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Der New Yorker Songwriter Adam Lytle ist nun wahrlich kein Newcomer mehr – man muss allerdings darauf achten, dass man nicht bei dem gleichnamigen US-Schauspieler und Stuntman landet, wenn man seinen Namen googelt. Obwohl er erst 2023 sein Solo-Debüt-Album veröffentlichte – und nun mit seinem zweiten Album „Altars“ nachlegt -, hatte er schon eine Laufbahn als Frontman der beiden Bandprojekte Wild Leaves und Quicksilver Daydream hinter sich, als er sich dann Pandemie-bedingt als Solo-Künstler selbständig machte und das vielbeachtete Solo-Werk „This Is The Fire“ veröffentlichte, auf dem er sich als wortgewaltiger Geschichtenerzähler in einem zwar akustisch orientierten, aber mit schwelgerischen Streicher-Arrangements augmentierten Setting präsentierte.
Nun hat sich der Mann aus Brooklyn für sein neues Album „Altars“ wieder eine Band zusammengesucht und präsentiert sich darauf wieder als Rockmusiker – wenn auch einem mit einem musikalischen Faible für die spanische Gitarre, Morricone-Spaghetti-Western-Appeal und einer ordentliche Prise Wüstenrock. Inhaltlich demonstriert Adam Lytle eine Vorliebe für eine wortgewaltige, geradezu biblische Bildersprache, die den Schreiber seiner Bio dazu veranlasste, Adam Lytle als „Technician Of The Sacred“ zu charakterisieren.
Sieht sich Adam Lytle tatsächlich als einen Techniker des Geheiligten? „Nun, um in meinen Songs Emotionen zu evozieren, muss ich natürlich auch ein Techniker sein“, überlegt Adam, „es braucht viel Zeit und Arbeit, um zu dem Punkt zu gelangen, an dem ich bereit bin, einen Song in die Welt zu setzen. Ich fühle mich deswegen zu dem Begriff Techniker hingezogen, weil das Schreiben von Songs ja letztlich auch ein Handwerk ist – auch wenn einem das heilig sein mag. Ich setze mich nicht hin und lasse mich von der Inspiration dahintreiben, sondern ich muss an den Ideen herumschnitzen und Dinge ausprobieren. Die Songs auf dem Album habe ich alle auf wenigstens drei Arten aufgenommen, bevor wir ins Studio gegangen sind – um herauszufinden, wie sie am besten funktionieren. Nur indem ich mich so auf das Handwerk konzentriere, kann ich den Menschen eine klare Vision präsentieren und ein Gefühl der Verbundenheit bewirken.“
Dazu passen dann ja auch gut die großen biblischen Themen von Gut und Böse, von Rache und Vergeltung, von schwarzen Messen, manischen Predigern, Altaren, Blut, Schweiß und Tränen, mit denen Adam seine Geschichten zum Leben erweckt. Sucht Adam Lytle bewusst nach solchen Themen – oder geht es ihm darum, seine Geschichten in diesem Sinne zu verdichten? „Ich denke, es ist ein Mix aus Beidem“, überlegt er, „ich lasse mich von den Dingen inspirieren, die um mich herum passieren und greife Themen auf, die ich interessant finde – beispielsweise, wenn ich etwas in einer Zeitung gelesen habe. Wenn es aber um das Ausformulieren von Texten geht, dann versuche ich nicht, allzu viele Kontrolle auszuüben, sondern die Sachen erst mal rauszulassen und dann auf eigentliche Aussagen zu verdichten und dabei dem Thema treu zu bleiben. Ein gutes Beispiel ist der Song ‚Sanctuary‘. Ich habe eine Geschichte über eine Familie gehört, die 96 Tage in Holland im Kirchenasyl gelebt hat und dabei von der Gemeinde unterstützt wurde. Nachdem ich das Thema hatte, habe ich aber meinerseits nicht versucht, eine Art musikalischen Zeitungsartikel zu schreiben, sondern habe das in den breitesten Farben textlich geschildert und in den Song eingepasst – denn es ist ja nun mal ein Song, um den es geht.“
Okay: Hier sind unsere zehn Fragen an einen Mann, der um erklärende Antworten ja nun wahrlich nicht verlegen ist.
1. Was ist deine Definition von „guter Musik“?
Haha – gute Musik ist etwas, das dich zum Nachdenken anregt – aber doch zumindest dazu bringt, mit den Füßen zu wippen. Du musst dann aber nicht zwingend richtig tanzen, wenn du nicht möchtest.
2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?
Das ist eine gute Frage. Ich würde aber sagen, dass das meine Mitstreiter waren. Ich hatte ja ein neues Team zusammengestellt. Dazu gehören Jonathan Schenke, mein alter Freund und Produzent und der Lead-Gitarrist Cameron Kooper, mit denen ich meine Vision teile. Mit diesem Ansatz ging es uns darum, das Material zunächst zu erforschen und dann im Studio zu sehen, wie die Musiker darauf reagierten und was sie damit machten.
3. Warum sollte jeder deine neue Veröffentlichung kaufen?
Das ist schwierig – aber ich denke, die Leute sollten das Album kaufen, weil es für eine reichhaltige Bedeutung der Inhalte steht – und weil ich das ganze Artwork und Layout und das Cover als Ein-Mann-Armee selbst gemacht habe.
4. Was hast du dir von deiner ersten Gage als Musiker/-in gekauft?
Eine Acht-Spur Tascam-Bandmaschine aus den 80ern.
5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass du Musiker/-in werden wolltest?
Ich kann an keinen wirklich spezifischen Moment denken, weil Musik für mich eigentlich immer da war. Was mich für mein Solo-Projekt besonders inspiriert hatte, war Leonard Cohen auf einer seiner letzten Touren im Barclay-Center gesehen zu haben. Das hat mir klar gemacht, was man erreichen kann und wie man Menschen berühren kann, wenn man nur seiner Vision treu bleibt. Das hat mir die Sache dann einfach gemacht. Man muss sich nur treu bleiben.
6. Hast du immer noch Träume – oder lebst du den Traum bereits?
Oh, ich habe definitiv noch Träume. Gelegentlich mal bezahlt zu werden, wäre zum Beispiel ein solcher Traum. Und zu reisen und andere Menschen zu treffen und Musik für sie zu spielen. Das ist ja heutzutage nicht mehr so ganz einfach zu realisieren.
7. Was war deine größte Niederlage?
Ich denke, miterleben zu müssen, wie sich die Perspektive auf die Laufbahn mit meiner Musik in New York verändert hat. Als ich anfing, gab es noch jedem Menge Clubs und alle haben zusammen gespielt und Spaß dabei gehabt. Heutzutage gibt es immer weniger Clubs und alles ist sehr auf den Konkurrenzkampf ausgerichtet – weil jeder seinem Ruhm anstrebt. Da gibt es dann zum Beispiel eine ausverkaufte Show im Bowery Ballroom von Bands, die gerade auf YouTube angesagt sind – von der du danach aber nie wieder etwas hörst. Das finde ich problematisch.
8. Was macht dich derzeit als Musiker/-in am glücklichsten?
Ich denke, dass ich die Sachen auf meine Art machen kann und meine Vision klarer vor Augen habe als früher. Früher habe ich immer gefragt, was einen Song auszeichnet und habe gezweifelt, ob meine Songs richtig und gut genug wären – heutzutage weiß ich das einfach. Jeder, der sich im Leben weiter entwickelt hat, wird das unterschreiben können.
9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?
Das muss wohl das Kinderlied „Skinny Marinky Dinky Dink“ sein. Das habe ich mal auf einem dänischen Weihnachtsmarkt gehört und mir gedacht: Das ist zwar erstaunlich – aber auch schrecklich.
10. Wer – tot oder lebendig – sollte auf deiner Gästeliste stehen?
Donald Trump – dann könnte ich dem mal meine Songs vorspielen. Aber ernsthaft hätte ich gerne meine Großeltern auf der Gästeliste. Sie sind beide verstorben – aber sie haben mich inspiriert. Meine Großmutter väterlicherseits war eine Künstlerin, die mir klar gemacht hatte, dass man sich tatsächlich als Künstler durch das Leben bewegen kann. Mein Großvater mütterlicherseits war ein Musik-Fan, der mir Mix-Tapes mit alten Folk-Songs gemacht hat. Er hat mich gelehrt, Musik mit offenen Ohren zu genießen, ohne das Bedürfnis zu haben, dieses oder jenes selber anstreben zu wollen.
„Altars“ von Adam Lytle ist eine Eigenveröffentlichung.