Julia Holter war ja bislang eher ein Fall für Leute, die beim Musikhören – zumindest geistig – aktiv mitmachen möchten. Jedenfalls eigneten sich ihre hochkomplexen intellektuellen Spielereien eher weniger zum gelegentlichen Gefälligkeits-Hören. Zwar büßt Julia auf ihrem neuen Werk den Anspruch, mit ihrer Musik weit mehr als bloße Unterhaltung bieten zu wollen, keineswegs ein – aber sie lässt den Zuhörer nicht mehr verwirrt auf halber Strecke zurück. Jedenfalls ist ihr neues Werk „Have You In My Wilderness“ wesentlich verbraucherfreundlich und zugänglich als die bisherigen Arbeiten. Auch wenn Julia bei weitem noch keine massenkompatiblen Pop auffährt, ist das neue Material wesentlich versöhnlicher, melodischer und harmonischer geraten als die oft verkopften Klangexperimente der Vergangenheit. Das liegt zum einen wohl daran, dass sich Julia inhaltlich nicht mehr auf intellektuelle literarische Gedankenspiele bezieht, sondern auf eine – zwar lyrische – Analyse ihres Innenlebens. Da sie das musikalisch mit wunderbaren Melodiebögen und phantasievollen Streicherarrangements verknüpft, kommt die Sache tatsächlich sehr viel emotionaler und nachvollziehbarer als gewohnt daher – ohne das Julia dabei übrigens auf musikalische Grenzforschung verzichtet. So könnte man einige der neuen Tracks tatsächlich für lyrische Überbleibsel aus dem frühen King Crimson-Kosmos halten – wären da nicht Julias einfühlsame Vocals. Tatsächlich ist dieses Album nicht nur ein großer, mutiger Schritt in die richtige Richtung – sondern schlicht und ergreifend ein songwriterisches Meisterwerk.
„Have You In My Wilderness“ von Julia Holter erscheint auf Domino Records/GoodToGo.