Platte der Woche KW 08/2022
Schon 2009 rappte er in „Mittelfinger hoch“: „Ich rappe, doch kleide mich wie ’ne Indie-Rockband“. Nun, 2022 rappt er immer noch, sieht aber mehr nach Hippster statt Rockstar aus, ist aber längst einer, klingt auch so und macht mit solchen Mucke. Und rappen tut er auch noch. Casper, bester Mann! Der vielleicht uncoolste, genau deshalb coolste und gleichzeitig ganz sicher auch authentischste Dude, der da draußen derzeit so rumläuft. Und seine neue Platte ist auch noch unglaublich gut geworden.
Rap ist das immer noch. Der klingt aber natürlich schon lange nicht mehr wie zu Selfmade-Zeiten an der Seite von Kollegah, sondern schon seit einigen Platten ausufernd, opulent bis orchestral und häufig laut und immer atmosphärisch, unglaublich kraftvoll, energetisch, komplett eigen und eben nach: Indie-Rockband. Hier vielleicht sogar noch mehr als zuletzt, aber den Vorgängern eben auch nicht ganz unähnlich. Und doch ist auch auf „Alles war schön und nichts tat weh“ natürlich wieder vieles neu. Was auch an den neuen Features liegt. Tua zum Beispiel macht „TNT“ zu einer unfasslich eindringlichen Nummer, Teute und damit Arnim Teutoburg-Weiß von der Indie-Rockband Beatsteaks leiht „Euphoria“ die Stimme und es passt so perfekt, wie auch die Gitarren und der Rock N Roll zu „Gib mir Gefahr“ mit Kummer von Kraftklub passen. Dazu sind Hayiti, Provinz und wirklich wahr auch Lena Meyer-Landrut dabei. Hashtag: Durch die Nacht, 2012. Damals ein Ereignis, heute Fernseh-Geschichte.
Und dann sind da ja auch noch die Worte. Oder auch: Der Titel vs. Texte. Da geht in „Billie Jo“ um einen Irak-Veteran, der nach seiner Rückkehr seine ganze Familie tötet („Gab seiner Frau ein letztes ‚Ich liebe dich wirklich‘, dann ’n Schuss in die Brust, zündet’s Haus und dann sich an“), in „Fabian“ um einen an Leukämie erkrankten Freund, in „Mieses Leben / Wolken“ um toxische Liebe („Deine Lippen sind Gift, komm bitte wieder zurück“). Zum Beispiel. Es sind eine Menge Worte auf dieser Platte, eine Menge Geschichten und Verweise und Zitate, verpackt in einer Menge großartiger Lieder. Und alles zusammen ergibt: das Gegenteil einer endkacke Trendplatte.
„Alles war schön und nichts tat weh“ von Casper erscheint auf Ekat/Sony Music/Columbia.