Normale Musikhörer hätten eigentlich allen Grund, vor einer Tom Waits-Live Scheibe Angst zu haben. So unberechenbar, wie der Mann auf seinen CD herumwütet, ist er aber im Live-Kontext dieses Mal gar nicht. Ganz im Gegenteil: Indem hier die besten Momente der letzten Waits-Tour – tontechnisch brillant aufbereitet – zusammengesucht werden und der Meister von einer zwar ausgezeichneten, aber durchaus konventionellen Band begleitet wurde, ist dieses tatsächlich eine der zugänglichsten Waits-Scheiben überhaupt geworden. Und das, obwohl sich keine offensichtlichen „Hits“ al la „Downtown Train“ oder ähnliches hier finden. Dafür streift Waits viele Stationen seiner Karriere (vor allen Dingen seine letzten) und bietet – was die Interpretation der Songs betrifft – durchaus einige Überraschungen%3B nur dass diese nicht darin bestehen, die Extreme auszuloten, sondern das Potential der Songs auszuschöpfen.
Das, was Waits ansonsten durch zum Teil extreme Klanginstallationen auszudrücken sucht, gelingt ihm hier ganz einfach durch Inspiration und Inbrunst. Und so gibt es dann hier – übrigens durchaus auch für beinharte Fans – durchaus einige Edelsteinchen zu entdecken. Und mal ernsthaft: Eine so druckvolle, greifbare Rhythmusgruppe hat man schon lange nicht mehr auf Live-Konserve gehört. Wie das technisch gelöst wurde – immerhin wurde das Material ja auf der ganzen Welt zusammengetragen -, wäre durchaus mal eine musiktheoretische Abhandlung wert. Einen Haken hat die Sache allerdings dann doch: Die zweite CD dieses Doppel-Sets enthält keine Musik mehr, sondern einen unglaublich redseligen Waits, der über Gott und die Welt philosophiert. Das hat zwar auch etwas – allerdings hätte man sich da lieber mehr Musik gewünscht!
„Glitter And Doom Live“ von Tom Waits erscheint auf Anti/Indigo.