Das Schöne an der Popmusik ist ja, dass es hier keine Regeln gibt und grundsätzlich erst mal alles möglich ist – beispielsweise auch, sich den Marktmechanismen zu entziehen und mit einer eigenen Vision, die auch gerne größer als das reale Leben sein darf, gegen den Strom zu schwimmen, wie das die österreichisch/britische Songwriterin Alicia Edelweiss auf ihrem zweiten Album „Furie“ tut. Als erstes fällt mal auf, dass es sich bei diesem Projekt nicht etwa um die heute übliche Songsammlung für Playlists handelt, sondern um ein durchdachtes Konzeptalbum, mit dem die Künstlerin nicht nur ein eigenes musikalisches Format entwickelte, sondern obendrein auch gleich noch eine Art eigener paganistisch/feministischer Natur-Mythologie, die sie (durchaus auch mit einem ironischen Augenzwinkern) zur Grundlage ihres songwriterischen Tuns macht.
Zusammen mit dem Violinisten Matthias Frey, dem Cellisten Lukas Lauermann und einigen Gästen entwickelte Alicia Eldelweiss ein eigenständiges, musikalisches Konzept, das sich grundsätzlich im Kook-Pop-Genre bewegt, aber selbst dessen Grenzen auf zuweilen orchestrale, zuweilen symphonische, zuweilen ambientmäßige und zuweilen cinematische Weise sprengt. Das gilt auch die Laufzeiten der episch aufgebohrten Songs. Die Stücke bewegen sich alle um die Fünf-Minuten-Grenze – kratzen aber gerne auch mal an der Neun-Minuten-Marke.
Die Arrangements sind weitestgehend akustisch, auf jeden Fall organisch und dezidiert „bodenständig“ aufgebaut. Das hängt damit zusammen, dass es trotz des eskapistisch anmutenden Charakters vor allen Dingen um eine dezidierte „Erdverbundenheit“ geht, die eine Anbiederungen an den Zeitgeist des Pop absolut nicht zulässt. Und was das Thema Pop betrifft: Trotz der ganzen ambitionierten Ernsthaftigkeit, mit der Alicia Edelweiss hier ihre Philosophie implementiert, bieten Tracks wie der Opener „Behind The Gates“ oder „Feminist Girlfriend“ und besonders das munter stolpernde Kinderlied „The Shiny Ones“ einen sich auch über die Narrative, aber hauptsächlich die ungezwungen abenteuerliche Zugänglichkeit entwickelnden, zuweilen skurrilen poppigen Mehrwert. Und dass Alicia Edelweiss eine schillernde Künstler-Persona entwickelt hat, die ebenfalls etwas größer ist, als das Alltagsleben, schadet dann ja auch nicht.
„Furie“ von Alicia Edelweiss erscheint auf Glitterhouse/Indigo.