Klarer Fall von „Wie man in den Wald hineinhorcht“-Platte: A)tens ist es durchaus möglich, „Already Free“ mit gutem Erfolg als Hintergrundbeschallung einer Blueskneipe, eines Kicker- oder Mitfreundenablaber-Abends einzusetzen. Ergebnis werden äußerstenfalls Fragen wie „Klasse, wer ist das noch?“ oder kennerhaft hochgerissene Augenbrauen sein, keinesfalls wird einer dieser Songs hier unangenehm auffallen.
Wenn man sich aber B)tens näher mit dem Album beschäftigt, entpuppt sich „Already Free“ als eines dieser seltenen, nahezu perfekten Alben. Beispielsweise hatte noch das 2004er Live-Dokument von TDTB „Live At Georgia Theater“ noch einen raffinierten, ganz anderen Cocktail aus diversen Weltmusik-Stilen, Jazz, Soul, vielen Flötenparts angesetzt und streckenweise mehr nach frühen Santana als nach (Southern) Blues(rock) geklungen. Dabei ist es übrigens eines der spannendsten Live-Alben und ungemein hörenswert. „Already Free“ nimmt hier eine Stilbereinigung vor, ohne jedoch jemals langweilig oder eingleisig dabei zu werden. Das eröffnende Dylan-Cover „Down In The Flood“ hat mit Maultrommel (?), akustischer Slide und Mike Mattisons (vgl. a. Scrapomatic) erdigem Gesang ein Flair von Swamp- / Roots-Blues angenommen und erinnert bisweilen angenehm an the late great Chris Whitley. „Something To Make You Happy“ hat Trucks mit Doyle Bramhall II geschrieben, den er als Sideman aus Eric Claptons Liveband kennt. Bramhall hat die Nummer co-produziert, die allein schon durch den subtilen Flow zwischen den beiden Drummern / Percussionisten Yonrico Scott und Count M’Butu sofort an die Allman Brothers erinnert. Bei „Maybe This Time“ singt Bramhall auch, was die Gesamtwirkung mehr zu den frühen Lynyrd Skynyrd verlagert. Es spricht für die Ausdruckskraft eines Derek Trucks (für den Rolling Stone gutmöglicherweise „the best guitarist of his generation“), dass seine Gibson SG auf dem folgenden, gospeligen „Sweet Inspiration“ so fromm jubelt, wie sie auf dem Heavy Blues „Don’t Miss Me“ die kantige Boogie-Sündigkeit eines Michael Katon verströmt. „Days Is Almost Gone“ ist abermals eine Prachtnummer, die sich aber vielleicht ein wenig zu dicht beim notorischen „I Shall Be Released“ aufhält. Einer von vielen Höhepunkten der Edelscheibe ist das von Trucks Eheweib Susan Tedeschi gesungene „“Back Where I Started“. Ihr von Trucks gemeinsam mit Allman Brothers-Kompagnon Warren Haynes auf den schönen Leib geschrieben, hat das Stück eine stille Inbrunst und Größe wie Bonnie Raitts „Angel From Montgomery“ (das auch in Tedeschis Live-Kanon steht).
Es scheint auch noch C)tens möglich, sich völlig in dieses Album zu versenken, quasi meditativ, wie man das mit nur ganz wenig Musik kann. Dabei tauchen ständig Assoziationen von Wasser und Fließen auf, dann beginnen die Stücke ineinander zu strömen, die Percussions des ungemein rhythmischen Albums beginnen, wie ein einziger, an- und abschwellender Strom zu wirken, wie eine heilsame Naturgewalt, der man sich bedenkenlos anvertrauen und bis zur nächsten weich singenden Slidegitarren-Bucht tragen lassen kann. Keep on TRUCKing!
„Already Free“ von The Derek Trucks Band erscheint auf Columbia/Sony BMG Music.