voraussichtlich kaum jemand enttäuschen (der Alanis mag), aber auch wenige in höchste Verzückung treiben. Das ist alles, wie wir es von ihr gewohnt sind: Gekonnt (diesmal von ihr selbst) produzierter Pop mit Rockkanten und Rapecken mit nabelfokussierenden Selbstzerwühltexten. Was auch im dritten Durchlauf noch fehlt, sind elektrisierende, unheilbar befallende Ohrwurmattacken wie „I Would Be Good“ oder „You Oughta Know“, mit denen Frau Morissette uns zuvor verseuchte. Beziehungsweise: Da, wo sich Melodien festbeissen, da erinnern die einfach zu sehr an ihren früheren Output…
Aber der Vergleich ist vielleicht auch unfair. Nur für sich betrachtet ist „Under Rug Swept“ nämlich eine saustarke, elf Popperlen hoch aus dem üblichen Aktuellquark herausragende Veröffentlichung, zu der gästelistigerweise u.a. Me’Shell Ndegeocello (Baß) sowie Dean DeLeo von den Stone Temple Pilots und Eric Avery (Jane’s Addiction) beitgetragen haben. „21 Things (I Want In A Lover)“ läßt uns neben einem zeppelinesken Gitarrenriff auch an einem morissettschen Gedankenspiel teilhaben, das die meisten von uns schon einmal gespielt haben… „Narcissus“ nimmt den Härtegrad wieder etwas zurück, „Hands Clean“ hätte auch auf „Jagged Little Pill“ gestanden haben können, die Akkorde haben es jedenfalls, und spätestens bei „Flinch“ werden im Konzert die Feuerzeuge zu ihrem Recht kommen. Mein persönlicher Favorit ist die Piano-Ballade „That Particular Time“, die fast an frühere Großtaten aufschließen kann.
Menschen, die auf die Texte achten, werden es eventuell bisweilen etwas unbehaglich finden, in die Gedanken- und Gefühlswelt der hier relativ unzensiert nahezu alle inneren Vorgänge quasi mitprotokollierenden Erfolgschanteuse aus Ottawa derartig tief hineingezogen zu werden, von diesem – möglichen – Problem aber abgesehen gibt es hier wirklich nichts zu meckern oder unter den Teppich zu kehren.
„Under Rug Swept“ von Alanis Morissette erscheint auf Maverick/WEA.