Schön, dass es so etwas überhaupt noch gibt – denn Alice Merton zeigte der ganzen Branche, dass man auch heutzutage noch das System von unten aufrollen kann. Zumindest dann, wenn man – wie im Falle der Dame mit dem Deutsch/Kanadisch/Britischen/US-Background – eine musikalische Vision und ordentliches Songmaterial in Petto hat. Ohne Labelunterstützung gelang es Alice mit ihrem selbst produzierten Song „No Roots“ einen soliden Hit zu landen – und das lange bevor ein Tonträger in Sicht war. Tatsächlich dauerte es recht lange, bis Alice die Zeit und Muße fand, die bei zahlreichen Live-Auftritten solide getesteten und ausformulierten persönlich gefärbten Pop-Songs mit erfreulich autobiographischem Touch, die sich nun auf dem Debütalbum finden, in Form zu bringen. Das vor allen Dingen deswegen, weil sie nahezu pausenlos unterwegs ist – aber auch, weil sich Verhandlungen mit Major-Labels als nicht zielführend erwiesen und Alice stattdessen lieber die volle Kontrolle über ihr Tun bevorzugte und letztlich bei ihrem Indie-Status blieb. Dem Material tut das keinen Abbruch: „Mint“ ist schlicht eine Sammlung brillant inszenierter, organischer, zeitloser und inspirierter Pop-Songs, die – im Vergleich zu den mittlerweile stromlinienförmigen Live-Shows – erfreulich edgy und greifbar geblieben sind und von Alice auf höchstem technischen Level mit einer Inbrunst und Power dargeboten wird, die jeden Zweifel hinwegfegt.
„Mint“ von Alice Merton erscheint auf Paper Plane/Sony Music.