Marissa Nadler – und da gibt es nichts dran rumzudeuteln – ist eine moderne Folk-Sängerin. Ganz in der Tradition der großen Altvorderen stellt sie sich – nur mit Stimme und Akustik-Gitarre – dem Urteil des Hörers. Obwohl dann die tragischen Moritaten und Balladen um Liebe, Gewalt, Schönheit und Tod tatsächlich in der Tradition klassischer Folk-Songs erscheinen, blickt Marissa indes überhaupt nicht zurück. Alle Tracks schrieb sie selbst (auch wenn sie sich nach Traditionals anhören mögen) und ihr Vortrag – mittels perlender Gitarrenkaskaden und einem Gesangsstil der eher im Rock als in der Folklore verhaftet ist – zeigt, dass sie ein Kind ihrer Zeit ist. Dass die Sache – obwohl außer o.a. Ingredienzen und gaaanz sparsamer Zugaben nicht viel geboten wird – zu keiner Sekunde langweilig erscheint, spricht für Marissas Präsenz und Vision als eigenständige Künstlerin, die den Folk eben nur als Mittel zum Zweck – nicht aber Selbstzweck – sieht. Das ist also keineswegs staubtrockene Traditionspflege, sondern lebendiges, und auf seine Weise auch zeitgemäßes, Songwriting.
„The Saga Of Mayflower May“ von Marissa Nadler erscheint auf Beautiful Happiness/Cargo.