Stell dir vor, Scab wären ein Kollege von dir. Der unscheinbare und fleißige, aber stets nette Kollege, mit dem man im Fahrstuhl ein paar kurze Worte über das Wetter wechselt, mit dem aber abends niemals ein Bier trinken würde, um über den Chef zu lästern. Das sind Scab und so ist ihre Musik. Jedenfalls meistens.
Der Großteil des zweiten Silberlings ist solider, manchmal dezent angepunkter Indie-Pop, wie man ihn von Bands wie One Fine Day und Kollegen kennt. Kann man eben hören, muss man aber nicht. Denn Scab gehen es nicht mutig genug an. Songs wie „Where The Freaks Are At“ oder „Win It All“ besitzen im Grunde alles, um richtig große Hits zu sein. Sie haben eingängige Refrains, kleine Spielereien und sie versprühen sogar den gewissen Charme. Doch immer dann, wenn sie kurz vor der Explosion sind, ziehen sich Scab zurück. Es zündet nicht. Es bleibt eine Nummer zu glatt, eine Nummer zu vorhersehbar und dadurch eine Nummer zu schwach. Zu schwach, um die Klasse von Bands wie Billy Talent oder den Donots zu erreichen und damit nur netter Durchschnitt. Zwischendurch dann aber knallen uns die Münchner plötzlich Songs heraus, die einen völlig unverhofft treffen. „Your Day“ hat mindestens eines der so vermissten Eier, „Tick Tick Too“ begeistert mit einem Babylon Zoo-Flair, das anschließende „My Song For You“ trieft zwar mächtig, ist aber eine poppige Perle, die man so schnell nicht wieder loswird. Und so zeigen uns die vier am Ende doch, dass sie mehr als nur über das Wetter reden können. Ob es aber zur großen Lästerecke reichen wird, müssen sie erst noch beweisen.
„Our Time“ von Scab erscheint auf Modern Noise/Cargo.